Friseur*in werden? Nö, lieber doch nicht!

Friseurin-werden-Noe-lieber-doch-nicht-4851-1
Nicht nur schade, sondern auch existenziell: Wenn das Feuer für das Handwerk schon in der Ausbildung erlöscht
Shutterstock
Nicht nur schade, sondern auch existenziell: Wenn das Feuer für das Handwerk schon in der Ausbildung erlöscht

Anzeige

Anzeige

Anzeige

Anzeige

Traurig, aber wahr: rund jeder zweite Friseurazubi wirft während der Ausbildung das Handtuch. „Den jungen Leuten fehlt das Feuer“, zitierte der "Spiegel" vor wenigen Wochen die Hamburger Friseurmeisterin und Saloninhaberin Ulla Maass in einem Interview. Doch sind allein mangelnde Motivation und fehlende Durchhaltequalitäten der Azubis Schuld an der sinkenden Zahl des Lehrlinge im Friseurhandwerk? Lauschen wir Ex-Friseur-Azubi Kerstin R., sieht die Sache schon ganz anders aus. Sie hatte die Veröffentlichung des Spiegel-Artikels auf Facebook kommentiert und schildert uns nun anschaulich, warum ihr einstiger Traumberuf Friseur*in für sie schnell zum Albtraum wurde. Lesenswert für alle, die es als Ausbilder besser machen wollen!

Anzeige

Anzeige

Der Nachwuchsmangel in der Friseurbranche ist jetzt schon brenzlig. Für manchen gar existenzbedrohend. Tendenz steigend. Unter den ohnehin wenigen Bewerbern sind immer mehr Ausbildungs-Abbrecher. Woran liegt die große Flaute? Am Geld? Am Image? An falschen Berufsvorstellungen? An fehlendem Feuer? „Keins von alledem!“, sagt Kerstin R. Sie ist selbst ehemalige Friseurauszubildende und klagt im exklusiven Interview mit FMFM die fragwürdigen Lehrmethoden mancher Ausbildungsbetriebe an.

Für viele angehende Friseure ist der Satz über das „fehlende Feuer“ der Azubis ein echter Affront. Du hast in Deiner Lehre selbst das handtuch geschmissen. Warum fühlst Du Dich dennoch in der Pflicht Deine Sicht als Ex-Azubi zu erklären?

Weil es bei mir und auch vielen anderen während meiner Ausbildung ganz sicherlich nicht an Motivation fehlte! Ich bin mit der Vorstellung in die Lehre gegangen, die Basics (Föhnen & Färben) erst mal an einem Übungskopf zu erlernen und später ab und zu auch an Stammkunden, natürlich nur unter Aufsicht. Dass das nicht in den ersten Monaten nach Ausbildungsbeginn möglich ist und man während dieser Zeit hauptsächlich die Haarwäsche oder auch die Kopfmassage übt, war mir auch klar. Das hat aber nicht meinen Enthusiasmus für den Beruf gebremst – und dennoch habe ich die Ausbildung im zweiten Lehrjahr abgebrochen. Warum? Weil die Realität in vielen Ausbildungsstätten für Auszubildende sehr ernüchternd ist.

Was meinst Du damit? Inwiefern hat sich deine Vorstellung von der Ausbildung in Deinem Traumberuf nicht bestätigt?

In meinem ersten Ausbildungssalon wurde ich direkt am ersten Tag darauf aufmerksam gemacht, dass die Azubis hauptsächlich für den Müll, die Reinigungsarbeiten und Botengänge zuständig sind. Auch mein Wechsel zu einem anderen Salon brachte nur bedingt Besserung. Zwar durfte ich die Haare der Kunden waschen, dennoch wurden mir Schritte und Kniffe für die Kopfmassage und das Föhnen am Übungskopf trotz mehrmaliger Bitten nicht gezeigt. Auch nicht für das Schneiden an einem Modell. Mein Partner hat sich meistens für mich geopfert, denn meine Haarschnitte waren schrecklich. Keiner hat mir gezeigt, wie man etwas ausbessert oder Schnittfehler behebt. So musste mein Freund damals mit riesiger heller und runder Stelle am Hinterkopf aus dem Salon gehen. Ich bin heute noch der Meinung, dass man jemanden, der nach Hilfe fragt, ruhig mal unter die Arme greifen kann. Schließlich war ich doch noch unerfahren und zum Lernen da. Das Schlimmste war aber die Strafgeldkasse. Man musste Geld bezahlen, wenn man etwas nicht gemacht bzw. keine Modelle hatte. Von gerade einmal 200 € Ausbildungsgeld im ersten Lehrjahr! Jedes Mal kam ich mit einem mulmigen Gefühl in den Salon, in der Hoffnung, nichts Falsches zu machen. Wie soll man den da noch für den Beruf brennen?

