Weg mit der Bargeldkasse im Salon!
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Bares wird Rares! Zumindest im Salon Steinhoff Haardesign in Reutlingen! Denn ab dem 1.1.2020 können Kunden dort nur noch mit EC/Kreditkarten ihre Hair- & Beautyzeche bezahlen. Inwiefern dieser radikale Cut mit den bewährten Steinhoffschen Salongesetzen „Ehrlichkeit, Sicherheit und Fortschritt“ konform geht, hat uns Geschäftsführer Ralf Steinhoff in einem offenen Interview verraten.
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Ralf, warum habt Ihr Euch entschlossen, in eurem Salon kein Bargeld mehr zu akzeptieren? Ralf Steinhoff: Die Idee spukt schon lange in unseren Köpfen herum. Wir haben sie als Phantasie für „schlanke“ Filialen kultiviert: Kein lästiges Geldzählen am Abend, kein Diebstahl, kein Einbruch, kein gefährlicher Geldtransport zum Automaten, keine lästigen Wechselgeldbesorgungen, insgesamt einfachere Prozesse. Das waren recht theoretische Grundüberlegungen. Für unseren Salon kam es „erst später“ in Frage…
Diese Sichtweise veränderte sich drastisch, nachdem die Finanzbehörden nicht etwa eine elektronische Kassenpflicht mit Bonausgabe für alle Betriebe einführten, sondern eine Kassennachschau als weitere Zumutung installierten: Unangemeldeter Besuch mit sofortigem Kassensturz und weitere komplexe Kassendokumentationen! Mit einer Verbannung der Bargeldkasse würde eine für Kunden und Mitarbeiter unangenehme Kassennachschau sehr gemütlich verlaufen und wahrscheinlich gar nicht stattfinden. Somit war es für uns angesichts der aktuellen Rechtslage unumgänglich, das Risiko falscher Beschuldigungen durch die Einführung des bargeldlosen Bezahlens zu begrenzen. Als dann die Meldung durch die Medien geisterte, dass Clans in Neukölln Friseursalons zur Geldwäsche eröffneten, fühlten wir uns weiter bestätigt. Wie wollen wir uns bei den Eltern unseres zukünftigen Nachwuchses bewerben, wenn wir uns nicht von diesen Machenschaften auch durch Taten abgrenzen?
Welche Vorteile seht Ihr im „Bargeldlosen Salon“?
Wir haben in unserer Branche vordergründig weniger Möglichkeiten, von der Digitalisierung zu profitieren, als dies in anderen Branchen der Fall ist. Dadurch verlieren wir in Bezug auf Arbeitsplatz-Attraktivität immer mehr an Boden, weil weder Produktivität noch Prozessrationalisierung so richtig in Schwung kommen. Da ist es doch umso wichtiger, die Prozesse hinter den Kulissen digital zu verschlanken. Der bargeldlose Salon ist eine fortschrittliche Reaktion auf die Herausforderungen der aktuellen digitalen Umwälzungen – ein Statement für Ehrlichkeit, Sicherheit und Fortschritt!
„Wir setzen auf vollständige Transparenz!“
Ab dem 1.1.2020 ist Bargeld im Salon Steinhoff kein Thema mehr! ©Steinhoff Haardesign
Wie wirkt sich das aus? R.S: Fundamental für uns: Der Wert Ehrlichkeit. Daher ärgern wir uns sehr über Friseure, die Schwarzgeld machen und entsprechend niedrigpreisig kalkulieren. Besonders herausfordernd ist es dann, wenn wir vom Finanzamt mit allen anderen zusammen unter Generalverdacht stehen und uns auch nicht den kleinsten Fehler erlauben dürfen. Das tägliche Handling mit Bargeld ist extrem fehlerbehaftet, wie oft stimmte abends die Kasse nicht! Somit sehen wir einen Riesenvorteil darin, das Risiko einer Falschbeschuldigung zu minimieren. Deshalb setzen wir auf vollständige Transparenz bei der Abrechnung, was bei bargeldlosen Zahlungsvorgängen ganz einfach gewährleistet ist. Das passt wunderbar zu unserer automatisierten Kassendatenübergabe und -festschreibung ins Buchhaltungssystem, die wir extra für uns programmieren ließen.
Außerdem haben wir ausgerechnet, dass das Handling mit Bargeld hohe Personalkosten verursacht und gerade in den für Mitarbeiter und auch uns kostbaren Abendstunden unnötig Zeit verschlingt. Wir reden alle von besseren Arbeitszeiten und zählen abends Geld! Zudem ist unsere Chefin nun von dem mulmigen Gefühl befreit, wenn sie mit viel Bargeld abends im Dunkeln zum Automaten ging. Die Mitarbeiter fühlen sich auch sicherer. Wie oft schon fehlten abends runde Beträge, tatsächlich hatten wir schon mehrmals Diebe in der Belegschaft. Es ist ein Albtraum für alle, wenn in der Kasse Geld fehlt und theoretisch jeder im Team der Täter sein könnte. Für die Kunden liegen die Vorteile bei der Vorhaltung der modernsten Systeme, und natürlich in der Möglichkeit, durch mehrere mobile Terminals den Kassenvorgang zu beschleunigen, Staus an der Kasse zu minimieren. Und unsere Kunden wissen genau, dass von ihren Friseurkosten ordentlich und in vollem Umfang Abgaben für das Allgemeinwohl geleistet werden.
