Co-Working-Spaces: die neu gedachte Stuhlmiete!
Stuhlmiete war gestern, heute geht man networken, indem man sich Co-Working-Spaces mit anderen Gleichgesinnten teilt. Ultramoderne Salons mit dem neuesten Hightech Schnickschnack, die man ganz nach Belieben für ein paar Stunden, Tage oder sogar Wochen mietet. Lisandro Adler von tiny salons bietet am Standort Wanne-Eickel die „Selbstständigkeit ohne Grenzen“ an und erzählt uns im Interview mehr über ein denkbares Arbeitsmodell der Zukunft.
Mit oder ohne Meisterbrief in der Hand, rein in die Selbstständigkeit – davon träumen viele Friseur*innen. Meistens platzt der Traum aber schon bei der Suche nach dem geeigneten Standort und der kostenintensiven Anmietung der eigenen Räumlichkeiten. Für diejenigen, die diese Investition nicht aus der Portokasse bezahlen können, könnten Co-Working-Spaces eine günstigere und einfache Alternative sein. Mittlerweile findet man dieses Angebot in einigen Städten. In Wanne-Eickel erfüllt Lisandro Adler mit den „tiny salons“ seinen Kunden den Traum der Selbstständigkeit. FMFM erzählt er, was sich hinter dem Konzept versteckt und welche Vorteile Co-Working-Spaces mit sich bringen.
Ähnlich der Stuhlmiete, aber nicht gleich!
Lisandro Adler ist der Kopf hinter tiny Salons .
Eine Frage vorne weg: Sind Sie selbst Friseur, oder wie sind Sie auf die Idee zum Co-Working-Space gekommen?
Ich bin selbst kein Friseur, komme aber aus einer Familie, die schon lange in der Friseurbranche aktiv ist. Zusammen mit meinem Vater betreibe ich etwa 20 Friseursalons in Deutschland. Die Idee des Co-Working-Spaces im Friseurbereich entstand, nachdem ich mir die „Erfolgsstory“ von wework angesehen habe. Zwar endete wework in einem großen Desaster, was aber nicht an der Idee, sondern an der Umsetzung lag. Als mein Vater und ich dann noch ein längeres Gespräch mit Neciha Karadas von Chairing Days hatten, haben wir uns an die Entwicklung des Konzeptes gesetzt. Dies hat etwa ein Jahr gedauert.
Das Prinzip hört sich ganz nach der klassischen Stuhlmiete an. Worum geht es beim Co-Working-Space?
Der Co-Working-Space ist prinzipiell vergleichbar mit Stuhlmiete, unterscheidet sich allerdings doch in einigen Punkten.
Punkt 1: Flexibilität.
Die Mindestmietdauer ist eine Stunde. Keine langen Vertragslaufzeiten, komplizierte Mietverträge oder Ähnliches. Sie können einfach eine Stunde über unsere Plattform buchen und per Paypal bezahlen. Außerdem können unsere Kund*innen 24 Stunden, 7 Tage die Woche buchen. Keinerlei Bindung an Öffnungszeiten.
Punkt 2: Individualität
Wir vermieten ganze Räume mit in der Regel zwei Arbeitsplätzen und einem Waschplatz. Keine Chef*in, kein Dresscode, keine Pflicht, irgendwelche Produkte zu benutzen. Zudem kalkuliert jeder seine eigenen Preise. Der Co-Working-Space ist kein bestehender Friseursalon, sondern wurde nur zum Zweck der Vermietung gebaut.
Punkt 3: Hilfsbereitschaft
Eine interessante Erfahrung, die wir in den ersten paar Monaten unseres Co-Working-Spaces gemacht haben, ist, dass sich unsere Mieter*innen/Co-worker untereinander sehr helfen. Das fängt bei fachlichen Fragestellungen zur genutzten Farbe etc. an und geht bis zu finanziellen/wirtschaftlichen Fragestellungen wie Steuern.
Es gibt viele Vorteile gegenüber einer üblichen Ladenanmietung.
Dem Mieter stehen Räumlichkeiten mit diverser Ausstattung zur Verfügung – frei wählbar nach den eigenen finanziellen Möglichkeiten.
Die Stuhlmiete ist oft mit dem Negativimage der Schwarzarbeit behaftet, wie wird das bei der Vermietung von Co-Working-Spaces vermieden?
Ich denke nicht, dass sich Schwarzarbeit in unseren Co-Working-Spaces gänzlich verhindern lässt. Da unsere Kund*in die klassische mobile Friseur*in ist, denke ich allerdings, dass wir Schwarzarbeit einschränken können. Meine Hoffnung ist, dass Friseur*innen, die ihre Arbeit durch Anmietung eines Co-Working-Spaces professionalisieren, auch angemessene Preise nehmen und infolgedessen Steuern zahlen können. Kontrollieren kann ich das, genauso wie jeder andere Vermieter, allerdings nicht.
