Robert Fuhs zum Aufreger ‚Meister für Nicht-EU Friseure‘ : „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen!“
Tut die Innung nichts, ist es nichts! Tut die Innung was, ist es auch nichts! Der Shitstorm reißt nicht ab! Die Meldung der Friseur-Innung Düsseldorf über ihr Angebot eines Vollzeitlehrgangs für Nicht-EU-Friseure, sich im Rahmen des Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahrens für eine Selbstständigkeit im Friseurhandwerk zu qualifizieren, sorgt für mords Zündstoff im Netz. Mehr oder weniger qualifizierte Kommentare, die mit dem eigentlichen Thema teilweise gar nichts zu tun haben, zeigen die Stimmung in Friseur-Deutschland. Man lechzt förmlich nach Negativem! Liest das, was man lesen will! Stochert ganz tief in der Wunde! Sucht und findet das Haar in der Suppe, selbst wenn es nur am äußeren Schüsselrand klebt! Der allgemeine Frust ist groß!
Doch worum geht es hier eigentlich wirklich? FMFM begab sich auf Spurensuche und sprach mit einem, der in Sachen Aus- und Weiterbildung sowie Meisterqualifikation in unserer Branche sich auskennt und engagiert wie kein anderer: Robert Fuhs, Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses im Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks und Obermeister und Prüfungsausschuss-Vorsitzender der Friseur-Innung Bonn-Rhein-Sieg.
Herr Fuhs, wie erklären Sie sich diese virtuelle Eskalation? Robert Fuhs: Das kommt daher, dass viele, die sich in die Diskussion einbringen, leider Äpfel mit Birnen vergleichen und die Handwerksordnung nicht gelesen oder nicht verstanden haben. Denn hier geht es nicht um die Paragraphen § 8 HwO–Ausnahmen „Unzumutbarkeit“ der förmlichen Meisterprüfung und § 7b HwO – Ausübungsberechtigung – Gesellenprüfungs-Status, 6-jährige Berufsausübung, 4 Jahre leitende Funktion, sondern um den § 50 b – Feststellung der Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation.
Worin liegt genau der Unterschied zwischen einer Ausnahmebewilligung und dem Anerkennungsgesetz? Die HWO unterscheidet Ausübungsberechtigung und Ausnahmebewilligung! Eine Ausübungsberechtigung nach 7b HwO bekommt jemand mit Gesellenprüfungs-Status, wenn er mindestens eine 6-Järige Tätigkeit im Beruf, davon müsste er 4 Jahre in leitender Stellung im Betrieb gearbeitet haben, nachweisen kann. Ein Ausnahmegrund nach § 8 HwO wäre z. B., wenn die Belastung für den Antragsteller, die Meisterprüfung noch abzulegen, „unzumutbar“ wäre. Gründe hierfür wären z. B. ein fortgeschrittenes Alter, gesundheitliche Probleme, Arbeitslosigkeit oder familiäre Versorgungspflichten. Kein Grund der Ausnahme sind sprachliche Probleme oder die Übernahme irgendeines Friseurgeschäftes. Zudem gibt es ein Nachweisverfahren, in dem meistergleiche oder meisterähnliche Kenntnisse und Fertigkeiten abgeprüft werden, bisherige berufliche Erfahrungen werden dabei in das Verfahren mit einbezogen.
Anerkennung im Anerkennungsgesetz § 50 b nach HWO ist die Feststellung der Gleichwertigkeit von nicht im EU- Raum erworbenen beruflichen Qualifikationen. Diese Überprüfung ist eine hoheitliche Aufgabe der Handwerkskammer.
Seit wann gibt es dieses Gesetz und wer hat das initiiert? R.F.: Das Gesetz wurde im Jahr 2011 erlassen, ich selbst habe in meiner Funktion als ZV-BBA-Vorsitzender damals die Inhalte zur Überprüfung der Gleichwertigkeit erarbeitet, die sich ganz eng an der Gesellen- und Meisterprüfungsverordnung orientieren. Dennoch haben nicht wir vom Verband das Gesetz gemacht, sondern die Politik und darüber waren wir gelinde gesagt nicht glücklich. Und das Anerkennungsgesetz gilt im Übrigen nicht nur für das Friseurhandwerk, sondern auch in allen anderen Berufen. In unserem Fall besagt es, dass es einen Rechtsanspruch auf die Überprüfung der Gleichwertigkeit von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen gibt, damit qualitativ eine gleichwertige Ebene festgestellt werden kann.
Der Antragsteller ist nach dem Lehrgang KEIN Friseurmeister!
Wer stellt diese Gleichwertigkeit fest? R.F.: Ausschließlich die Handwerkskammer. Sie prüft Zeugnisse, Arbeitsbescheinigungen, Qualifikationen, etc., um zu beurteilen, ob der Antragsteller den Anforderungen entspricht oder nicht. Wenn nicht, besteht die Möglichkeit, sich in dem Bereich, in dem es hapert, nachzuqualifizieren. Und genau das macht die Friseur-Innung Düsseldorf mit ihrem Vollzeitlehrgang, und zwar im Auftrag der HWK Düsseldorf. Nicht mehr und nicht weniger und schon gar nicht, um einen erleichterten Zugang zur Selbstständigkeit zu schaffen.
Und nach dem Lehrgang ist der Antragsteller dann Friseurmeister? R.F.: Nein, er ist kein Friseurmeister, sondern erhält bei Erfüllung aller Kriterien zur Gleichwertigkeit und nach Bedarf durch eine Nachqualifikation die Anerkennung im Qualifikationsrahmen eines Gesellen oder Meisters. Ob das der Fall ist, überprüft und bestimmt wiederum die Handwerkskammer nach Aktenlage.
