Friseure, so erzieht ihr Kunden: Klartext statt kuscheln!
Sie sind DIE Aufreger in den Friseurforen: Kunden, die zu spät oder erst gar nicht kommen. Mitgebrachte Kinder, die im Salon die Belastbarkeit der Einrichtung checken während die Eltern gemütlich beim Haarschnitt telefonieren, WhatsApp schreiben oder einen Snack verzehren. Anders läuft es bei Jana Pätzold von MOIJ! Die Hamburger Friseurunternehmerin spricht Tacheles. Und zwar direkt mit ihren Kunden, via Policy. „Das ist mal ne Kampfansage!“, entfuhr es einen Stammkunden. Jana stört’s nicht. Sie will in Ruhe und gut mit ihren Kunden arbeiten.
Es gibt sie, die Sternstunden bei Recherchen! So kürzlich passiert, als wir auf der Website des Hamburger Friseurs MOIJ über die Policy des Salons stolperten. Die Pfeiler, die Jana Pätzold, Inhaberin des Geschäfts, dort vermeintlich unangespitzt in den Boden rammt, ließen uns respektvoll schmunzeln. Ein Auszug gefällig? Unter dem Punkt „Was Ihr wissen solltet“ steht ganz unzweideutig: „Euren Job aka einen PC zum Arbeiten solltet ihr nicht mitbringen.“ Außerdem: „Sprachnachrichten und Telefonate sind Störfaktoren. Euer Frühstück esst ihr vor oder nach dem Termin – nicht währenddessen. Nur dann können wir die für euch kalkulierte Zeit auch gewährleisten.“ Auch „genderneutrale“ Preise gehören ins Programm. Selbst eine 50%-ige Vorauszahlung für Neukunden ist dort vereinbart. Ebenso wie der Passus: „Bei verspäteter Absage (nach 48 h vor Termin) und/oder bei Nichterscheinen zum Termin ist eine Erstattung der Anzahlung nicht mehr möglich. Dann verbuchen wir den Betrag als Ausfallentschädigung für die von Dir reservierte Zeit.“ Wir haben die mutige Friseurunternehmerin zu ihren Regeln befragt.
Klar, kantig, sympathisch: Jana Pätzold
Spricht aus , worüber sich viele Kollegen ärgern: Jana Pätzold
Jana, eure Policy klingt in einigen Punkt echt krass, findest du nicht?
Vermutlich empfinden das einige Menschen so. Aber so sind wir: herzlich, freundlich und ehrlich. Wir reden gern Klartext und gehören nicht so zu den Blümchen-Typen. Unsere Kunden mögen das. Wer das akzeptiert, ist bei MOIJ herzlich willkommen. Und wer es nicht verträgt, passt vielleicht einfach nicht zu uns.
Wie sind denn die Reaktionen auf eure Geschäftsbedingungen?
Es gab Leute, die fanden das „Echt heftig“, einer verstand es sogar als „Kampfansage“. Aber mal ehrlich: Für uns ist es auch heftig, wenn Kunden nicht zu vereinbarten Terminen kommen! Befreundete Friseurkollegen hingegen feiern uns für die klare Ansagen. Viele meinen jedoch, sie selbst könnten das so nicht machen … Dabei ist dieselbe Policy in anderen Berufen wie Physiotherapie oder anderen Gesundheits-Dienstleitungen völlig normal und akzeptiert. Wir Friseure sollten unsere Arbeit nicht unter Wert verkaufen – und am Ende profitiert ja der Kunde.
Wie kam es zu diesen Regeln?
Ich muss vorwegnehmen, dass diese Policy auf unseren Erfahrungen der vergangenen Jahre beruht. Insofern ist eher auffällig, dass man überhaupt solche Regeln aufstellen muss. Obwohl wir insgesamt extrem tolle Kunden haben, kam es immer wieder vor, dass wir kurzfristige Absagen bekamen, Kunden zu einem Ersttermin für Schnitt und Farbe nicht erschienen oder deutlich zu spät kamen. Auf diese zunehmende Unverbindlichkeit gegenüber unserer Zeit und unserer Leistung mussten wir schon aus wirtschaftlichen Gründen reagieren. Vielleicht versteht man es am besten, wenn man das Ganze mal andersherum betrachtet: Kunden fänden es sicher nicht lustig, wenn ihr Friseur zum vereinbarten Termin nicht da ist, weil er shoppen ist … Restaurants machen es doch gut vor: Die reservieren nur Plätze, wenn du vorher ein Ticket ziehst. Ich denke, wir Friseure sollten bei dem Thema ebenso zusammenstehen und eine neue, notwendige Richtung vorgeben.
