Thomas Wolff, Peter Polzer Hamburg: „Ich habe keine Zeit für Probleme!“
Thomas Wolff hat vor 6 Jahren die Peter Polzer Salons in Hamburg übernommen. Warum er sich bewusst nicht auf den Lorbeeren des Grand Seigneurs der hanseatischen Friseurszene ausgeruht hat, sondern die Marke - ganz uneitel unter dem gleichen Namen aber in eigener Regie - erfolgreich dem Hier und Jetzt angepasst hat, verriet er fmfm.de-Chefredakteurin Gabriela Contoli.
„Ich lasse mich gerne von Neuem überraschen und gehe am liebsten unvoreingenommen an Dinge heran!“ Mit diesen Worten lerne ich Thomas Wolff in seinem Salon am Hamburger Gänsemarkt kennen und freue mich über seine offene und herzliche Begrüßung.
2010 kehrte der Friseurmeister zu seinen Wurzeln zurück und übernahm die renommierten Salons von Peter Polzer. Wurzeln deshalb, da Thomas Wolff bereits in den 70er Jahren im Salon des legendären Hamburger Friseurunternehmers arbeitete. Dazwischen war er auf der ganzen Welt unterwegs und es gibt eigentlich nichts, was er in dieser Zeit nicht gemacht hat. Ob für Schwarzkopf, Wella, Sassoon, die ICD oder Matrix: Die großen Bühnen der Welt mit tausenden Zuschauern gehörten dem gebürtigen Heidelberger. Er lebte in Paris und Südamerika, der Liebe wegen verschlug es ihn für einige Jahre nach Polen. An den letzten beiden genannten Standorten gründete er mehrere Salons und Schulen, die auch heute noch seinen Namen tragen. Dort ist Thomas Wolff eine Marke. Hier in Deutschland eher nicht und daran ist der sympathische Cosmopolit nicht ganz unschuldig: „Ich habe kein Problem damit, dass meine Salons weiterhin Peter Polzer heißen, im Gegenteil. Die Marke Peter Polzer ist weit über die Stadtgrenzen Hamburgs hinaus bekannt und beliebt. Bis ich mir das mit Thomas Wolff aufgebaut hätte, wäre ich bankrott“, gibt der clevere Salonunternehmer zu, der nach wie vor vor neuen Ideen nur so sprüht.
Die Alterspyramide muss stimmen
Die flippige Rezeption am Gänsemarkt
Thomas Wolff hat dafür gesorgt, dass die Marke Peter Polzer in den vergangenen 6 Jahren keinen weiteren Staub angesetzt hat, indem er einiges geändert hat: „Ich stehe immer noch in Kontakt mit Peter Polzer, der inzwischen rüstige 84 Jahre alt ist. Wir diskutieren viel und ich höre ihm gerne zu.“ Frank und frei gibt er zu, dass die Friseur-Ikone a.D. keineswegs mit allen Veränderungen in seinen ehemaligen Salons einverstanden ist. „Wir tragen jetzt Schwarz statt Weiß, die Einrichtung ist modern, etwas flippig und teilweise auch sehr ungewöhnlich (kultiger Eyecatcher: die Rezeption in Form eines Vintage-Buses). Aber die Radikalkur sei auch bitter nötig gewesen. „Als ich die Salons übernahm, freuten sich alle Mitarbeiter zunächst über den frischen Wind. Doch als die Neuerungen dann umgesetzt werden sollten, monierten viele von ihnen: „Das haben wir aber immer anders gemacht“. Diese hartnäckige Haltung ließ mir keine andere Wahl, als mich von einigen alteingesessenen Mitarbeitern zu verabschieden. Als das Team dann reorganisiert war, konnten wir gemeinsam richtig durchstarten.“ Aus Peter Polzer-Zeiten sind Thomas Wolff heute noch drei Mitarbeiterinnen geblieben, unter ihnen Frau Müller, der man ihre 74 Jahre (!) bei Weitem nicht ansieht, und das liegt nicht nur an ihrer ultracoolen blauen Haarfarbe: „Ich lege Wert darauf, Mitarbeiterinnen jeden Alters zu beschäftigen. Nur so kann man sich einen breiten Kundenstamm aufbauen, bei dem die Alterspyramide proportional stimmt“, weiß Thomas Wolff.
Immer mit den Besten arbeiten
Fröhliche Salonatmosphäre!
