Wella-Chef Ralf Billharz: Darum spiele ich nicht Golf!
Mit dem Wechsel von P&G zu Coty wurde Top-Manager Ralf Billlharz, der bereits seit über 27 Jahren bei Wella „zuhause“ ist, zum General Manager Coty Professional Beauty D-A-CH ernannt. Seitdem hat die Marke endlich wieder ein Gesicht und ist nahbar wie schon lange nicht mehr. In Düsseldorf vollendete der sympathische Wella-Chef geduldig die Halbsätze von Fmfm-Chefredakteurin Gabriela Contoli.
Meine schönste Zeit bei Wella… …ist immer die momentane Herausforderung.
Unternehmenskultur ist für mich… …mit Mitarbeitern und Kunden direkt und auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Der Hauptunterschied zwischen Procter & Gamble und Coty… … ist für uns nicht relevant, da sich lediglich der Rahmen geändert hat. Wella ist 1:1 mit ihren Produkten, Innovationen, Menschen und Strategien in den neuen Konzern gewandert. Wir waren schon bei P&G eine eigene Geschäftseinheit und sind es auch bei Coty.
Geändert hat sich mit der Übernahme durch Coty für die Professionals-Sparte von Wella… …dass wir wieder nach Darmstadt gezogen sind, eine neue Wertigkeit besitzen und vor allem nicht mehr skalen- sondern qualitätsgetrieben arbeiten dürfen. Der Teamspirit ist enorm. Wir haben die „Duz“-Kultur von P&G mitgenommen und Coty „aufoktroyiert“, ziehen alle an einem Strang und sind nicht mehr hierarchiegelähmt. Entscheidungsbefugnisse werden eingefordert und delegiert. Mitarbeiter haben mehr Verantwortung – „own it drive it“ lautet die Devise. Das setzt immense Energien frei, erfordert gleichzeitig aber auch ein Höchstmaß an Eigen-Organisation.
Die Produktionsstätte Hünfeld muss voraussichtlich Ende 2018 geschlossen werden, weil… …Coty nach dem Merger prüfen musste, welche Produktionskapazitäten vorhanden sind und benötigt werden. In Hünfeld findet ein sehr hoher Teil der Produktion des P&G Retail-Segments statt. Derzeit werden Lösungsmöglichkeiten geprüft. Sollte Hünfeld tatsächlich geschlossen werden, wird dies so fair und sozialverträglich wie möglich erfolgen.
Wella Professionals setzt in der kommenden Zeit die Schwerpunkte… …definitiv in die Dienstleistungen im Salon. Wir suchen und führen intensiv den Dialog mit den Friseuren, beraten und begleiten deren Salons und helfen ihnen dabei, mit noch besseren, ergänzenden und hochwertigen Dienstleistungen Image und Stellenwert signifikant zu steigern. Nicht umsonst heißt unsere Strategie „Friseure bewegen“.
Zum Beispiel… …haben wir jetzt mit OPI die weltweit führende professionelle Nagelkosmetikmarke am Start. Unser Ziel ist es nicht, aus Friseursalons Nagelstudios zu machen, sondern die Dienstleistung Nail so einfach und effektiv wie möglich in den Salons zu implementieren. Wir sind die Nr. 1 bei der Haarfarbe und ebenso Marktführer beim Styling, arbeiten mit den besten Technologien, die wir auf einem hohen Niveau immer weiter verbessern für noch bessere Dienstleistungen. Mit System Professional Energy Code sorgen wir z. B. für eine langfristige und vertrauensvolle Kundenbindung im Salon.
Der Energy Code in zwei Sätzen erklärt… …wir stellen über eine Haar- und Kopfhautdiagnose die Beschaffenheit, Qualität und Energie des jeweiligen Haars fest und generieren anhand des Ergebnisses für jeden Kunden einen uniquen Energiecode, nach dem der Friseur die individuelle Beratung und Behandlung mit den richtigen Produkten anwenden kann. Bisher haben wir rund 51.000 Energy Codes generiert; in vielen Salons konnte der Umsatz mit dieser exklusiven Dienstleistung um bis zu 109 % gesteigert werden.
