Meister in drei Wochen für Nicht-EU-Friseure?
Ein virtueller Aufschrei ging nach einem Post der Friseur-Innung Düsseldorf durch das soziale Netzwerk Facebook! Darin wurde auf einen dreiwöchigen Vollzeitlehrgang hingewiesen, den die Innung im Rahmen eines Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahrens Friseuren aus Nicht-EU-Staaten anbietet, um diesen – ähnlich einer Meisterqualifikation nach deutschen Richtlinien – im Friseurhandwerk zur Selbstständigkeit zu verhelfen. FMFM fasst zusammen.
Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“
Von sachlich über zornig bis hin zu aggressiv, verletzend und beleidigend reichten die zahlreichen Kommentare in den einschlägigen Friseurcommunities. Der Hauptkritikpunkt der darin kommunizierenden Friseure richtete sich darauf, warum Deutsche einen langwierigen und kostspieligen Meisterkurs mit Prüfung ablegen müssen und besagte Nicht-EU-Friseure nicht?
René Krombholz, Mitglied der Friseurinnung Düsseldorf und Mitinitiator dieser Vollzeitausbildung verfasste schließlich das erklärende Statement und räumte im Nunmaldeutlich-Podcast gegenüber Lars Nicolaisen einen „unglücklichen Aufbau und einen falschen Ansatz“ des ursprünglichen Posts ein.
Der Antragsteller hat ein Recht auf Nachqualifizierung!
Krombholz erklärte, dass jede Person, die im Ausland einen Berufsabschluss erworben hat, einen Rechtsanspruch auf Überprüfung der Gleichwertigkeit ihrer Berufsqualifikation mit einem deutschen Berufsabschluss habe. Das gelte nicht nur für Friseure, sondern für alle Berufs- und Wirtschaftszweige sowie Akademiker. Dies sei bereits seit 2012 Gesetz und mittlerweile rund 140.000 Mal praktiziert worden, allerdings vorwiegend in medizinischen Berufen. Diese Gleichwertigkeit müsse in einem Feststellungsverfahren von Verbänden, Kammern und Innungen durchgeführt werden. Es werde dabei überprüft, inwieweit die Inhalte der Aus- und Weiterbildung des ausländischen Antragstellers sich mit den deutschen Zulassungsbedingungen (z. B. dem Meisterbrief) überschneiden.
Nicht zu verwechseln sei solch ein Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahren mit dem Antrag auf Ausnahmegenehmigung. Letzterer könne von Jedermann (auch ungelernt) gestellt werden, während zur Feststellung der Gleichwertigkeit Nachweise von Berufspraxis und erfolgten Prüfungen gegenüber der zuständigen Handwerkskammer verpflichtend seien.
Die HWK prüfe anschließend, welche Bestandteile dieser Qualifikation mit der Meisterqualifikation übereinstimmen. Alle Teile des Berufsbildes, deren Kenntnis nicht nachgewiesen werden können, werden überprüft, z. B. von einem Fachverband wie der FI Düsseldorf mit zwei voneinander unabhängigen Prüfern. Diese Prüfung sei für den Antragsteller kostenpflichtig. Der zuständigen Kammer werde dann zurückgemeldet, ob die vorhandenen Fachkenntnisse dem deutschen Meisterbrief gleichkommen.
Unabhängig vom Ergebnis sei die Kammer jedoch gesetzlich verpflichtet, dem Antragsteller nach einem abschlägigen Bescheid die Möglichkeit einer Nachqualifizierung anzubieten. Und genau diese biete jetzt die FI Düsseldorf mit kostenpflichtigen Vollzeitseminaren an.
Zulassung jetzt regulierbar!
Die Friseurinnung Düsseldorf habe sich als Bildungsinstitut zertifiziert und damit die Möglichkeit, sich hier einzubringen, statt dieses Feld externen Anbietern zu überlassen, so Krombholz. Da sich der Lehrgang an den Erfordernissen zur Angleichung an den Deutschen Meistertitel orientiere, seien Dauer und auch Kosten variabel und nicht vorher nennbar. Jeder Lehrgang werde auf Grund unterschiedlicher Erfordernisse anders sein.
Bei Rückmeldung der Innung, dass Lehrinhalte oder die Qualifikation nicht erreicht worden seien, könne die Handwerkskammer den Zugang zur Selbstständigkeit verweigern. Wie dann zu verfahren wäre, ob Rechtsmittel eingeschaltet bzw. zugelassen werden, werde derzeit noch geklärt. Die Friseurinnung Düsseldorf habe in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Düsseldorf, Kriterien und Lehrfelder für ein solches Verfahren erstellt. Dadurch sei eine Zulassung definitiv nicht leichter, sondern erstmals sogar regulierbar geworden.
