„Salons im Corona-Hotspot – das hat auch Vorteile!“
Viele lieben und bewundern Friseurunternehmer Michael Bredtmann für sein sonniges Gemüt. Doch auch ihm geht im Corona-Brennpunkt Wuppertal zwischendurch der A... auf Grundeis. Zumindest so lange, bis er etwas findet, was an der ganzen Misere doch positiv sein könnte. Und das ist – geht es nach ihm – eine ganze Menge!
Ehrlich gesagt: So locker komme und kam ich nicht durch die Krise. Natürlich ist man nach so vielen Jahren Selbstständigkeit schon sehr erfahren mit schwierigen Situationen. Die letzte richtig harte Zeit hatte ich vor ca. zwei Jahren, als mich das Finanzamt bei unserer Steuerprüfung auseinander genommen hatte. Wir hatten zwar keine Feststellung als Ergebnis, aber diese drei Monate waren jedoch die Hölle. Eigentlich dachte ich, jetzt hätte ich erst einmal eine stressfreiere Zeit. Und dann kommt Corona – und damit ganz andere Schwierigkeiten. Wir in Wuppertal sind einer der Corona-Hotspots des Landes… Was ist also anders? Ganz einfach: Ich weiß immer noch nicht, was genau auf uns zukommt. Wir haben unsere Hausaufgaben im letzten halben Jahr gemacht. Aber es gibt immer noch keine Sicherheit. In meinem Kopf kreisen Fragen wie:
• Wie viel von der Soforthilfe müssen wir zurückzahlen?
• Wie viel unserer Kunden lässt die Angst vor einem Besuch abschrecken?
• Bekommen wir Kontakt mit einem positiv getesteten Kunden oder Mitarbeiter und müssen für 14 Tage unser Geschäft schließen?
• Was für eine Auslastung haben wir durch wegbleibende Kunden, die in Quarantäne sind?
• Wie viele kranke Mitarbeiter werden wir diesen Winter haben? Zahlreiche Herausforderungen
Keine Option: Aufgeben!
Völlig klar ist, dass vieles derzeit alles andere als sonnig ist. Aber ich versuche weiterhin in Lösungen zu denken. Zum Beispiel haben wir ein aktuelles Platzproblem in einer unserer Filialen. Im Salon Eastside hatten wir nie eine volle Auslastung der Bedienungsplätze. Da ist es gerade einfacher. Aber im zweiten Geschäft Westside haben wir ein extremes Platzproblem. Wir haben einfach zu wenige Bedienungsplätze. Wochen haben wir für die Planung der Arbeitspläne gebraucht. In unserem örtlichen Umfeld halten sich viele Kollegen einfach nicht an die Corona-Regeln, was uns auch ehrlich gesagt frustriert hat. Da jetzt drei Städte in unmittelbarer Nähe von Wuppertal herum in der Top Ten-Liste der 7-Tage Inzidenz-Werte liegen, überlegen sich die Kunden schon eher, ob sie aus dem Haus gehen. Das Positive: Unsere unglaubliche Konsequenz in Sachen Hygiene und unsere Disziplin der letzten Monate wird jetzt wirklich belohnt: Die Kunden vertrauen uns! Kurzfristige Absagen einzelner Kunden wegen Quarantäne usw. sind zum Glück die Ausnahme.
The Winter is coming…
Mitarbeiterführung ist ebenfalls ein zentrales Thema zur Zeit. Häufig vergessen wir als Chefs doch: Auch die Mitarbeiter haben sich seit März 2020 „Den Arsch aufgerissen”. Durch die momentane Situation übersehen wir schnell, was für eine besondere Leistung unser Team geleistet hat. Haben wir das überhaupt genug wertgeschätzt? Und: Wie erklären wir unserem Team nun, dass die nächsten 6 Monate, bedingt durch den Winter, noch schwieriger werden? Ehrlich gesagt ist doch unser aller Energie jetzt schon beinahe aufgebraucht. Bei uns Chefs, den Mitarbeitern und auch Kunden. Eigentlich wären wir jetzt zwei Wochen im Griechenland-Urlaub und würden wieder Kraft für die „dunklen Monate“ tanken. Stattdessen bereiten wir uns vor Ort auf dem Winter vor. So geht es auch unseren Mitarbeitern. Und genau dort Motivation und Durchhaltewillen aufzubauen, ist die wertvollste Herausforderung in den nächsten Wochen. Da sind Ideen und Kreativität gefragt! Wir haben z.B. draußen einen Hof, in dem wir für den Winter einen eigenen Weihnachtmarkt aufbauen werden. Dafür haben wir extra ein neues Grillfass angeschafft, das ich jetzt schon sehr liebe. Mit Stunden der unbeschwerten Geselligkeit möchte ich den Winter-Blues zusammen mit unseren Mitarbeitern besser überstehen. Schließlich wird das Freizeitangebot diesen Winter sehr klein sein!
Aerosole, Aerosole, Aerosole…
Ebenfalls ein heißes Thema: In den nächsten Wochen wird sich alles um die Aerosole drehen. War früher noch ein volles Geschäft sexy, so erfreut mich heute ein ruhiges und nicht so volles Treiben. Da fällt mir ein: Ich muss noch den Lüftungsplan erstellen. Kaufe ich ein Filtersystem für das Geschäft oder welche Maßnahmen zur Luftreinigung ergreifen wir? So recht weiß ich es noch nicht. Ich spüre nur: Irgendwie ist diese neue Ruhe im Geschäft auch angenehm.
Fazit: Ändern, was zu ändern ist. Und Gutes genießen!
Sehr häufig lese ich von Kollegen, die überhaupt keine Probleme oder Sorgen in diesen Zeiten haben. So geht es mir gerade nicht. Ständig beschäftige ich mich damit, gut durch diese Zeit zu kommen. Ganz ehrlich: Mir geht es gerade nicht gut. Ich denke viel nach, schlafe schlecht und bin überarbeitet. Ich wüsste gerne genauer, welche Aufgaben auf mich zukommen. Da es mir niemand sagen kann, habe ich mich dafür entschieden, dass ich an dieser Situation des „Nicht-Wissens“ wachsen möchte. Tatsächlich ändert allein dieser Entschluss etwas an meiner Wahrnehmung und ich entdecke, dass diese Zeiten auch etwas Positives haben. Seit rund zwei Wochen sind wir an unserem Standort jetzt ein Corona-Hotspot. Die Kundenzahl hat sich zum Glück bislang nicht sonderlich verändert. Ich habe darüber nachgedacht und mir ist erst jetzt aufgefallen: Sollten sich die Einschränkungen für uns Wuppertaler weiter verschärfen, dann sind Friseursalons fast die einzigen Orte, wo man als Kunde mal ein wenig Normalität findet und unter Menschen sein kann. Ein wirkliches Plus, wenn man die Hygienemaßnahmen gut einhält. Und für unsere Mitarbeiter ist es auch einer der wenigen Orte, wo man noch in einer Gruppe zusammen sein kann. Ich stelle nämlich fest, dass derzeit die Vereinsamung ein echtes Problem geworden ist. Alle Faktoren zusammen gesehen machen doch unseren Arbeitsplatz noch attraktiver, oder?
Liebe Kollegen, lasst uns gemeinsam die Köpfe hochhalten und uns auf das konzentrieren, was wir ändern und positiv finden können. Euch alles Gute!
Michael Bredtmann