Irrtum! Polizei stoppt Ausbildung im Salon!
Eine Salonunternehmerin aus dem Raum Ludwigsburg in Baden-Württemberg hatte vor zwei Tagen Ausbildungsmaßnahmen in ihrem geschlossenen Salon stattfinden lassen. Sie berief sich dabei zurecht auf das einige Tage zuvor veröffentlichte Statement des ZV-Präsidenten Harald Esser, dass die Ausbildung unter Berücksichtigung der vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen trotz Salonschließung weitergehen könne. Offensichtlich war dieser auf dem Berufsbildungsgesetz fundierte Passus aber noch nicht zu der lokalen Polizei- und Ordnungsbehörde vorgedrungen, da die schockierte Friseurmeisterin von Vertretern beider Instanzen scheinbar ziemlich rigide aufgefordert wurde, die Maßnahmen umgehend zu beenden. Die ganze Geschichte hat FMFM-Redakteurin Gabriela Contoli zusammengefasst.
„Ich stand total unter Schock und kam mir vor wie eine Schwerverbrecherin“, klagte die erfolgreiche Salonunternehmerin Gabi S, als sie mir gestern ihr bedrohliches Erlebnis vom Vortag schilderte, das ein wahrer Albtraum gewesen sein muss. Unter Berufung auf das Presse-Statement von ZV-Präsident Harald Esser, das zuvor in den sozialen Medien verbreitet worden war und in dem es heißt, dass Ausbildungsmaßnahmen bei Einhaltung der erforderlichen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen trotz der derzeitigen Salonschließungen in den Räumlichkeiten der Betriebe abgehalten werden können, hatte die Salonunternehmerin vorgestern eine Ausbildungsmaßnahme in ihrem Salon abgehalten. Die Salontür war geschlossen, es fand keinerlei Kundenverkehr statt und die Räumlichkeiten konnten von außen auch nicht betreten werden. Gabi S. versicherte mir in unserem Telefonat, sich streng an die von Herrn Esser kommunizierten Hygiene- und Sicherheitsvorschriften gehalten zu haben. Anwesend im Salon waren die Salonleiterin (Meisterin), eine Mitarbeiterin und eine Auszubildende, die an einem Übungskopf gearbeitet hat. Die Salonunternehmerin befand sich im Büro. Also, alles nach Vorschrift, alles ok!
Plötzlich stand jedoch eine Dame vom Ordnungsamt vor der Tür, die auf ihrem Kontrollgang gesehen hatte, dass im Salon von Gabi S. „Betrieb“ war. Sie bat um Einlass und drohte umgehend mit einem saftigen Bußgeldbescheid. Darüber hinaus rief sie die Polizei. Diese forderte die Salonunternehmerin auf, ihren Salon umgehend zu „schließen“, der ja gar nicht geöffnet war.
Obwohl schockiert von der befremdlichen Umgangsweise der Beamten mit ihr besann sich die Friseurmeisterin auf das Statement des Zentralverbands, was aber weder die Ordnungsbeamtin noch die Polizei zu interessieren oder beeindrucken schien. Daraufhin kontaktierte Gabi S. den Geschäftsführer des LIV Baden-Württemberg sowie den Referatsleiter Mittelstand und Handwerk des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbaus Baden-Württemberg. Letzterer vermochte die Salonunternehmerin ein wenig zu beruhigen und versprach ihr, den Sachverhalt zügig zu prüfen.
Einige Stunden später erhielt Gabi S. dann vom Ministerium den erlösenden Bescheid, dass sie die Ausbildung im geschlossenen Salon weiterbetreiben könne, natürlich unter Einhaltung der Hygienestandards und Sicherheitsmaßnahmen. Das Ministerium berief sich dabei – ebenso wie zuvor der ZV-Präsident – auf das Berufsbildungsgesetz §4, das besagt, dass auch in Fällen der Schließung des Betriebs der Ausbilder nicht von der Pflicht befreit ist, die berufliche Handlungsfähigkeit zu vermitteln und der Ausbildungsbetrieb so weit wie möglich aufrechtzuerhalten ist.
Puh! Die Erleichterung war Gabi S. auch einen Tag später noch anzuhören!
Da ich mir nicht erklären konnte, warum die Behörden von dieser Regelung nichts wussten, wandte ich mich als FMFM-Redakteurin an den Herrn, der Gabi S. den Donnerstag wieder lebenswert gemacht hatte, Bernd Scherrer, Leiter des Referats Mittelstand und Handwerk im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Baden-Württemberg. Herr Scherrer beantwortete umgehend (Freitagabend!!) meine Fragen und bestätigte bzw. ergänzte somit das Statement von Harald Esser.
Interview mit Bernd Scherrer, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Baden-Württemberg
Herr Scherrer, gilt die Regelung, auch bei geschlossenen Salons weiter ausbilden zu dürfen, bundesweit? Bernd Scherrer: Der Regelung liegt das Berufsbildungsgesetz zugrunde, das als Bundesgesetz bundesweit gilt.
Wie viele Personen dürfen sich in der jetzigen Phase maximal in einer Ausbildungssituation im Salon aufhalten? B.S.: Die Zahl der Personen wird ganz automatisch durch die Einhaltung der Hygienestandards begrenzt.
Welche konkreten Auflagen (Sicherheit/Hygiene) haben Ausbilder und Auszubildende in der Ausbildungssituation im Salon denn zu berücksichtigen? B.S.: Es sind insbesondere die Abstandsregelungen von mindestens 1,5 Metern, möglichst 2 Metern zwischen den Personen einzuhalten. Die Friseurtätigkeit ist speziell untersagt, da sie unter Einhaltung dieses Abstands nicht auszuüben ist. Daher dürfen die praktischen Ausbildungsinhalte nur an sogenannten Übungsköpfen vermittelt werden.
Warum sind die öffentlichen Behörden darüber nicht informiert, dass in geschlossenen Salons ausgebildet werden darf? B.S.: Wir veröffentlichen regelmäßig eine Liste zur Auslegung der Corona-Verordnung im Internet. Diese Liste dient den Vollzugsbehörden zur Orientierung. Sie wird ständig aktualisiert, je nach neu aufkommenden Fragestellungen. Die Frage der Zulässigkeit von Ausbildungsmaßnahmen in geschlossenen Einrichtungen (hier: Friseursalons) kam erstmals auf. Bei der nächsten Aktualisierung der Liste wird der Sachverhalt aufgenommen.
Welche weiteren Aktivitäten dürfen in den festgesetzten Schließungszeiten im Salon stattfinden (Teambesprechungen? Putzaktivitäten? Regale auffüllen etc.?) B.S.: Die Schließung einer Einrichtung (hier: Friseursalon) bedeutet nicht, dass Inhaber oder Mitarbeiter diese Einrichtung nicht mehr betreten dürfen. Es sind alle von Ihnen aufgeführten Tätigkeiten erlaubt, soweit dies unter Einhaltung der Hygienevorschriften möglich ist.
Herr Scherrer, vielen Dank für Ihre Antworten!