Preiserhöhungen im Salon – kein Grund, sich zu schämen!
Neulich beim Mädelsabend ist mir echt mal wieder der Kamm angeschwollen! Wie jedes Mal, wenn 5 Endvierzigerinnen zusammenkommen, steht spätestens nach dem dritten Aperol-Spritz verlässlich das Thema "Friseur" auf dem Plan! So auch an diesem Abend! Eine von uns hatte am Tag zuvor aufmerksam die Nachrichten verfolgt und gab nun empört zum Besten, das Statistische Bundesamt hätte bekannt gegeben, dass die Friseurdienstleistungen zwischen 2015 und 2018 um rund 6,6 Prozent gestiegen seien. Unverständnis, Fassungslosigkeit und Schnappatmung waberten ob dieser „bad news“ durch unsere bis dahin friedliche Runde. „Kein Wunder, färben sich die Frauen immer mehr selbst“, „Wofür soll ich eigentlich mehr bezahlen? Mein Friseur macht seit Jahren sowieso immer das gleiche bei mir!“, „Mein Friseur bietet mir noch nicht einmal mehr einen Kaffee an und dann soll ich auch noch mehr zahlen“, lauteten die Stammtisch ähnlichen Parolen an diesem Abend.
Ich bin ja weiß Gott kein Zahlengenie, aber konnte es mir dennoch nicht verkneifen, auf meinem Iphone kurz auszurechnen, worüber sich hier eigentlich echauffiert wird: Gehen wir von einem Damenhaarschnitt in einem mittelpreisigen Salon aus, der im Jahr 2015 bei durchschnittlich 27,20 Euro lag (Quelle: EVA-Analyse), so kostet dieser mit einer Preisanpassung von besagten 6,6 Prozent, inzwischen 29 Euro. 1,80 Euro mehr in 4 Jahren! Lächerlich!
Mit meiner lauten Überlegung, wie ein Salonbetreiber damit wohl seine eigenen Preisanpassungen wie Strom, Wasser, Miete, Löhne etc. bestreiten solle, konnte ich die erhitzten Gemüter schließlich beruhigen und zur Einsicht bringen, dass die Begriffe „Friseur“ und „Kunden-Ausbeutung“ doch noch Lichtjahre voneinander entfernt sind.
Übrigens, der Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks begründet in einer offiziellen Stellungnahme diese Entwicklung damit, dass aufgrund des in unserer Branche bedrohlichen Nachwuchsmangels bessere Löhne für den Friseurberuf gezahlt werden müssen. In diesem Zuge müssen die Salonbetreiber ihre Dienstleistungspreise anpassen, so der Tenor von Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des ZV. Aber ob da 6.6 Prozent wohl ausreichen?
Jedenfalls ließ mir die Diskussion auch Tage danach keine Ruhe und als Chefredakteurin eines Friseur Online-Magazins konnte ich nicht anders als unsere FMFM-Artists zu fragen, wie sie es mit dem Thema Preiserhöhung im Salon halten und ob dies wirklich ein Lösungsansatz für unseren desaströsen Nachwuchsmangel sein kann.
Hier die Meinungen unserer Artists!
Peter Gress aus Esslingen
Peter Gress
Wir haben in Deutschland durchschnittlich ja schon 1,7% Inflationsrate pro Jahr, da sind 6,6% in vier Jahren gar nichts, die kommen bei den Unternehmen auf der Gewinnseite gar nicht an. Damit ist nur die Kostensteigerung ausgeglichen. Deswegen hinkt die Erklärung, die Preissteigerung würde zu besseren Löhnen führen. Wenn ich von 27 Euro auf 29 erhöhe, hat das auf die Löhne überhaupt keine Auswirkung. Die jährliche Preiserhöhung von durchschnittlich zwei Prozent braucht man trotzdem, aber eben zum Ausgleich der Inflationsrate und nicht für bessere Löhne.
Alexander von Trentini, Wiesbaden
Ich kommuniziere Preiserhöhungen klar und deutlich mit meinen Kunden . In Hessen sind die Lohntarife deutlich gestiegen und das muss natürlich auch bezahlt werden. Bei uns zeigen die Kunden Verständnis und Wertschätzung uns gegenüber. Beim Preis für einen Damen-Haarschnitt zwischen 53€ und 95€ kann sich jeder etwas für seinen Anspruch und sein Budget aussuchen. Es ist noch lange nicht in Ordnung, was wir in unserer Branche im Durchschnitt verdienen und auch für unsere Dienstleistungen verlangen.