Das sind wirklich viele negative Erfahrungen. Hattest Du vielleicht einfach Pech und bist an die „schwarzen Schafe“ der Ausbildungssalons geraten? Wie sahen die Erfahrungen bei Deinen Berufskollegen aus? 

Ich kann nur das wiedergeben, wie es mir erzählt wurde. Viele Azubis, die in Friseurketten ihre Ausbildung absolvierten, haben ähnliche Erfahrungen gemacht. In Einzelsalons war es hin und wieder genauso schlimm. Die Samstagsarbeit war sehr oft für die Azubis gedacht, das Gehalt lag im Durchschnitt bei 250€ und auch nicht selten „durften“ Azubis im 3. Lehrjahr den Salon samstags allein mit den anderen Azubis übernehmen. Sich mit der Handwerkskammer in Verbindung zu setzen, war für viele aber ein Tabu. Man hatte Angst, direkt gekündigt zu werden und wieder neu anfangen oder mit Strafen rechnen zu müssen.

Aber nicht jeder von denen hat die Ausbildung hingeschmissen. Warum hast Du schlussendlich abgebrochen?

Ich fühlte mich nicht ernst genommen und es ging mir zu langsam voran. Durch die wenige Unterstützung und Förderung verlor ich das Interesse an diesem Beruf. Manche würden jetzt sagen, dass man nach der kurzen Zeit nicht viel erwarten kann, aber doch, das kann man! In eineinhalb Jahren nichts Prüfungsrelevantes gelernt zu haben oder nur wenig, das ist einfach inakzeptabel. Natürlich habe ich mir bei diesem ganzen Stress auch Gedanken um die Zukunft gemacht. Reicht das Geld, was ich später mal verdiene aus, um mich und meine Familie mal ohne Probleme zu ernähren? Lohnt es sich wirklich, dass alles durchzustehen, wenn es einem woanders bzw. in einem anderen Beruf besser gehen kann? Für einige mag es sich lohnen, für mich hat es das in der Gesamtheit nicht.

Wie hättest Du Dir denn Deine Ausbildung gewünscht, sodass sich der ganze Stress, die Lehre zu beenden und im Beruf zu bleiben, gelohnt hätte?

Ich hätte mir sehr gewünscht, dass man zusammengearbeitet hätte. Dass angesprochene Probleme ernst genommen werden und man die Azubis im Schichtplan genauso wie die anderen Mitarbeiter berücksichtigt. Überstunden können vorkommen, sollten aber nicht die Regel sein. Dass man gezeigt bekommt, welche Möglichkeiten es gibt, um Neues auszuprobieren. Eine vernünftige und auch durch einen Meister betreute Ausbildung hätte mich überzeugt. Denn ich hätte gern weiter gemacht! Denn die Kundennähe und auch das Handwerk mochte ich sehr gern. 

Was machst Du jetzt? Welche Unterschiede konntest Du in beiden Ausbildungen erfahren?

Ich habe danach eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten angefangen und auch gut abgeschlossen. Eigentlich kann man diese Berufe nicht wirklich vergleichen, aber ich versuche es trotzdem. Ich wurde in der neuen Ausbildung unterstützt, mit einbezogen. Auch Verfahren von Anfang bis Ende wurden mir gründlich erklärt und durch mich auch mit bearbeitet. Wenn ich etwas nicht verstanden habe, bekam ich eine erneute Erklärung plus Aufgaben zum Üben. Ich konnte jeden um Rat fragen, und bei internen Problemen wurde mit dem Chef zusammen eine Lösung gefunden. Ich musste zwar nach der Berufsschule abwechselnd mit einem anderen Azubi arbeiten, aber bekam es an einem anderen Tag wieder gutgeschrieben. Diese Ausbildung war auch nicht immer leicht, aber dennoch wurde ich wie ein jemand behandelt, den sie halten möchten. Ich hatte den Eindruck, dass es für meine Ausbilder wichtig und richtig war, dass ich die Ausbildung erfolgreich abschließe. Und ich wurde nicht wie jemand behalndelt, der einem egal ist und der doch selber zusehen soll, wo er bleibt. Ich bereue meine Entscheidung bis heute nicht, aber ich finde es nur irgendwie schade, dass es so gekommen ist.

 

Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“