Das offizielle Fazit von René Krombholz:
“Wir (die Innung Düsseldorf), haben uns der Situation, wonach bei anderen Bewilligungsverfahren auch Ungelernte zum Bewilligungsverfahren zugelassen werden mussten und vieles in Händen privater Anbieter lag, entgegengestellt. Die Folge der bisherigen Praxis war ein Gründungsboom im Bereich der Männerhaarschnitte, welchem die Handwerkskammer Düsseldorf (ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Friseurinnung Düsseldorf) bereits im letzten Jahr durch das Urteil des OVG Düsseldorf ein Ende bereitet hat.
Uns geht es darum, die Fehler der bisherigen Praxis nicht zu wiederholen, sondern hier als Innung die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Denn es geht um unser Handwerk und unsere Mitglieder! Wem die Situation als Solches, nämlich dass wir anderen Menschen Zugang in unseren Markt gewähren müssen, nicht gefällt, der wendet sich bitte an unsere Volksvertreter, welche diese Gesetze gemacht haben.“ (Quelle: Facebook/Friseure/Post René Krombholz vom 2.10.2019)
Fragen über Fragen…
Die neuen Wege der Friseur-Innung Düsseldorf haben in den sozialen Netzwerken zu heftigen Diskussionen zwischen Befürwortern und Kritikern geführt. Wir haben dazu die Obermeisterin einer anderen Friseur-Innung um ihre Stellungnahme gebeten:
Yvonne Honerbom: „Als Obermeisterin der Friseur-Innung Westmünsterland habe ich natürlich sehr aufmerksam den Weg der Friseur-Innung Düsseldorf verfolgt. Es ist richtig, dass es das Gesetz zur Feststellung der Gleichwertigkeit von beruflichen Abschlüssen von Bürgern aus Nicht-EU-Ländern gibt. Dieses Gesetz ist entwickelt worden, um fachlich gut ausgebildetes Personal (Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter etc.) aus Nicht-EU- Ländern in verantwortungsvollen Berufen einen Einstieg in die deutsche Arbeitswelt zu ermöglichen. Der Gedanke dahinter war ursprünglich, damit Lücken zu schließen, die z.B. in Krankenhäusern und in ländlichen Gebieten durch den Mangel an Ärzten entstanden sind.
Die Verfasser dieses Gesetzes konnten zu dem Zeitpunkt nicht ahnen, dass so viele Flüchtlinge und Menschen aus Nicht-EU-Ländern in unser Land strömen und sich hier auch im Friseurhandwerk selbstständig machen wollen. Sicherlich haben sie auch nicht damit gerechnet, dass dieses Gesetz zur Eröffnung übermäßig vieler Herrensalons im Dumpingbereich führen würde. Im Übrigen sehe ich die Notwendigkeit, die zu diesem Gesetz führte, im Friseurhandwerk überhaupt nicht! Denn bei den Menschen, für die dieses Gleichstellungsverfahren eigentlich vom Gesetzgeber gedacht war, sollte es sich vielmehr um Fachleute handeln, die tatsächlich vergleichbare Abschlüsse und Qualifizierungen aus ihren Ländern nachweisen können.
Als Obermeisterin habe ich es mit einigen Zuwanderern aus Nicht-EU-Ländern, meist aus dem sogenannten arabischen Raum, zu tun. Ich hatte noch nie den Fall und glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass es so etwas in diesen Ländern gibt, das einem Gesellen- geschweige denn Meisterbrief nahekommt oder gleichwertig ist. Von daher ist es mir unerklärlich, wie die Friseur-Innung Düsseldorf eine Gleichstellung innerhalb von drei Wochen oder meinetwegen auch 6 ,9 oder 12 Wochen erzielen können will. Da frage ich mich natürlich, warum unsere Meister – von Kindheit an der deutschen Sprache mächtig – bis zu einem Jahr für die Erwerbung sämtlicher Kenntnisse und deren Überprüfung brauchen.
Skeptisch macht mich auch, dass die Friseur-Innung Düsseldorf direkt auf Anhieb drei Absolventen präsentiert, die diesen Durchgang ja offensichtlich in drei Wochen bestanden haben. Waren es die einzigen Teilnehmer des Lehrgangs? Wenn ja, wäre das eine 100% Erfolgs-Quote… Die Friseur-Innung Düsseldorf wirft den aktuellen Prüfern dieser Verfahren, den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in einigen Kommentaren genau dieses vor, nämlich, dass sie jeden Antragssteller durchwinken. Außerdem, dass sie quasi privat agieren und auf eigene Rechnung. Dazu möchte ich sagen, dass diese Sachverständigen einer geschützten Berufsgruppe angehören, die öffentlich bestellt und von der HWK vereidigt wurden. Das Honorar wird für diese in einer Honorarordnung festgelegt und vor der Überprüfung bezahlt, damit sichergestellt wird, dass der Sachverständige während einer Überprüfung unparteiisch und objektiv bleibt. Ob eine Innung das von sich behaupten kann, kann ich nicht beurteilen, aber es hat einen komischen Beigeschmack, wenn diese Innung ja nun auch Geld mit diesen Kursen verdient und auf wiederholte Nachfrage keinen Preis dafür bekannt geben kann/möchte. Außerdem drängt sich mir zusätzlich die Frage auf, ob damit eventuell auch einem Mitgliederschwund entgegengewirkt werden soll, was bei mir wieder die Frage nach der Unparteilichkeit aufwirft.