Das was so radikal klingt, bedeutet aber nicht, dass Thomas Wolff als resoluter Patriarch am Gänsemakrt 23 regiert. Im Gegenteil! Es herrscht ein freundliches, kollegiales Miteinander. Gerne stellt er seinen Schreibtisch zur Verfügung, wenn die Mitarbeiterin ihren Salat verzehren möchte, der Besprechungsraum aber belegt ist. Sein erklärtes Ziel und berufliches Lebenscredo: Immer mit den Besten arbeiten! Das gilt sowohl für seine Mitarbeiter als auch für die Produkte, die er in seinem Salon anbietet. „Ich habe mich immer an den Besten orientiert. Mein unternehmerisches Denken verdanke ich viel meinem Mentor Hajo Weber, mit dem ich eine Zeitlang einen gemeinsamen Weg bei Schwarzkopf gegangen bin.“ Christopher Brocker von Sassoon hingegen hat ihn kreativ inspiriert. Seinen Anspruch an die besten Produkte sieht er leider immer weniger erfüllt. Richtig radikal wird er, wenn die Industrie Friseurexklusivität verspricht, diese aber nicht einhält. „Dann fliegt das Zeug rigoros raus“, sagt er mit einem für Thomas Wolff eher ungewohnt harten Unterton. Sein Frust diesbezüglich ist scheinbar mittlerweile so groß, dass er plant, sein Sortiment nun zu 100 % auf die eigene Marke Peter Polzer umzustellen, die es nirgendwo sonst zu kaufen gibt außer bei ihm und in seinen sieben weiteren Salons in und um Hamburg.
Thomas Wolff ist immer seinen eigenen Weg gegangen und profilierte sich nie über eine Produktmarke. „Ich finde es total schlimm, wenn man sich von der Industrie zur Marionette machen lässt und sich über Produkte definiert anstatt über sein Fachwissen und seine Kreativität. Ich bin Friseur und muss Ergebnisse liefern, die wiederholbar sind, egal mit welcher Kosmetik ich arbeite!“ Mit seinen 61 Jahren (die man ihm nicht ansieht, Anm. d. Red.) und der Jahrzehnte langen internationalen Erfahrung in der Friseurbranche weiß er, wovon er redet und was er will. Und der Erfolg gibt ihm ja auch recht.
Nicht nur Fachwissen, sondern auch Psychologie und Kommunikation sind beim Friseur gefragt
Auch zum Thema Ausbildung hat Thomas Wolff seine ganz persönliche Meinung und ein innerbetriebliches Konzept entwickelt, das seinesgleichen sucht. Denn drei Jahre Ausbildungszeit sind dem kreativen Unternehmer definitiv zu lang. „Wer motiviert ist und einen guten Ausbilder hat, muss in unserer Branche nicht drei Jahre lang Lehrling sein“, ist er überzeugt. Thomas Wolff hat gut reden. Nachwuchsprobleme kennt er nicht. Im Gegenteil: Zwar seien von den vielen Bewerbungen nur rund 20 % wirklich brauchbar, aber das reicht ihm. Und von den anderen 80 % schaut er sich trotzdem den einen oder anderen Bewerber an, weil immer mal wieder jemand dazwischen ist, der auf den zweiten Blick ungeahnte Talente für den Beruf mitbringt. „Und da wäre es doch schade, wenn so jemand keine Chance erhält.“ Sogar viele Abiturienten wollen in seinen Salons arbeiten. Kein Wunder, denn sowohl Ausbildung als auch Anstellung in einem Peter Polzer Salon genießen einen gleichermaßen hervorragenden Ruf. Thomas Wolff fährt da auch eine ganz besonders hochwertige Schiene: „Unsere Auszubildenden werden vom ersten Tag an in unseren Salonalltag integriert. Wir begleiten und fördern sie, lassen sie nicht alleine. Bei Peter Polzer haben Friseure die Möglichkeit, sich in den eigenen Salonwänden vom Lehrling über den Gesellen, Meister, Salonleiter bis hin zum Lizenznehmer zu entwickeln. „Wenn jemand motiviert und gut ist, fördern und begleiten wir ihn auf diesem Weg.“ Jeder im Salon am Gänsemarkt gibt seine Stärken an Kolleginnen und Kollegen weiter und unterstützt bei deren Entwicklung. In externen Schulungsräumlichkeiten investiert Thomas Wolff regelmäßig in hochkarätige Branchenreferenten und Fachexperten, die ihn und sein Team auf hohem Niveau inspirieren und weiterbilden. Seit Kurzem erhält er Unterstützung von Gabriella Christ, die wunderbar ins wolffsche Team passt: Sie ist auch Friseurin, hat sich aber intensiv in Sachen Betriebswirtschaft, Marketing und Psychologie weitergebildet. Bei Peter Polzer kümmert sie sich um die Themen Marketing, Salonmanagement und die Ausbildung der Mitarbeiter sowie Kundenevents. „Friseure benötigen vor allem auch Unterstützung in psychologischem Verhalten und bei der Kommunikation. Das kommt bei der klassischen Ausbildung leider viel zu kurz, beklagt Gabriella Christ.