Der Stellenwert des direkten Kundenkontaktes gegenüber dem Online-Vertrieb ist bei Wella… …nach wie vor unerreicht hoch. Der Kunde benötigt Ansprechpartner, damit das Vertrauensverhältnis zu seiner Marke intakt bleibt und ausgebaut werden kann. Der Außendienstmitarbeiter darf im Jahr 2017 allerdings nicht mehr der Bestellformularempfänger sein. Da entlasten wir ihn, indem wir unseren Kunden anbieten, über den Wella Online-Store die Produkte zu ordern. Der Außendienstmitarbeiter hat ein neues Profil: Er ist nicht mehr Verkäufer, sondern Berater bzw. Business-Partner unserer Kunden mit mehr Zeit für konstruktive Gespräche.
Die Online Seminare der Wella Education werden künftig Live-Trainings ersetzen… …nein! Denn Trainer sind in unseren Augen nach wie vor unersetzlich. In unserer Branche geht es um Schönheit. Da spielt die haptische Wahrnehmung eine nicht zu unterschätzende Rolle. E-Education mit Webinaren und kostengünstigen Downloadmöglichkeiten von Seminardokumenten sind zwar hervorragende zusätzliche und zeitsparende Angebote, die von unseren Kunden auch mit Begeisterung angenommen werden, aber sie können und dürfen niemals die Live-Performance ersetzen.
Die Herausforderung, Friseure auf digitalen Kanälen zu erreichen… …ist für Wella eine Selbstverständlichkeit. Wir als Marke müssen relevantes „Mind-Set“ unserer Kunden sein. Und dazu gehört natürlich auch die Präsenz in den Sozialen Medien. Aktiv betreiben wir Facebook und Youtube, reaktiv die Medien Snapchat und Instagram. Unsere Kampagne „Friseure bewegen“ läuft ja auch in erster Linie digital. Mit jeden unserer Videoclips haben wir bisher zwischen 3,5 und 4 Millionen Klicks erreicht. Auch hier möchten wir das Gefühl vermitteln: Wir führen!
Auf den nicht enden wollenden Barberhype reagieren wir… …gelassen. Der Barberhype ist super, weil er den Friseuren neue und zusätzliche Dienstleistungen ermöglicht, die was Besonderes sind und Spaß machen. Unsere Strategie ist allerdings nicht auf Trends aufzuspringen, sondern auch in diesem Segment auf langfristige Konzepte zu setzen.
Ich spiele nicht Golf, weil… …ich Marathon laufe. Ich brauche die Bewegung und Aktivität, muss und will aber beim Sport nicht abschalten, sondern nachdenken. Beim Laufen kommen mir die besten Ideen. Wenn ich Golf spielen würde, müsste ich mich auf den Sport konzentrieren und wäre über Stunden abgelenkt. Das kann ich nicht brauchen.
Mein persönliches Lieblingsprodukt von Wella ist… …das Craft Clay von Sebastian und System Professional Define Structure. Überhaupt sind die Stylingprodukte mein ständiger Begleiter und kommen – je nach Haarlänge – zum kreativen Einsatz.
Mein Tag war erfolgreich, wenn… …ich abends klüger ins Bett gehe als ich morgens aufgestanden bin.
Unserer Branche wünsche ich für die kommenden 5 Jahre… …Mut zur Veränderung und den Mut, sich dabei selbst auch mal infrage zu stellen sowie die nötige Portion an Neugierde, um sich auch mal woanders inspirieren zu lassen. Wir machen in unserer Branche viel zu viel Nabelschau anstatt öfters mal über den Tellerrand hinaus zu blicken und zu checken, wo Dienstleistungen und Industrie super funktionieren.
Vielen Dank, lieber Herr Billharz, für diese erfrischenden Statements!