Aber er kann mit diesem Status dann einen Salon eröffnen? Ja, bei der Feststellung der Gleichwertigkeit zum Meister. Die Voraussetzungen hierfür wurden ja durch dieses Verfahren eingehend geprüft. Nochmal, dieses Gesetz gilt für ALLE Berufe und wurde nicht vom Friseurhandwerk ins Leben gerufen, sondern von der Politik.
Man wirft der FI Düsseldorf mit ihren Maßnahmen vor, die eigenen Mitglieder zu vergraulen, da es Nicht-EU-Friseuren wesentlich einfacher gemacht werde, sich in Deutschland selbstständig zu machen als den Friseuren im eigenen Land, die einen langwierigen und kostspieligen Meisterqualifikationsprozess durchlaufen müssen. Stimmt das? R.F.: Das stimmt so nicht! Wenn die Antragsteller (wir reden hier übrigens von einer Handvoll bisher) ihre Anerkennung bekommen, bedeutet dies, dass sie zum einen bereits in ihrer Heimat eine qualifizierte Ausbildung absolviert haben und zum anderen eventuelle Defizite in der Nachqualifikation ausgleichen konnten. Somit haben sie das Zeug dazu, gute und erfolgreiche Unternehmer zu werden; sie zahlen bei uns Steuern anstatt dem Staat auf der Tasche zu liegen. Was kann man da dagegen haben?
„Nicht-EU-Friseure“ sind ein weitläufiges Feld. Wie soll das überhaupt funktionieren, die unterschiedlichen Kulturen (Friseure aus dem arabischen und europäischen Raum) in ein gleiches Ausbildungskonzept zu packen? R.F.: Dieses Gesetz hat doch nichts mit unterschiedlichen Kulturen zu tun. Es geht um Anerkennung der Gleichwertigkeit unserer Inhalte der Gesellen- und Meisterverordnung. Die Kulturen sind dabei nicht zu bewerten, sondern nur die im Ausland erworbenen Qualifikationen.
Gehören solche Angebote nicht komplett in die Hände der Handwerkskammern? Kritiker werfen der FI Düsseldorf hier finanzielle Bereicherung und mangelnde Neutralität gegenüber dem Antragsteller vor… R.F.: Die Handwerkskammer könnte natürlich sagen, „wir haben Fachleute und Meistervorbereitungskurse, aber in diesem Fall schien die FI Düsseldorf so kompetent zu sein, dass der Nachqualifikationskurs in deren Hände gelegt wurde.
Angesichts des herrschenden Personalmangels in unserer Branche wäre es doch viel sinnvoller, aus den Nicht-EU-Friseuren qualifizierte Mitarbeiter zu generieren als weitere Salongründer. Inwiefern sind die Innungen hier aktiv? R.F.: Nicht alle, die das Anerkennungsgesetz erfolgreich durchlaufen, eröffnen gleich einen Salon. Schließlich kann auch der Gesellenstatus anerkannt werden. Diese stehen den Betrieben als adäquate Fachkräfte zur Verfügung. Sicherlich kann man den Personal- und Nachwuchsmangel in unserer Branche, bei dem das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist, durch das Anerkennungsgesetz nicht kompensieren. Hier gibt es viel zu tun, in erster Linie mal den Eltern bewusst zu machen, dass eine akademische Ausbildung nicht unbedingt das Nonplusultra für jedes Kind ist, sondern auch Handwerksberufe wie der Friseur, gerade bei kreativen Kindern, oftmals die glücklichere Wahl ist. Andere Länder wie Russland machen uns da in Sachen „Stellenwert Friseurberuf“ was vor. Aber auch bei uns wird sich da in den kommenden Jahren einiges tun.
Was denn konkret? R.F.: Der Meister darf sich ab 2020 „Bachelor Professional“ nennen. Damit haben Handwerksmeister keinen akademischen Bachelor- Abschluss, aber die internationale Anerkennung im europäischen – und deutschen Qualifikationsrahmen. Der Zentralverband wird die Auszubildenden und die Ausbildungsbetriebe zukünftig noch intensiver unterstützen als bisher mit innovativen Konzepten.
Manche Innungen funktionieren super, manche weniger und manche gar nicht mehr, sodass sie sich auflösen. Ein Sprichwort sagt, der Fisch fängt immer beim Kopf an zu stinken. Ist da was Wahres dran? R.F.: Ja, da ist was Wahres dran. Der, der nichts tut, wird auch nicht wahrgenommen und kann auch keine Mitglieder begeistern oder gewinnen. Aber es gibt in unserer Branche viele sehr aktive Innungen, die auch viel Positives bewirken.
Warum sollte sich jeder Friseur in einer Innung engagieren? R.F.: Wenn man etwas verändern möchte, sollte man sich in seiner Innung engagieren. Erfolg zeichnet sich durch Mitmachen aus, nicht durch unqualifiziertes Kritisieren von außen. Kritik ist immer fördernd, wenn sie sachgerecht und zielführend ist. Einfach nur einen Shitstorm anzuzetteln oder ihn zu unterstützen, hilft unserer Branche nicht weiter. Zeigen, ich bin einer von euch und setze mich gemeinsam mit euch für unseren schönen Beruf ein!!! Nur das macht eine Branche stark!
Wie sehen Sie die Zukunft des Verbandswesens im Deutschen Friseurhandwerk hinsichtlich solcher Vulkanausbrüche? Wichtig ist, dass wir in den Verbandstrukturen zusammenhalten, an einem Strang ziehen und das gleiche Ziel verfolgen anstatt uns in den sozialen Medien zu bekriegen und selbst zu zerstören.
Vielen Dank, Herr Fuhs, für dieses offene Interview!
Robert Fuhs ©privat