„Der Tag der goldenen Schere, irgendwann kommt er…“
Machen ist krasser als wollen. Wenn Kindheitsträume wahr werden, ist das selten nur Zufall, sondern vor allem harte Arbeit. Als sich Andreas Sebastian Ehrle gegen den Wunsch des Vaters für den Friseurberuf entschied, hatte er ein Ziel: „Irgendwann kommt der Tag der goldenen Schere!“. Eine Geschichte über die riesige Kraft der Visionen.
Ich fange jetzt mal ganz anders an als sonst, und zwar von hinten: Heute hat mir ein Herzensmensch etwas geschrieben, das mich aus vielen Gründen heraus sehr, sehr nachdenklich gemacht und berührt hat. Eine der Keynotes, in der geschrieben war: „Solange du die innere Freiheit nicht fühlst, findest du sie im Außen nicht! Man muss nicht den ersten Platz erreichen, um berühmt oder bekannt zu werden. Oft sind diejenigen die Gewinner, die das Herz berühren… Du schaffst es, jeden in deinen Bann zu ziehen, weil du DU bist; das hast alleine du geschafft.“ Puh, dachte und fühlte in mir, dass das tief reinging! Aber jetzt mal zuerst ein paar Stunden zurück…
Was ist los?
Ich hatte heute eigentlich schon angefangen, ein paar Zeilen nach einer längeren Pause des Nicht-Schreibens für euch in die Tasten zu hacken… Es ist nicht so, dass ich keine Lust dazu hätte, es liegt viel mehr an der fehlenden Zeit. Bei meinem momentanen Line-Up kein Wunder: Salon ganz normal und voller Arbeit, so wie halt bei euch auch. Die vielen Bühnenshows und der Stage-Einsatz, Moderation und Speaker-Jobs, mein Podcast, der Online-Shop, meine Markenbotschafter-Nummern, meine Familie mit meinen Kids. 24/7. Und eben diese Stunden reichen oft nicht aus! Kennt Ihr das? Das Fragezeichen: Geht da noch was? Dieses verdammte Fragezeichen hatte und habe ich eigentlich immer in meinem Leben. Geht da noch was? Wenn ja, was? Ich dachte so oft, ich hätte mir die Antworten geholt – es fühlte sich schon oft so gut an. Aber dann kam die Frage zurück. Das Düstere in mir, das nicht zu Deutende. Etwas, was mich aber auch über die Grenzen in meinem Leben – und glaubt mir, das war schon sehr, sehr geil – gebracht hat.
Die Ruhe vor dem Sturm:
Wer von euch mich kennt, meine Artikel für die FMFM gelesen hat, und das waren über die letzten Jahre einige, der kennt ja Teile meiner Story, die ich euch heute quick and dirty unter die Haut bringen möchte.