Welche Vorteile bietet der Service gegenüber einer normalen Ladenanmietung?
Da kann ich wieder nur auf Flexibilität und Hilfsbereitschaft aus der Antwort zu Ihrer ersten Frage verweisen. Des Weiteren sehe ich die folgenden Vorteile:
Keine Investition: Eigentlich selbsterklärend. Als angestellter Friseur ist es nicht gerade leicht, eine große Summe anzusparen, um einen Friseursalon zu eröffnen. Auch Banken finanzieren eher ungern neue Friseursalons. Also bleibt oft nur die Hilfe aus der Familie mit evt. einhergehender Abhängigkeit. All das ist bei uns nicht nötig. Die kleinste Investition, mit der ich starten kann, sind 8 € für eine Stunde in unserem kleinsten Raum.
Kein Risiko: Sollte ich mich als Friseur*in für die große Investition in einen Salon entschieden haben, so birgt dies ein enormes Risiko. Ich muss nicht nur auf Jahre meine Investition abbezahlen, auch muss ich mit langjährigen Vertragsbindungen rechnen. All das muss bezahlt werden. Egal, ob ich krank bin, sich meine Lebensumstände ändern (z. B. Schwangerschaft) oder ich Urlaub machen möchte. Dieses Risiko gibt es bei einem Co-Working-Space einfach nicht. Ich zahle für meinen tiny salon ausschließlich den gemieteten Zeitraum. Nebenkosten sind inklusive.
Keine Fixkosten und kein Personal nötig: Dadurch, dass ich keine Fixkosten habe, ergeben sich ganz andere Möglichkeiten. Wir haben zum Beispiel zwei Co-worker*innen, die Kinder haben und so komplett flexibel arbeiten können – und dennoch selbstständig sind. Eine „Teilzeitselbstständigkeit“ wäre mit einem angemieteten Ladenlokal nur mit Personal möglich. Was dann wieder zu weiteren Problemen führt. Eine der genannten Mütter leitete vorher den Salon bei einem stadtbekannten „Edelfriseur“. Der Druck, den Personalführung mit sich bringt, wurde ihr einfach zu viel. Ständig musste sie für kranke Mitarbeiter einspringen, Urlaub planen und Fehler ihrer Mitarbeiter*innen ausmerzen. Sie sagt, dass Co-working der beste Schritt in ihrem Berufsleben war und sie beruflich so glücklich ist wie nie zuvor.
Für mich ist es das Arbeitsmodell der Zukunft.
Die Salonausstattung bietet das Beste vom Besten an Hightech.
Sind Sie nur in Mülheim oder kann man den Service deutschlandweit nutzen? Bis jetzt gibt es tiny salons nur in Wanne-Eickel. Wir sind aber schon im Gespräch mit Investor*innen, um schnell neue tiny salons zu eröffnen. Parallel suchen wir auch Franchisepartner*innen, damit wir schnell wachsen können.
Wie ist der normale Ablauf einer Anmietung? Was muss man tun? Bei uns kann man die Räumlichkeiten entweder als „Drop In“, also ohne Vertragsbindung stündlich buchen, oder man schließt eine Mitgliedschaft ab mit einer monatlichen Zahlung und einem festen Guthaben pro Monat, das dann je nach Belieben und Verfügbarkeit der Räume aufgebraucht wird. Aktuell treffe ich mich noch mit jedem neuen Co-worker, um alles zu zeigen und die Technik unserer digitalen Arbeitsplätze zu erklären. Wir registrieren dann zusammen einen Account, mit dem der Co-worker ganz selbstständig seinen Raum mieten kann. Alles Weitere läuft voll digital. Zum Mietzeitpunkt geht automatisch die Tür auf und das Licht geht an, sodass der Co-worker zu jeder Zeit alleine den gemieteten Raum nutzen kann. Dank der Erfahrung, die man jetzt mit den ersten Co-workern macht, soll dieser Schritt in Zukunft aber auch noch weiter vereinfacht werden, sodass die Hürde, sich einen Platz zu mieten, noch kleiner wird.
Was können Ihre Kund*innen neben den Räumlichkeiten noch von Ihnen erwarten? Durch unsere jahrelange Erfahrung als Friseurfilialist können wir unsere Mieter*innen in Sachen Marketing, Preisbildung und Steigerung der Dienstleistungsqualität unterstützen. Für uns ist es wichtig, dass unsere Mieter*innen erfolgreich sind, denn so bleiben Sie unsere Mieter*innen.