Friseurhandwerk kämpft um Köpfe!
Die Friseurinnungen stärken und Nachwuchsprobleme lösen – das waren die Kernthemen des 25. Obermeister Jahresauftakt Seminars 2020 des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks am vergangenen Wochenende in Düsseldorf.
Obermeisterinnen und Obermeister der Friseurinnungen aus ganz Deutschland, Vertreter/innen der Industrie und Fachpresse sowie weitere Gäste erlebten zwei Tage mit inspirierenden und motivierenden Vorträgen zu den aktuellen Branchen-Brennpunkten. Wichtig auch – so das positive Feedback am Ende des Events – der unverzichtbare Erfahrungsaustausch unter den rund 100 Teilnehmer/innen. Und dazu gönnte der ZV seinen Obermeister/innen ausreichend Zeit, z. B. beim Get Together mit Buffet am Samstagabend und anschließend an der Hotelbar, beim italienischen Abend mit 3-Gänge-Menü und Gänsehaut-Tenor Cheo aus Südkorea sowie in den großzügigen Kaffeepausen während der Tagung.
Die tun sehr wohl was!
Die tun ja nichts? Von wegen! Denn „Lösungen angehen statt jammern“ war der deutlich wahrnehmbare Spirit, den ich in Düsseldorf als Fachmedienvertreterin in meinen vielen Gesprächen mit den ehrenamtlichen Protagonisten unserer leider nach wie vor gebeutelten Branche wahrnehmen durfte! Und ganz ehrlich? Leicht haben es die Führungskräfte unserer Innungen derzeit wahrlich nicht, werden sie doch tagtäglich mit den schier unlösbaren Problemen des Friseurhandwerks durch ihre Mitglieder konfrontiert und dabei nicht selten verbal angegriffen! Vielen Friseuren ist offensichtlich nicht klar, so mein Eindruck, was für einen tollen Job die Ehrenämtler da für unsere Branche machen und dabei oftmals an ihre Grenzen gehen und kommen, z. B. bei der Kommunikation mit der zuständigen Handwerkskammer, der Kreishandwerkerschaft, den Gewerbeaufsichtsämtern etc. Mühsames Brot, sich hier für die eigene Innung Gehör zu verschaffen, um Positives bewirken zu können! Und nebenbei ist da ja auch noch der eigene Salon! Umso bewundernswerter, dass sich doch noch so viele Friseure für ein Ehrenamt entscheiden (In Düsseldorf konnten immerhin neun neue Führungskräfte für die Innungen begrüßt werden!)
DIE tun sehr wohl was! Sicherlich der eine mehr und der andere weniger, aber alle zeigen durch ihren ehrenamtlichen Einsatz, dass ihnen unsere geschundene Friseurbranche nicht einerlei ist. Dass dabei nicht immer „Friede Freude Eierkuchen“ zwischen den „Marktteilnehmern“ Verband, Innung und HWK herrscht, daraus machten die Teilnehmer/innen des Obermeister Seminars ebenfalls keinen Hehl. Dennoch hatte ich summa summarum den Eindruck, dass die Mehrheit der teilnehmenden Innungsführungskräfte tatsächlich immer mehr an einem Strang zieht, der Zentralverband als unterstützendes oberstes Organ mit seiner aktuellen Politik auch als solches wahrgenommen wird.
Die Stimmung war in Düsseldorf zwar nicht euphorisch, aber hoffnungsvoll positiv! Und wie war das noch? Gemeinsames Leid ist geteiltes Leid! Optimismus tut Not, denn die prekäre Situation in unserer Branche mit ihrem schlechten Image und Zahlen, die sich beim besten Willen nicht schönreden lassen, sprechen eine deutliche Sprache.
Aber das Konstrukt „Friseurinnung“ mit seinen Unter- und Überbauten kann nur dann weiter funktionieren, wenn sich neue Mitglieder finden! Und Azubis bleiben nur dann bei der Stange, wenn sie vernünftig ausgebildet werden. Darin sind sich alle einig! Doch woher neue motivierte Innungsmitglieder, Ehrenämtler und Friseurnachwüchlser nehmen und nicht stehlen?