In einem Podcast mit Lars. O. Nicolaisen spricht der Verfasser des Düsseldorfer Posts, René Krombholz, davon, dass ähnliche Qualifizierungsmaßnahmen durch berufsfremde Anbieter wie TÜV und Arbeiterwohlfahrt durchgeführt werden würden. Das ist mir in unserer Branche so überhaupt nicht bekannt. Wie gesagt, der normale Weg ist, dass der Antragsteller einen Antrag bei der HWK stellen muss und dann von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen und zwar von Friseurmeistern, Obermeistern etc. geprüft wird. Und das ist, meiner Meinung nach auch der richtige Weg, wenn so etwas überhaupt in unserer Branche durchgeführt werden soll. Denn dieser Weg stellt sicher, dass der Antragsteller diesen Weg allein geht, gehen kann. Dass er sich mit den deutschen Gesetzten auseinandergesetzt hat und sprachlich in der Lage ist, die erforderlichen Dinge in die Wege zu leiten. Wenn das über eine Innung läuft, habe ich die Angst, dass dem Antragsteller zu viel abgenommen und zu leicht gemacht wird.
Ich habe kein Problem, wenn jemand aus einem Nicht-EU-Land zu mir kommt und eine Karriere im deutschen Friseurhandwerk anstrebt. Gerne unterstütze ich diese Menschen und helfe ihnen, ihr Ziel auf herkömmlichen Weg mit einem Gesellen- oder Meisterbrief zu erreichen. Wenn sie dieses nicht können oder wollen, bin ich auch gerne bereit, diesen Menschen Stellen als Mitarbeiter ohne Qualifikation (das macht finanziell im Anfangsgehalt nicht mal ganz viel aus) zu vermitteln. Sehr gerne sogar! Aber als Obermeisterin bin ich erstmal meinen Mitgliedern und den deutschen Friseurunternehmern verpflichtet und sehe meine Aufgabe auch darin, diese, soweit es in meiner „Macht“ steht, vor weiteren möglichen 7-Euro-Schwarzbutzen zu schützen und deshalb kann ich dieses „Düsseldorfer Modell“ erstmal bis auf weiteres nicht unterstützen.
Dabei sind mir allerdings schon deshalb die Hände gebunden, weil sich die Handwerkskammern die Länder, die nicht der EU angehören, unter sich aufgeteilt haben. So prüft unsere HWK Münster z. B. Antragsteller aus England, die in der Regel in der Lage sind entsprechende Qualifikationen nachzuweisen. Wenn ich richtig informiert bin, prüft die HWK Düsseldorf Antragsteller aus Nahost. Somit kann ich keinen Einfluss mehr darauf ausüben, ob und wie viele dieser Menschen, die dort das Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit durchlaufen, sich anschließend im Gebiet der Friseur-Innung Westmünsterland oder sonst wo niederlassen.
Ich finde es schlimm genug, dass es diese ganzen Ausnahmebewilligungen in unserem Handwerk gibt, wobei man den Begriff Ausnahme darin ja schon fast streichen kann. Und diese Ausnahmebewilligungen werden durch die Düsseldorfer Maßnahmen ja auch nicht weniger. Zudem finde ich es schlimm, dass man seit Jahren den Eindruck gewinnen muss, dass bei Prüfungen angefangen nun auch bei Qualifizierungsprüfung bis hin zu Betriebsprüfungen mit zweierlei Maß gemessen wird. Daran kann ich als Obermeisterin aber leider nichts ändern. Ich werde allerdings diese Entwicklung durch mein Handeln nicht auch noch unterstützen.“
Was haltet ihr von der Vorgehensweise der Friseur-Innung Düsseldorf? Dürfen solche Maßnahmen zur Meisterqualifikation von Nicht EU-Friseuren tatsächlich in der Hoheit von Friseur-Innungen liegen oder gehören diese ausschließlich in die Hände der Handwerkskammern? Würdet Ihr als Innungsmitglied diese Art der Integration begrüßen? Wir sind gespannt auf eure Meinungen!