Riesenchance für alle: Friseurausbildung mit über 30!
Früher eine Ausnahme, heute eine Chance, dem Lehrlingsmangel Stirn zu bieten und das Blatt zu wenden: Auszubildende jenseits der dreißig! Die Quereinsteiger sind hoch motiviert und leistungsbereit - denn sie wissen, wo sie hinwollen. Wie Şerif, der 32-jährige Azubi von Saloninhaber und FMFM Artist Fatih Erbay. Klischees und Geld waren es, die den jungen damals Şerif davon abgehalten hatten, eine Ausbildung als Friseur zu beginnen. Mittlerweile ist er aber angekommen in seinem Traumjob und beweist, wie belebend und beflügelnd es sein kann, andere Wege einzuschlagen. Mit FMFM haben Fatih Erbay und Şerif über das neue Umdenken gesprochen.
Immer mehr Salons öffnen sich dem Modell Quereinsteiger, weil es für sie schwieriger geworden ist, gute und vor allem zuverlässige Fachkräfte und Auszubildende zu finden. In vielerlei Hinsicht sind Ältere auch die angenehmeren Lehrlinge, findet zumindest Fatih Erbay. Er weiß, wovon er spricht. Denn für ihn sind reifere Azubis wie Şerif ein echter Gewinn für den Salon.
1. Fatih, einen Lehrling zu haben, der gleichaltrig oder sogar älter ist als man selbst, ist schon irgendwie komisch, oder? Inwiefern unterscheidet sich die Ausbildung eines Quereinsteigers von der eines jungen Schulabgängers?
Also Quereinsteiger ab 27 Jahre, würde ich sagen, gehen ganz anders an die Ausbildung heran! Sie haben sich schon „ausgetobt“ und erscheinen am Montagmorgen pünktlich bei der Arbeit. Hinzu kommt die gute Portion Lebenserfahrung, die sie mitbringen. Dazu gehört nicht nur, dass sie verantwortungsvoller mit ihren Arbeitsgeräten umgehen, weil sie wissen, wie viel sie kosten, sondern auch, dass sie sich nicht so schnell von ihren Zielen abbringen lassen. Sie gehen voller Eifer und Wissensdurst an die Sache ran. Es ist einfach ein Arbeiten auf Augenhöhe. So habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein reifer Azubi nicht zwei Schritte hinter einem ist, sondern drei Schritte vorausdenkt.
2. Das ist natürlich eine enorme Arbeitsentlastung. Sind das die Qualitäten, die Du in einem Azubi suchst?
Mitunter ja. Aber vor allem suche ich in Lehrlingen die Leidenschaft für das Handwerk und die Erkenntnis, dass sie mit dem Friseurberuf eine Menge machen können. Das bringen meiner Meinung nach vor allem ältere Quereinsteiger mit, da sie einfach wissen, was sie möchten. Sie haben sich bewusst für den Beruf entschieden, der ihnen Spaß macht, auch wenn das für eine gewisse Dauer weniger Geld bedeutet. Ich würde meinen, ihnen ist der Spruch „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, ein Begriff, den sie bereit sind einzugehen, um ihren Traumjob auszuüben.
3. Kommen wir zu dir, Şerif. Warum hast Du Dich gerade für diese Ausbildung entschieden?
Das Interesse am Friseurhandwerk bestand schon zu Zeiten, als ich noch die Berufsfachschule für Metalltechnik besucht habe. Mir fehlte aber der Mut, diesem Traum nachzugehen. Sei es wegen der Klischees, dass es sich hauptsächlich um einen Frauenberuf handelt, sei es wegen der schlechten Bezahlung. Im Laufe der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ich dieser Leidenschaft einfach folgen sollte, egal was andere dazu sagen oder welche finanziellen Einschränkungen es mit sich bringen könnte. Gesagt, getan. Und als Fatih mir eine Ausbildung in seinem Salon vorschlug, war nach kurzer Überlegung natürlich dabei.
4. Er hat Dir eine Ausbildung vorgeschlagen?
Jein! Fatih und ich, wir kennen uns schon seit fast 15 Jahren. Das heißt, er wusste über mein Interesse am Handwerk Bescheid. Das ist auch so eine Sache. Gerade weil ich den beruflichen Werdegang von Fatih mitverfolgt und begleitet habe, wurde mir bewusst, wie sehr meine Leidenschaft für den Friseurberuf brennt. Ich habe schon viel in meinem Leben ausprobiert – von Einzelhandel im Modebereich, Metallfachwerk, Techniker in der Automobilbranche, Consulting Apotheke – jetzt aber bin ich angekommen und mache genau das, was ich immer machen wollte. Als Friseur ist man ja nicht nur Handwerker, sondern auch Berater, Zuhörer und Designer.
5. Das hört sich in diesem Fall nach einer Win-win Situation für beide Seiten an. Was denkst Du, Fatih, könnte dieses Ausbildungsmodell die Lehrlingskrise in der Branche vielleicht abfedern?
Kommuniziert man dieses gut, könnte es sehr wohl bei der Bewältigung der Krise helfen. Dabei sollte man sich aber nicht nur auf Quereinsteiger konzentrieren, sondern natürlich auch die jungen Schulabgänger mit ins Boot holen. Diese können von der Einstellung und Lebenserfahrung des reiferen Azubis lernen. Andersrum steckt die Energie der jungen Lehrlinge ältere Quereinsteiger an. Es ist tatsächlich ein Gewinn für alle Beteiligten.
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