Ich bin eigentlich ein „ganz normaler Typ“, der eine oft langweilige Kindheit mit Fußball und auf dem Skateboard verbracht hat. Rapper wollte ich in meiner Jugend immer werden, die Bühne erobern. Und das, obwohl ich immer und die ganze Zeit rot geworden bin. Schüchtern war ich, es gab keinen Grund dafür, aber es war eben so. Ich drückte die Schulbank auf dem Gymi. Das war das oberste Gebot meines Vaters. Gut war ich da nie, aber dort war ich halt. Als ich dann gegen den Willen meines Dads Friseur wurde, wurde mir schnell bewusst, wie faszinierend es ist, am Menschen, mit den Gefühlen, mit der Wärme und auch den Sinnen zu arbeiten. Kunde und Freund in einem. Ich wollte aber schon immer mehr! Also gründete ich mit knapp 23 Jahren mein Déjà vu. Im Nachgang zu früh, aber auch gut so. Mein erster Salon und selbstständig in einer Zeit, die noch anders war. Mit Angst, aber eben auch mit dem passenden Mut verbunden, gepaart mit dem Willen und dem Drang, richtig groß zu werden. Meine Oma und mein Opa waren Friseure. Heute spreche ich auf meinen Bühnen von damals. Vom Geruch von Kaffee, Zigarettenrauch und dem furchtbaren Gestank von Wellflüssigkeit. So war meine Kindheit bei meiner Oma Anna im Salon. Heimat und Geborgenheit! Die wahre Liebe eben. Der Plan ging auf…
Jetzt wird es spannend…
Eines Tages hatte ich die Chance, mich in einem Casting-Format zu bewerben. Ich arbeitete in der Zeit bereits ein paar Jahre hinter meinem eigenen Stuhl, war Trainer für eine Haircompany, liebte es aber gleichzeitig, dieses Fragezeichen in mir zu spüren. Geht da noch was? Frau war da, Geld war da, Porsche vor der Tür und alles fein. Oder eben auch nicht? Dann läuft mir dieses Fernsehformat rein: Top Cut, 2009 auf Vox. Deutsches TV, das ist doch mal eine Ansage, dachte ich mir. Also die Bewerbung in den Schlitz und warten… Ich wurde genommen, wurde dann Dritter. Ich kam also über Wochen in der Primetime im Flimmerkasten und die Leute kannten mich. Aber ich hatte mich selbst dadurch auch verloren. Die Kehrseite der Medaille ist manchmal eben nicht aus Gold, Silber oder auch nur Holz. Die Kehrseite ist der Sumpf des Lebens. Das Alleinsein und nicht deuten zu können, wer es gut mit dir meint. Das Dunkle auch am Tag oder die Leere in der Nacht.
Mein Salon war schon immer die Säule. Ich weiß nicht, wie, aber ich packte es und kam in mein Leben zurück. Weitere TV-Formate folgten: Style Attack, Speed-Makeover auf Pro7 und noch mehr. Viele Städte, viele Hotels und all das, was dieser Lifestyle so mit sich bringt. Ich fühlte mich wie der Rapper, der ich damals in meiner Jugend schon immer sein wollte. Der Rockstar mit der Schere in der Hand! Eigene Produktlinie, mein Buch, aber auch die Ruhe vor dem nächsten Sturm folgten. Immer wenn es ruhig um mich war, wusste ich schon längst, wie es wieder laut werden kann. Wenn du dich im Leben Dinge traust, dich Ihnen stellst, deine Chancen darin siehst und die Dinge zu deinen machst, verbunden mit dem richtigen Mut – dann hast du doch das, was du suchst, brauchst und das, was dich erfüllt. Dachte ich das, oder ist es so?
Irgendwann war ich es satt. Hatte genug gesehen, genug erlebt und auch verlebt. Es reichte für zwei Leben oder mehr, und das Komische daran war, dass ich viele Dinge davon nicht wirklich wahrnehmen oder aufnehmen konnte.
Der Break in meinem Leben
Es war der 08.06.2017. Ein sehr heißer Tag für den Juni. Um 12.47 Uhr, als ich den entscheidendsten Schnitt meines Lebens machen durfte! Den Schnitt durch die Nabelschnur meines Sohnes Davie. Es war ein Gefühl, das ich so nicht kannte. Das Gefühl von „Alles“, als ich den kleinen Menschen in meinem Armen hielt. Mein Leben und das meiner Frau vereint in seinem kleinen Körper. Wir waren eine Familie, wir waren eine Einheit. Die Bühne war vorbei. In dieser Zeit hatte ich trotzdem mein Comeback im TV in einer coolen Hairshow. Aber ich fühlte es nicht; etwas hatte sich verändert. Die Zeit zog ins Land. Meine Tochter Romy kam zur Welt. Die Familie, der Salon, meine zehn kaputten Bandscheiben, die ich mir mit oft achtzig Stunden Arbeit die Woche eingefangen hatte – das alles war nun mein Leben. Die Jahreszeiten rannten durch, und ich war der Papa aus Liebe.