Der Zentralverband präsentierte in Düsseldorf einige zukunftsweisende und Lösungsansätze versprechende neue Konzepte, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden sollen.
Gabriela Contoli, FMFM, mit Herbert Gassert ©Businesspixel.de für Zentralverband Friseurhandwerk
Eine Branche in der Krise
Dr. Axel Fuhrmann ©Businesspixel.de für Zentralverband Friseurhandwerk
Nachwuchsmangel, Schwarzarbeit, Ausnahmebewilligungen, Ausübungsberechtigungen, Barbershops ohne Daseinsberechtigung, 22.000 Euro-Salons…Eine Branche in der Krise…Abgeholt und verstanden fühlten sich viele teilnehmende Obermeister/innen von Dr. Axel Fuhrmann, Hauptgeschäftsführer des Gastgebers, der Handwerkskammer Düsseldorf. Fuhrmann spielte mit offenen Karten und redete bezüglich der Probleme und Ärgernisse im Friseurhandwerk nicht um den heißen Brei herum, sondern tischte auch aus seinem Kammerbezirk Düsseldorf die schonungslos bedrohlichen Zahlen auf (nur 25% aller Betriebe sind im Kammerbezirk Düsseldorf in einer Innung, Rückgang der neuen Lehrverträge um 50 % seit 1999).
Gemeinsam mit den Innungen und Handwerkskammern gelte es daher, noch mehr Einfluss auf die Politik zu nehmen, um all diese Probleme erfolgreich angehen zu können. In seinem eigenen Hoheitsgebiet seien beispielsweise Mitarbeiter (fünf ehemalige Polizisten) „unterwegs“, um Schwarzarbeitssünder und dubiose Betriebsleiter aufzuspüren. In der sich anschließenden Diskussion stellte sich heraus, dass viele Handwerkskammern für die Sorgen und Probleme der Obermeister/innen offensichtlich nicht immer ein offenes Ohr haben. Dadurch stoßen viele Ehrenamtsträger/innen schnell an ihre Kompetenzgrenzen und kommen in ihren Bemühungen um Fairness im Wettbewerb nicht weiter. Die HWK Düsseldorf scheint hier eine wohltuende und beispielgebende Ausnahme zu sein…
Lustige Politik
Als Hauptredner war bereits im Vorfeld des Seminars der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, langjähriger Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, mit dem Vortrag „Das Handwerk stärken – Worauf es jetzt ankommt“ angekündigt worden. Schlussendlich war dem Redner dann offensichtlich aber doch eher nach einem allgemeinen Plädoyer zur Lage der Nation, Europa und der Welt zumute statt wie eigentlich abgemacht auf die Friseure einzugehen. Dies jedoch dafür umso erfrischender und humorvoller.
Und dass Politik auch lustig sein kann, wie Bosbach zu Beginn seines Vortrags behauptete, war den Teilnehmer/innen bereits nach wenigen Sätzen des CDU-Politikers klar und sie freuten sich über sein humorvolles Update zu Themen wie Digitalisierung, Wirtschaftskraft versus soziale Gerechtigkeit, etc. Er bedauerte die nach wie vor anhaltende Zurückhaltung der Deutschen, stolz auf ihr Land zu sein und bekräftigte dies mit der sehr treffenden Metapher: „Wenn wir Deutschen Licht am Ende des Tunnels sehen, verlängern wir den Tunnel!“ Stolz auf sein Land zu sein habe nichts mit Nationalismus zu tun, so Bosbach.
Zum Schluss seiner kurzweiligen Rede schaffte er dann aber doch noch irgendwie den Schwenk zum Handwerk mit dem Fazit, dass die Arbeitsplätze von morgen in erster Linie Investitionen in die Bildung unserer Kinder sowie in die Forschung erfordern. Die Politik müsse sich diesen Herausforderungen noch intensiver stellen! Na, hoffentlich, lassen die Worte dann auch Taten sprechen!