Alexander von Trentini
Chris Mattick, Günzburg
Chris Mattick
Wir Friseure lassen uns seit sehr langer Zeit von unseren Gästen erzählen, was wir zu tun haben. Das neu gewonnene Selbstbewusstsein der Kunden nimmt vielen von uns das Selbstbewusstsein, tatsächlich unsere Kompetenz zu zeigen. Zu zeigen, dass WIR die Profis sind. egal wie hoch unser Preis ist, dass wir es auch wert sind. Und was das Mitarbeiterproblem betrifft, das wird mit 6,6% Preisanpassung in 4 Jahren sicherlich nicht gelöst, auch nicht mit 60%. Wir selbst müssen unseren Beruf als wertvoll ansehen und kreativ in der Entwicklung unserer Teammitglieder sein, unsere Strahlkraft selbst erhöhen, dann finden Leute „Friseur sein“ vielleicht auch cool.
Beatrice Naumann, Berlin
Ständig schwebt das Damoklesschwert der Rechtfertigung über Preise und Preisanpassungen über uns Friseuren! Sowohl über uns als Salonbetreiber, der sich gefühlt dafür schämen muss, unternehmerisch zu denken als auch über den Mitarbeitern, die sich dabei schlecht fühlen, den Kunden Preise bzw. Preiserhöhungen zu „vertickern“. Haben wir eigentlich alle vergessen, was unsere Leistung wert ist? Warum glauben wir immer, dass der Salonkunde nicht bereit ist, für gute Qualität und echtes Handwerk mehr zu bezahlen? Definitiv ist er dazu bereit, wenn die Leistung erlebbar und besonders für ihn ist.
Beatrice Naumann
Safet Skeric, Düsseldorf
Safet Skeric
Wer seine Preise anheben muss, um höhere Löhne bezahlen zu können, macht ohnehin alles falsch! Die meisten Friseure kommen vor der Selbstständigkeit aus dem Niedriglohnsektor und entsprechend schwer fällt es ihnen, ein höheres Preisgefüge zu vermitteln, sowohl der Kundin als auch sich selbst gegenüber.
Christian Funk, Lüneburg
Wir haben es in 30 Jahren geschafft, durchschnittliche Preise und Löhne inflations- und währungsbereinigt zu senken! Ich gehe davon aus, dass leider viele Kollegen keine Ahnung davon haben, ob ihre Preise auch ansatzweise passen! Viel schlimmer, Dienstleistungen mit Chemieanteil sind i.d R. rein zeitaufwandsmäßig sogar günstiger als Dienstleistungen ohne, trotz Materialeinsatz! Da sind 1,80€ ein Witz… es müssten in der Regel 30-35% Preisanpassungen vollzogen werden, nur um Wirtschaftlichkeit ohne Schwarzgeld zu generieren! Davon sind dann noch keine Mitarbeiter besser bezahlt!
Christian Funk
Ralf Steinhoff, Reutlingen
Ralf Steinhoff
Flächendeckend sind die Preise zu niedrig. Nicht nur um höhere Löhne zu erwirtschaften, sondern auch um einen würdigen, steuerehrlichen Gewinn zu erzielen. Und um darüber hinaus auch nachhaltig Substanz aufzubauen – für schlechte Zeiten, für Investitionen, für das Alter. 6,6% Preissteigerung auf dem vorhandenen Niveau sind lächerlich wenig. Es wird Zeit, dass wir über Produktivität in wenig digitalisierten Wirtschaftszweigen diskutieren.
9 Punkte für ein Teammeeting zum Thema Preiserhöhung:
Von Beatrice Naumann
1. Mitarbeiter setzen ihre eingesetzte Zeit ins Verhältnis zu dem, was die Leistung im Salon kostet 2. Mitarbeiter errechnen, wieviel Zeit sie eigentlich für den derzeitigen Preis verwenden dürften, damit es sich rechnet 3. Ideenabfrage: was könnte ich als Mitarbeiter sonst noch tun, um in der gleichen Zeit mehr zu schaffen? 4. Welche Zusatz-Dienstleistungen sind in dieser Zeit machbar und vor allem interessant für den Kunden? 5. Lösungen für Haar- und Kopfhaut oder Styling-Probleme für zu Hause in der gleichen Zeit anbieten 6. Als Stylist einfach über das sprechen, was ich gerade tue/anwende und wieso ich das tue und was der Kunde davon hat 7. Eventuell sollte im Team besprochen werden, ob eine Produktwissens-Auffrischung nötig ist, der Chef sollte eine solche Schulung vereinbaren und veranlassen 8. Die Kommunikation des Chefs ist jetzt gefragt: Ängste anerkennen und ernst nehmen, Hilfestellung leisten, Einwandbehandlung durchführen, Antworten finden 9. Gemeinsam werden Antworten gefunden und eine zusammenfassende Liste mit Fragen und Antworten erarbeitet, auf die jeder jederzeit zurückgreifen kan. Quelle: www.conceptcoaching-bn.de