Ralph-Joachim Hoffmann: Alles auf Anfang
Was der Borkenkäfer für den Wald ist, ist die Personalknappheit für viele Saloninhaber: sie kann den unternehmerischen Tod bedeuten. Selbst renommierte Läden ächzen und stöhnen über fehlende Mitarbeiter. Ralph-Joachim Hoffmann gehört mit SCISSORYS Friseur zu solch namhaften Salons, die seit mehr als 20 Jahren zu den Top-Geschäften der Heilbronner Szene zählen. Und doch traf es auch ihn. „Wir waren mal zu acht. Innerhalb von nur 2 Monaten stand ich plötzlich alleine da.“ Er verzweifelte, strampelte und legte Monat für Monat drauf. Bis er Ende 2017 nach 2 Jahren die Notbremse zog und unter dem Motto „Kleiner, aber feiner“ einen Neustart wagte. „Meine beste Entscheidung ever“, wie er heute sagt. Simone Frieb über einen besonderen Kraftakt.
„Wenn das Leben dir Zitronen hinwirft, mach Limonade draus.“ Ein Spruch, der oft nur denen leicht über die Lippen kommt, die selbst (noch) nicht betroffen sind. Und doch: Sind tiefe Krisen erst überwunden, lässt sich nicht selten entdecken, dass in diesem Satz ein großes Körnchen Wahrheit steckt. Ralph-Joachim Hoffmann ist einer, der endlich wieder Limo trinken darf. In wahrlich zauberhaftem Ambiente, mitten in Heilbronn auf der Dachterrasse seines neuen Salons. Nur der Himmel ist über ihm.
Von 10 auf 0
Froh ist er. Erleichtert. Und endlich wieder voll sprudelnder Energie, mit der wir uns vor vielen Jahren kennenlernten. Ralph-Joachim Hoffmann ist in der Szene vielen Kollegen ein Begriff. Einst Franchisenehmer von mod’s hair, sattelte er 2010 um und führt seinen Salon seitdem unter der eigenen Flagge „Scissorys Friseure“. Über weite Strecken sehr erfolgreich, bis sich das Blatt 2016 plötzlich wendete. Innerhalb von nur 8 Wochen war nichts mehr, wie es vorher war. „Ich hatte 7 Mitarbeiter, von denen 6 kurz nacheinander aus unterschiedlichsten Gründen gingen: Schwangerschaft, Umzug, eigene Pläne für Selbstständigkeit. Plötzlich stand ich mit nur noch einer Mitarbeiterin da, die nach weiteren 14 Tagen ebenfalls ihre Schwangerschaft verkündete. Es war unbeschreiblich“, so Hoffmann. „Mein Salon hatte 10 Arbeitsplätze auf 120 qm Fläche und Kunden, die mir die Tür einrannten. An Zulauf fehlte es also keineswegs. Aber an Personal, das die Kunden bedienen konnte.“ Ein Desaster. Denn die Miete des Salons in bester Heilbronner Lauflage war stattlich. Vielleicht auch mehr als das.
