Friseurin macht Schluss mit der Selbstständigkeit: „Endlich ist mein Lachen zurück“

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Angestellt arbeiten statt selbstständig - für manchen eine Erleichterung
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Angestellt arbeiten statt selbstständig - für manchen eine Erleichterung

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„Selbstständig sein kannst du nur mit 100%; nicht mit 70 oder 80%“, stellte Ute Ganser-Koll vor rund einem Jahr für sich fest. Da der Krafttank der selbstständigen Friseurunternehmerin aus dem Kölner Umland bereits unter ihrer persönlich kritischen Marke war, zog sie kurzerhand die Notbremse. Ute verkaufte ihren Salon. Heute ist sie in Teilzeit angestellt und sagt: „Ich habe endlich mein Lachen zurück.“

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Ute, wir haben uns länger nicht gesehen. Gut siehst du aus. Entspannt.

Ja, das bin ich auch! Ich habe ein anstrengendes Jahr hinter mir, aber inzwischen geht es mir wieder gut. Ich bin wieder glücklich und habe meine Freiheit zurück.

Du hast deinen Salon verkauft. Wie kam es dazu?

Grundsätzlich war der Verkauf des Salons schon länger geplant. Ich bin Anfang 60 und habe mir schon frühzeitig Gedanken darüber gemacht, wie und wann ich beruflich kürzer treten wollte. Deshalb habe ich vor rund 2 Jahren gemeinsam mit der Handwerkskammer und meiner Steuerberaterin die Vorbereitungen für eine Nachfolge getroffen. Eigentlich war der Plan, das Geschäft erst in 2-3 Jahren an meine ehemalige Mitarbeiterin abzugeben, aber dann kam doch alles anders…

Druck von allen Seiten

Was ist passiert?

Ich war gesundheitlich angeschlagen und hatte einige Schicksalsschläge zu verkraften. Hinzu kam, dass im ersten Quartal 2018 drei meiner Mitarbeiterinnen aufgehört haben. Eine war schwanger, eine weitere erhielt aufgrund einer Krankheit Berufsverbot und die dritte bekam Weichteilrheuma. Alle drei waren starke Umsatzträgerinnen und schon viele Jahre bei mir. Ich habe daraufhin auf vielen Wegen versucht, diese Stellen neu zu besetzen. Aber es ging mir wie so vielen meiner Kollegen: der Markt ist leer; und der Erftkreis auch nicht besonders begehrt. Das mag in Großstädten wie Köln schon anders aussehen. Kurz: Ich musste versuchen, so gut ging, die Verluste aufzufangen. Doch letztlich ist es ja so: selbst wenn du als Unternehmerin gar nichts dafür kannst, wenn Mitarbeiter gehen – die Kunden schieben dir doch immer den schwarzen Peter zu, wenn ihre Friseurin geht…

Das macht Druck…

Allerdings! Und zwar emotionalen Druck und wirtschaftlichen Druck. Wer selbstständig ist, weiß: Man muss immer mit guten Beispiel vorangehen und zu 120% leisten, was man von seinen Mitarbeitern erwartet. Das ist zumindest mein Anspruch. Weil ich weiß, dass sich daran die Salonmannschaft orientiert. Aber Tatsache war, ich war gesundheitlich angeschlagen. Ich arbeitete und arbeitete und machte keinen Urlaub mehr. Mir fehlten die Auszeiten. Für mich war allerdings völlig klar, dass ich niemals an der Qualität sparen und z. B. Weiterbildungen streichen würde. Aber was tun? Der Druck stieg; es war zermürbend. Meine Laune wurde immer schlechter und ich war ein HB-Männchen kurz vor der Explosion. So etwas schlägt sich natürlich auch aufs Private nieder. Doch letztlich waren es meine körperlichen Probleme zusammen mit einem schweren privaten Schicksalsschlag und familiären Krankheiten, die mir klar machten: So geht es nicht weiter! Ich kann und will das so nicht mehr!

In sich selbst zu investieren, zahlt sich immer aus!

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Du hast also deinen Salon schneller als erwartet an deine Mitarbeiterin veräußert. Und dann?

Nun, ich hatte eigentlich geplant, in „meinem“ alten Salon für weitere 4-5 Jahre in reduzierter Form als Mitarbeiterin weiterzuarbeiten. Ich war und leidenschaftliche Friseurin. Aber ich konnte und wollte die strukturellen Veränderungen, die meine Nachfolgerin nach der Übernahme des Salons umgesetzte, ab einem bestimmten Punkt nicht mehr mittragen. Daraufhin habe ich mir einen anderen Wirkungskreis gesucht und arbeite jetzt 3-4 Tage in der Woche bei einem Intercoiffure-Kollegen im Kölner Maritim Hotel.

Du bist jetzt Teilzeitkraft und angestellt. Ist das kein Rückschritt für dich?

Ganz und gar nicht! Im Gegenteil. Ich habe endlich, endlich mein Lachen zurück! Die Frage mit dem Rückschritt stellen übrigens auch immer wieder Kollegen von mir. Ich finde, das ist eine Einstellungssache, wie man das Thema angeht. Es mag Unternehmer geben, die es als Niederlage sehen, einen Salon nach 13 Jahren Selbstständigkeit zu verkaufen. Ich nehme mich da nicht so wichtig. Ich hatte 3 Stellenangebote bei Intercoiffure-Kollegen, bei denen ich hätte sofort anfangen können. Weißt du: Wenn du aus lauter Spaß am Beruf noch weiter arbeitest, dann befriedigt das auch das Ego! Es kann ja gar kein Rückschritt sein, weil es für mich immer weiter geht. Ich habe jetzt so viele neue Aufgaben und Herausforderungen bei meiner neuen Stelle.

Was ist denn jetzt konkret anders als früher?

Zunächst einmal: Ich bin aus dieser Wahnsinns-Tretmühle raus! Dieser irre Druck ist weg, immer zu 200% Chef sein zu müssen. Ich arbeite nun 3-4 Tage in der Woche und habe endlich wieder Zeit für andere Dinge. Ich bin gelassener und kann wieder ganz anders auf Kunden zugehen. Es ist ja mit dem Salonverkauf nicht meine berufliche Laufbahn vorbei! Ich will qualitativ mein Niveau halten bzw. noch ausbauen. Das kann ich in dem neuen Salon endlich wieder. Mein jetziger Chef Alain ist total dankbar, wie viel Know-How ich mitbringe. Ob es meine Calligraphy Cut-Ausbildung ist oder das Handwerks-Netzwerk für Bräute, in dem ich seit einigen Jahren bin. Außerdem habe ich von ihm die Ausbildung des Lehrlings übernommen, die so wissbegierig ist und alles wie ein Schwamm aufsaugt. Alain und das ganze Team profitieren hoffentlich von meinem Wissen und ich fühle mich gut aufgehoben. Und mein Chef kann nach 8 Jahren endlich mal wieder selbst Urlaub machen, weil er weiß, dass ich bzw. wir das wuppen. Ich bin eine Angestellte, die unternehmerisch denkt. Diese viele Anerkennung – auch die der Kunden, die sich so freuen, dass ich dort arbeite – tut sehr gut. Ich bin jetzt endlich wieder ausgeglichen, ruhig und arbeite vor allen Dingen entspannt mit Spaß und Freude.

 

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