Wolfgang Bosbach, ein volksnaher und charismatischer Politiker mit einem sympathischen Quantum Selbstironie!
Wolfgang Bosbach ©Businesspixel.de für Zentralverband Friseurhandwerk
Virtuelle Ehrenamts-Akademie
Jan Kopatz ©FMFM
Getagt wurde übrigens in den Räumlichkeiten der Handwerkskammer Düsseldorf, neben Koblenz einer der beiden Partnerhandwerkskammern des ZV. Vizepräsident Herbert Gassert, der für den erkrankten Präsidenten Harald Esser souverän durch die Tagung moderierte, rief die Obermeister/innen in seiner Begrüßungsrede dazu auf, sich den prekären Herausforderungen im Friseurhandwerk zu stellen. Es sei essentiell, dabei mit allen Marktteilnehmern wie dem ZDH, den Landesinnungsverbänden und Innungen zusammenzuarbeiten, um erfolgreich zu sein. Um das dramatische Nachwuchsproblem in den Griff zu kriegen, müssen vor allem die ausbildenden Betriebe unterstützt und entlastet werden.
Dazu hat sich der ZV so einiges ausgedacht für dieses Jahr, unter anderem eine neue Initiative für Ehrenamtsträger, die von Jan Kopatz, ZV Vorstand und Vorsitzender des Ausschusses Innovation & Kommunikation, präsentiert wurde. Eine digitale Plattform als lebendiges Medium soll noch in diesem Jahr „auf Sendung“ gehen und wie eine Art „Akademie“ dem ehrenamtswilligen- bzw. tätigen Friseur ein kompaktes Kursprogramm mit kurzen Infoblöcken, praktischen Downloadvorlagen und weiterführenden Links als Orientierung bieten. Im sogenannten „Showroom“ kann man spicken und von den Erfahrungen anderer Kollegen profitieren. Darüber hinaus wird es ebenfalls auf dieser Seite ein Online-Telefonbuch geben mit allen relevanten Kontaktdaten des Verbands.
Katrin Nyland von der indigo Werbeagentur vertiefte den Vortrag von Jan Kopatz und stellte das Projekt Ehren.Amt.Friseur nochmals en Detail vor.
Mehr Netto vom Brutto
Joachim M. Weckel, ZV Justitiar, erläuterte zielorientierte Instrumente zur Förderung und Bindung von Mitarbeitern, um dem Friseur als Arbeitgeber den größtmöglich machbaren Steuervorteil zu bieten und gleichzeitig für den Arbeitnehmer einen Mehrwert zu schaffen, um seinen Nettolohn zu optimieren. Dazu gehören Sachbezüge wie steuerfreie Jobtickets, soziale Fürsorge z. B in Form von Kindergartenzuschüssen , Incentives wie Reisen, aber auch Karriereperspektiven oder Beteiligungsmodelle.
Weckel erläuterte in seinem Vortrag außerdem die steuerlichen Änderungen zum 1.1.2020, die in erster Linie dem Zweck der Förderung von Elektro-Mobilität dienen. So werden z. B. Gutscheine und Geldkarten mit allgemeiner Zahlungsfunktion zu generell steuerpflichtigem „Arbeitslohn“.
Joachim Weckel ©FMFM
Premium-Ausbildung
Robert Fuhs ©FMFM
Dem unaufhaltsamen Akademisierungstrend der Schuläbgänger/innen blickt nicht nur Robert Fuhs, ZV Vorstand und Urgestein als Vorsitzender des Berufsbildungs-Ausschusses, mit großer Sorge ins Auge. Mit 9.483 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen (Stand September 2019) nahm die Zahl der Lehrlingsdebütanten im vergangenen Jahr erneut um 6% ab. Mit seiner gewohnt Energie geladenen direkten rheinländischen Art zeigte er in Düsseldorf die Notwendigkeit auf, in den Wettbewerb um die Generation Z zu treten und den jungen Leuten sowie deren Eltern neue Konzepte zu bieten, um ihnen eine Ausbildung zum Friseur schmackhaft zu machen. Dabei gelte es, die bekannte Einstellung dieser Generation „Mein Leben besteht nicht nur aus Arbeit“ zu berücksichtigen. Gleichzeitig müsse man Salonunternehmer/innen dazu bringen, wieder qualifiziert auszubilden.