Die Existenz ist bedroht
2018: Endlich wieder luftig leicht
„Dieses Gefühl kann sich kaum jemand vorstellen: du hast Kunden und musst sie wegschicken, weil du sie nicht gewuppt bekommst. Heißt: die Umsätze schwinden dahin. Gleichzeitig sitzt dir der Kostendruck im Nacken; Miete, Nebenkosten etc. Es war wie verhext.“ Die Suche nach neuen Mitarbeitern entpuppte sich als extrem ernüchternd. „Bis vor wenigen Wochen hatte ich zwei Jahre lang nicht eine Bewerbung. Nicht mal eine schlechte“, so Ralph. „Ich habe wirklich alles versucht, um Mitarbeiter zu bekommen: Anzeigen in Print und Online, Facebook- und Instagram-Aufrufe, Flyer, Plakate: Nichts.“ Eine Situation, die immer mehr Saloninhabern bekannt vorkommen dürfte. Verursacht durch einen ‚Virus’, der das gesamte Handwerk und verschiedenste Branchen zu durchdringen scheint. „Von jetzt auf gleich legte ich zwei Jahre lang Monat für Monat drauf. Die laufenden Ausgaben fraßen mich auf. Dazu ein Mietvertrag, der noch weitere 4 Jahre laufen sollte. Ich wusste weder ein noch aus. Mir war nur klar, dass ich stramm auf die Pleite zusteuerte. Das Gefühl von Scheitern machte sich breit.“
Alles Gute kommt von oben
Wohnzimmer-Ambiente
Dann, wie ein sprichwörtlicher Wink des Himmels, entdeckte Hoffmann, dass die Loft-Location eines ehemaligen Heilbronner Szene-Clubs zur Vermietung stand. Keine Lauflage, sondern im 5. Stock hoch oben über den Dächern der Stadt. Kleiner als sein bestehendes Ladenlokal. Dafür zu einem Top-Preis. „Ich hatte keine andere Option, also fasste ich mir ein Herz und sprach mit meinem Vermieter, ob er mich vorzeitig aus dem Mietvertrag entlassen könne. Er willigte ein. Seine Bedingung: Ich sollte einen Nachmieter stellen.“ Dies war der magische Moment, der alles veränderte: Ab dieser Sekunde griffen die Zahnräder der Veränderung ineinander. Ein Nachmieter – ebenfalls ein Friseurunternehmer – war schnell gefunden, die Loft-Location angemietet. Der Plan: Das große ehemalige Büro im Laden weicht einer kleinen Kammer. Aus einst 10 Arbeitsplätzen werden 6. Umbau samt Umzug müssen zackig gehen, denn der Nachfolger will schnell einziehen.
Die Energie fließt wieder
Klein, aber fein
„Es war der Wahnsinn. Vom ersten Termin mit dem Ladenbauer bis zum Einzug hatte ich genau 6 Wochen Zeit. Ich hatte keine Chance und habe sie genutzt“, lacht Ralph. „Ich habe das Einrichtungskonzept weitgehend selbst gemacht. Es sollte ein kleinerer, aber feinerer Laden werden. Eine Art Wohnzimmer mit Kamin und viel Platz zwischen den Bedienplätzen. Warm, gemütlich, privat.“ Seine Stammkunden und seine inzwischen wieder 3 Angestellten sollen sich gleichermaßen wohlfühlen. Denn auch an der Mitarbeiterfront sind erfreuliche Neuigkeiten zu vermelden. „Seit September 2017 habe ich zwei neue Auszubildende. Einer davon ist ein Flüchtling, den ich dank jeder Menge Eigenengagement beschäftigen und ausbilden darf. Beide Azubis erhalten neben der dualen Ausbildung die Zusatzqualifikation zum Beautisten. Wir möchten schließlich das neue Ambiente dazu nutzen, um die ganzheitliche Schönheit unserer Kunden noch mehr in den Vordergrund zu stellen. Dazu gehören Quick-Make-ups ebenso wie 1 ½-stündige Make-up-Beratungen. Jetzt haben wir ja das Personal, die Zeit und auch die passende Location dafür.“ Nach dem Umzug ins Loft kam zudem eine tolle Bewerbung ins Haus geflattert: seit März ergänzt ein passionierter Herrenfriseur unser Scissorys-Team.“
Insgesamt strahlt Ralph-Joachim Hoffmann vor Glück. Die unternehmerische „Rolle rückwärts“ hat ihn jede Menge Kraft gekostet – und doch Unmengen an Energie freigesetzt. „Ich liebe es hier, in diesem neuen Salon mit neuem Team, neuem Konzept, Dachterrasse und Rundumblick. Und meine Kunden sind total begeistert. Obwohl ich keine Lauflage mehr habe, sind meine Stammkunden mitgekommen. Auch sie genießen es, mit dem Aufzug hoch in den 5. Stock in eine andere, ruhige Welt ohne den städtischen Trubel zu gleiten. Mir ist vollkommen klar, dass ich auf dieser kleineren Fläche nicht mehr so viele Mitarbeiter haben kann wie früher. Aber das ist auch nicht nötig. Sollte aber tatsächlich mal ein Bus voller Interessenten vor der Tür halten: für zwei weitere Bedienplätze hätte ich noch Platz.“ Ralphs Humor ist zurück. Dem Himmel sei es gedankt.