Und dann kam das verdammte Fragezeichen zurück. Nicht das Fragezeichen: Geht da noch was? Es war irgendwie anders. Deuten kann ich es bis heute nicht richtig. Diese nicht greifbare Energie steuerte mich und trieb mich an wie aus dem Nichts. Ich wollte zurück auf die Live-Stage, auf der ich vor so vielen Jahren begann. Dieser Drang forderte mich erneut heraus, wie der Tanz mit dem Teufel. Zurück auf die Bühne der Gefühle, wo du als Artist den Menschen nahe bist.
Ist das die Antwort?
Diese Nähe zu den Menschen ist es, die mich heute glücklich macht. Sie ist der Grund, warum ich heute als Obermeister der „El Presidente“ der Friseurinnung Tübingen bin. Natürlich besitze ich weiterhin meinen Salon, das „Déjà vu“. Ich bin in verschiedenen Ausschüssen des Zentralverbandes der Friseure, kämpfe für unseren Nachwuchs und bin ein Sprachrohr der Friseure geworden. Vor wenigen Tagen erst wurde ich vom Fachverband Friseur und Kosmetik zum „Creative Director Social Media“ ernannt. Eine Ehre! Ich bin mir für nichts zu gut, denn ich weiß eben, wo ich herkomme, moderiere auf großen Bühnen der Friseurwelt und halte Vorträge, bei denen ich versuche, uns allen Mut zu geben, sich Dinge zu trauen! Ich bin Markenbotschafter für einige Firmen, Autor für die FMFM und hole die „Young Stars“ ab. Als Markenbotschafter der DFA bin ich wild und auch anders. Eben doch immer noch der Rockstar oder der Rebell unter den Friseuren.
Der Tag der goldenen Schere…
Bei meinem Start vor mehr als 28 Jahren hatte ich einen Wunsch, einen Traum, ein Gefühl und natürlich auch ein paar Vorbilder. Ich wollte etwas bewegen, ich wollte ein „Großer“ unter den Friseuren werden, und ich wollte eben raus aus dem Schuhkastendenken. Ich wollte keines von den vielen weißen Schafen sein, sondern das eine, andere und unique schwarze Schaf.
1996 war der erste Tag mit einer Schere in der Hand. Ich war schüchtern, der Spiegel war mein Feind und ich versteckte mich immer im Keller des Salons. Aber ich wollte es schaffen! Damals, vor über 28 Jahren, wurde der Wunsch in mir geboren, irgendwann eine eigene Schere zu haben. Eine Schere, die sich mit meiner Hand vereint. Meine Schere, die ich lebe. Ich ahnte damals schon, dass dieser Weg sehr steinig und schwer sein würde. Aber ich wusste auch, dass genau dieser Tag der goldenen Schere irgendwann kommen würde. Wenn ich mich nur Dinge traue, über meine Grenze gehe, und das immer und immer wieder. Wenn ich mir selbst Mut zuspreche.
Heute war genau dieser Tag, auf den ich immer hingearbeitet habe. Der Tag, an dem ich dieses Paket aus meinen Träumen in den Händen halte, es öffne und sie darin sehe: die goldene Schere „Andreas Sebastian Ehrle x Tondeo“ – meine goldene Schere! -, eine unique Limited Edition in 24 Karat vergoldet. Was für ein Fest. Hier stecken mein Wissen, meine Passion, meine Leidenschaft und Liebe zum Haar und mein Mut von Tag eins an drin! Ich komme aus dem Friseurladen meiner Oma und ich gehöre in meinen… Ich bin ein Haarschneider!
Euer Andreas
Der letzte Satz aus dem Brief meines Herzensmenschens im Brief von heute war übrigens: „Sei endlich stolz auf Dich! Du darfst das, weil Du verdammt nochmal alles gegeben hast!“