Denn Fakt ist: Mehr als jedes 2. Ausbildungsverhältnis wird nicht im ursprünglichen Betrieb fortgesetzt, sondern der Betrieb wird gewechselt, weil die Azubis häufig unzufrieden sind mit der betrieblichen Ausbildungsqualität. Auch hier hat sich der ZV für dieses Jahr einiges vorgenommen mit dem Ziel, die Attraktivität der Ausbildung zu steigern, indem z. B. der Praxisbezug ausgebaut werden soll, Marktbedingungen und Kundenansprüche in die Ausbildung mit einfließen und Prüfungsanforderungen verständlicher erläutert werden müssen.
Ausbildung for future!
Eine brandneue Image-Kampagne, vom ZV entwickelt und digital umgesetzt für ausbildende Betriebe, trägt den optimistisch machenden Titel „Ausbildung for future, wir machen aus Azubis Lieblingsfriseure“ und entsteht in enger Kooperation mit den Marktteilnehmern, den Handwerkskammern, dem BIBB, Schulen und der Industrie. Sie enthält wertvolle Informationen rund um die erfolgreiche Ausbildung im Friseurhandwerk. Im Mittelpunkt der Kampagne: Ausbilder und ihre Salons.
Und so funktioniert’s: Ausbilder melden sich beim Programm an, erklären, die Grundlagen einhalten zu wollen und erhalten dafür von Experten, Meinungsführern und Branchenpersönlichkeiten monatlich Checklisten, Hilfe und Anregungen für die Ausbildung. Geplant sind zudem Videos, Seminare, Foren und Blogs. Begleitet wird die Kampagne durch öffentlichkeitswirksame PR- und Pressekampagnen. Vorgesehen ist zudem die Integration der bereits erfolgreichen Berichtsheft APP sowie eine Ausbilder APP. Startschuss für die Freischaltung der Website soll im Herbst 2020 sein.
Herausforderung Ehrenamt
Heiße Podiumsdiskussion ©FMFM
Nachdem der ZV neun neue Obermeister/innen persönlich in Düsseldorf willkommen heißen durfte, bot eine sich anschließende Podiumsdiskussion mit einem spannenden Mix aus unterschiedlich motivierten Teilnehmer/innen des Obermeister Auftaktseminars interessante Aspekte zu den Themen, die der Friseurbranche derzeit unter den Nägeln brennen wie Schwarzarbeit, „illegale“ Barbershops sowie öffentlichkeitswirksame Innungsevents. Die Obermeister/innen Markus Bredenbröcker (Essen), Ines Tietböhl (Neubrandenburg), Monika Schmitter (Düsseldorf) und Vize-Präsident Herbert Gassert stellten sich offen und ehrlich den Fragen von Heidi Stolz, Chefredakteurin der Friseurwelt und konnten die Zuhörer/innen anschließend zu einer lebhaften Diskussion animieren.
Positive Bilanz!
Zum Schluss des diesjährigen Obermeister Auftakt Seminars zog Laura Meschede-Pütz, ZV-Referentin für Berufsbildung und Organisation, positive Bilanz über das Debüt des Frauenpower-Events „Leading Salon Ladies“ vergangenen November in Berlin und versprach – ebenso wie für die im letzten Jahr zum ersten Mal erfolgreich stattgefundene Messe StyleCom in Erfurt – eine Fortsetzung in diesem Jahr.
Es gibt viel zu tun! Packen wir es alle an. Machen statt jammern! In diesem Sinne wünsche ich unserer Branche ein erfolgreiches neues Jahr!
Gabriela Contoli, FMFM-Redaktion