In diesem Zusammenhang wichtig: Es geht uns nicht darum, das Bargeld abzuschaffen. Auch wollen wir nicht in die allgemeine Diskussion rund um das Bargeld eingreifen. Wir sind ebenso fern davon, anderen Kollegen etwas zu unterstellen, weil sie weiter Bargeld akzeptieren. Es ist vielmehr unsere unternehmerische Entscheidung, es geht uns um Modernisierung, Sicherheit, Ehrlichkeit und Verschlankung der Prozesse zum Vorteil für unsere Kunden und Mitarbeiter.
„Schon jetzt zahlen 70-80 % unserer Kunden mit Karte!“
Was macht ihr mit der älteren Kundschaft, die eventuell gar keine EC- oder Kreditkarte haben? R.S.: Grundsätzlich sind es ganz wenige Menschen, die keine Plastikkarte haben. Aber einige Menschen hängen am Bargeld. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Sicherheitsaspekt bei der Überzeugungsarbeit sehr gut ankommt. Das Bild von der Chefin, die sich im Dunkeln mit dem vielen Bargeld fürchtet, hat schon so manche angeblich nicht vorhandene EC-Karte zum Vorschein gebracht. Für diejenigen, die partout mit Bargeld bezahlen wollen, haben wir momentan das Angebot, glatte Beträge auf das Kundenkonto einzuzahlen oder einen Gutschein zu kaufen. Alternativ können wir auch das Restgeld überweisen oder eine Rechnung schreiben. Wir halten auf keinen Fall eine Wechselgeldkasse vor.
Die ersten 2 Monate dienen als Übergangszeit, in der wir Erfahrungen sammeln wollen. Denkbar ist auch eine Kundenkarte mit Bezahlfunktion wie im Stadion. Dort bekommt man keine Stadionwurst mehr mit Bargeld, kann allerdings die Karte mit Bargeld aufladen. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, außer dass es in der normalen PC-Kasse keine Barzahlungsfunktion mehr gibt.
Wird sich die Umstellung auf das Trinkgeld auswirken? R.S.: Hier können wir schon aus der bisherigen Erfahrung heraus berichten: Schon jetzt bezahlen 70-80% unserer Kunden mit Karte. Nachdem wir aus steuerlichen Gründen keine Auszahlung von Trinkgeldern über die „Aufrundung“ der EC-Bons mehr gestatten, haben sich die Kunden darauf eingestellt und bringen separat Geld für die Trinkgeldkästchen mit. Dadurch hat sich das Trinkgeld eher noch erhöht. Des weiteren führen wir Terminals mit einer Trinkgeldfunktion ein. Jeder Mitarbeiter erhält eine Nummer und kann separat Trinkgeld bekommen. Durch die Trennung der Vorgänge darf der Arbeitgeber das Trinkgeld treuhänderisch in Empfang nehmen und dann per Überweisung auf die Mitarbeiter verteilen. „Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.“ (BFH-Urteil vom 18.06.2015, BStBl. 2016 II S. 751.) Gefunden in Achilles / Pump: Lexikon der Kassenführung, Nürnberg 2018
Was, wenn die Elektronik mal versagt? R.S.: Die Beantwortung dieser Frage betrifft ja sämtliche von digitaler Technik geprägte Bereiche wie Kasse, Online-Terminbuch, etc.. Ein Stromausfall wäre für viele Salondienstleistungen verheerend. Insofern sind wir da schon abhängig. Um das Schreckenszenario auszukosten, empfehle ich den Thriller „Black-Out“… Bzgl. des Internets habe ich folgende Gedanken: Wir haben wirklich ganz wenige Netzausfälle. Wenn man das Risiko minimieren möchte, dann kann man über die Anschaffung einer Fritzbox mit LTE (Fritzbox 6820 oder 6890 LTE) nachdenken, bei der die Verbindung über Mobilfunk hergestellt wird, wenn es über Kabel nicht funktioniert. Im schlimmsten Fall müssten wir Rechnungen schreiben, die Kunden überweisen. Für alle, die auch mit einer rein bargeldlosen Zahlung liebäugeln…
Für alle, die auch mit einer rein bargeldlosen Zahlung liebäugeln…wo kann man sich nach den besten Systemen informieren? R.S.: Ich habe mich zunächst mit meinen beiden Hausbanken in Verbindung gesetzt, die auch sofort sehr professionell reagiert haben. Die Firma Ingenico bietet modernste Terminaltechnik an… Und da wäre noch die Facebookgruppe „Bargeldlose Friseure“, die ich gegründet habe und gemeinsam mit Michael Bredtmann als Admin betreue. In dieser Gruppe diskutieren wir nicht über die Abschaffung des Bargeldes und seine verheerenden Folgen für die freiheitliche Grundordnung, sondern ganz pragmatisch Umsetzungsthemen rund um den bargeldlosen Salon. Viele Tipps und Erfahrungen haben sich dort schon angesammelt, auch zum Thema, mit welchen Systemen man arbeiten sollte.
https://www.facebook.com/groups/1476404029166466/
Powerpaar Astrid und Ralf Steinhoff