Das stimmt wohl. Umsatzausfälle durch Nachlässigkeit und „No Show“ sind nicht zu tolerieren.
Wir nehmen uns viel Zeit für qualitativ hochwertige Arbeit – das ist die Art Beziehung, die wir unseren Kundinnen anbieten wollen. Deshalb blockieren wir bei MOIJ inzwischen bestimmte Pappenheimer per Kassensystem für die Online-Buchung von Terminen. Friseure kennen sie ja alle: die Kunden, die zwar nicht absagen, aber Termine immer wieder auf den letzten Drücker verschieben. Im Grunde sind auch das kurzfristige Terminausfälle, die wir oft nicht mehr vollständig neu besetzen können. Solche Umsatzausfälle kann sich kein Dienstleister leisten – und ich bin auch nicht mehr bereit, die Unzuverlässigkeit anderer zu finanzieren. Solche Kandidaten tragen nicht dazu bei, dass wir happy sind – ich weine ihnen daher nicht unbedingt Tränen nach, wenn sie sich einen anderen Friseur suchen.
Es geht um menschliches Miteinander & Respekt
Mutig und verständlich. Aber gehen „Handy im Lautlos-Modus“, Essensverbote und rote Karte für mitgebrachte Kinder nicht zu weit?
Wir arbeiten handwerklich auf einem sehr hohen Level, und unsere Kunden können und sollen mit unserer Arbeit 6 – 8 Wochen glücklich sein. Konzentriertes Arbeiten, wenn nebenbei permanent WhatsApp-Nachrichten bimmeln, Leute während des Haarschnitts telefonieren oder Kinder um mich herum Fangen spielen, ist nicht möglich. Wenn sich beim Essen der Kiefer der Kundin bewegt, kommt keine saubere Linie zustande. Außerdem finde ich es uns und anderen Kunden gegenüber respektlos, in die Mittagspause einen Termin bei uns, das Mittagessen und noch ein Telefonat mit der besten Freundin stopfen zu wollen. Das sind Störfaktoren, die nicht sein müssen.
Aber wer will sich als Friseurkunde oder -kundin derart erziehen lassen?
Kunden müssen und können Folgendes verstehen und akzeptieren: „Wenn ich beim Friseur bin, bin ich beim Friseur. Und das ist auch eine quality time.“ Unsere Policy formuliert natürlich meine Bedingungen, aber sie soll gleichzeitig zum Nachdenken anregen und sagen: „Ihr schafft es auch mal eine oder zwei Stunden ohne Handy, ohne Nachrichten, ohne Kinder. Genießt einfach mal die Zeit und den Haarschnitt meditativ – das alles bringt am Ende ein schönes Ergebnis hervor!“
Ihr habt eine „genderneutrale“ Preisgestaltung. Kinderhaarschnitte sind im Menü nicht erwähnt. Was bedeutet das?
Ich finde die Preiskalkulation bei Friseuren von vorgestern! Es ist doch Wurst, wem ich eine Stunde lang die Haare schneide. Ein Haarschnitt kostet bei uns je nach Stylist 70 bzw. 75 Euro. Bei Frauen, bei Männern, bei Kindern. Und weil das so ist, haben wir überwiegend Frauen als Kundinnen. Was wir toll finden. Aber auch Männer kommen gern zu uns, weil sie neben einer handwerklich guten Frisur hier gechillt eine Stunde abhängen können und dazu richtig leckeren Kaffee bekommen. Kinder haben wir keine, weil sich die Mütter keinen Kinderhaarschnitt für das Geld leisten möchten. Das ist verständlich und tut uns nicht weh.