Ein Chef darf die Mitarbeiter nicht „klein“ halten
„Salonmitarbeiter und Azubis werden tagtäglich mit so vielen unterschiedlichen Charakteren konfrontiert und sind so nah am Kunden, dass Empathie und Einfühlungsvermögen mindestens ebenso wichtig sind wie das Fachwissen, erklärt Frau Christ. Auszubildende und Mitarbeiter – egal welcher Hierarchiestufe – erhalten bei Thomas Wolff also ein permanentes Update ihrer Qualifikation. Auf unsere Frage, ob er denn keine Angst hätte, dass seine Mitarbeiter alle so gut werden, dass sie dem Chef irgendwann das Wasser reichen können oder noch schlimmer woanders hinwollen, antwortet er zunächst, dass Kunden ein Recht auf gut ausgebildete Friseure haben und fügt hinzu: „Ich als Chef muss auch loslassen können und Verantwortung abgeben. Viele Chefs haben damit ein Problem und halten die Mitarbeiter mit Absicht klein, damit sie nicht vom Mitbewerber weggeschnappt werden. Ich halte das für Blödsinn, gerade gute Mitarbeiter muss man fördern. Und wenn einem das im eigenen Haus gelingt, umso besser! Es ist kein Widerspruch, wenn ich sage, dass man die Leute so ausbilden muss, dass die überall hin können, aber man muss selbst so gut sein, dass sie nicht wegwollen!“
Wir Friseure müssen noch mehr hin zum Kunden!
Der Kunde wird bei Peter Polzer bzw. Thomas Wolff immer in den Mittelpunkt gestellt. „Wir Friseure sollten endlich mal weg von selbstbeweihräuchernden Friseurevents und lieber hin zum Kunden!“ Demnächst bietet er sein erstes Kundenseminar an, bei dem Stylingtechniken für Zuhause gezeigt werden. Der Preis: 190 Euro. Zu viel? „Das Seminar ist schon lange ausgebucht“, lautet seine Antwort. Zeigt, dass Kunden Bedarf haben und zwischen den Salonbesuchen gerne auch vor dem eigenen Spiegel zurechtkommen wollen.
Ich vermisse die „Manana“-Mentalität aus Südamerika. Wir Deutschen denken zu sehr problemorientiert
Für Tausendsassa Thomas Wolff sind Haare Hobby und nicht Beruf! In seiner „Freizeit“ verbringt er daher viel Zeit mit seiner neuen App „Stylez“, die er gemeinsam mit 28 Kollegen (HCT Hair Construtction Team) aus der ganzen Welt für Friseure und Endverbraucher entwickelt hat. Zweimal im Jahr treffen sich die Kreativen immer in einem anderen Land, zuletzt in Schweden, um neue Kollektionen zu entwickeln und damit die App zu füllen und hochwertige Fachbücher entstehen zu lassen.
Wolff bezeichnet sich selbst als schrullig, weil er es am liebsten hat, wenn alles geordnet ist. Beruflich zumindest. Denn bei seinen weiteren Hobbys wie Tauchen, Fallschirm springen oder Motorrad fahren zeigt er gerne auch Mut zum Risiko, aber nie ohne vorher nachzudenken und sich dessen bewusst zu werden. Kann sich ein Thomas Wolff denn auch mal vertun? „Oh ja“, lächelt der Wahl-Hamburger und erinnert sich: „Die unterschiedliche Mentalität des deutschen Marktes im Vergleich zu Südamerika habe ich total unterschätzt. Hier wird gejammert, im Süden werden Probleme angenommen und nicht zerredet. Südländer denken lösungsorientiert, wir Deutschen stellen eher das Problem ins Zentrum unseres Denkens. Als ich vor über sechs Jahren die Marke Peter Polzer übernahm, war ich z. B. unglaublich erstaunt darüber, wie gut sich die Mitarbeiter mit dem deutschen Arbeitsrecht auskannten! Das fand ich faszinierend und erschreckend zugleich! Ich persönlich habe zum Glück für Probleme keine Zeit. Und wenn sich mal eines bei mir einzunisten versucht, hilft mir mein Fußweg nach Hause an der Alster entlang. Der dauert gut 20 Minuten und in dieser Zeit lasse ich den ganzen Negativ-Kram hinter mir.“
Hat man nach einem erfüllten Berufsleben mit 61 Jahren noch neue Pläne, will ich zum Abschluss meines Besuchs wissen. „Natürlich“, kommt es von Thomas wie aus der Pistole geschossen. So liebäugelt der erfolgreiche Salonunternehmer damit, künftig Seminare zu geben zu den Themen Salonmanagement und wie man als Friseur eine eigene Marke kreiert. Darüber hinaus möchte er seine bis dato acht Salons in den kommenden Jahren auf rund 15 Salons in und um Hamburg anwachsen lassen. Darin sieht der Lizenzgeber Thomas Wolff mit seinem genialen und erfolgreichen betriebsinternen Ausbildungskonzept kein Problem – und ich auch nicht nach diesem inspirierenden und begeisternden Gespräch mit einem Friseur, der irgendwie immer alles richtig macht.