„Machst du’s falsch, musst du noch mit 70 hinterm Stuhl stehen!“
Friseure lieben Haare! Aber Zahlen?! Sorry to say, aber Kalkulation war vermutlich nie so (überlebens-)wichtig wie derzeit. Auch Michi Jung musste das Spiel aus Kosten & Kohle erst lieben lernen. Als Youngster startete er selbst ziemlich unkalkuliert in die Selbstständigkeit. Mittlerweile allerdings bewahrt der Rocker einen absolut kühlen Kopf beim Thema Zahlen - und erzählt uns, warum diese sogar richtig sexy sind.
Michi, du feierst mit deinem Salon ,Cut For Friends‘ in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. Glückwunsch! Sag doch mal: Was war denn in dieser Zeit dein größter und wichtigster beruflicher Fehltritt?
Michi Jung: Mein größter Fehler war definitiv, dass ich mich viel zu spät mit Zahlen beschäftigt habe: Wie viel will ich arbeiten? Was will ich verdienen? Und ganz wichtig: Was will ich später in der Rente haben? Ich hatte auch keine richtige Zielgruppe mit entsprechendem Marketing.
Wann und wie hast du denn angefangen, diese Themen zu erkennen und zu lösen?
Tatsächlich erst ziemlich spät. 2014 habe ich erkannt, dass ich das Ganze noch 15-20 Jahre rocken muss – aber richtig! Ich habe mich neu aufgestellt, spezialisiert und positioniert. UND mich richtig mit Zahlen auseinandergesetzt und kalkuliert. Ich habe Bücher gewälzt und mir erfolgreiche Friseurunternehmer und auch andere Branchen angeschaut. Ab 2015 habe ich mit meinem Salon dann richtig gutes Geld verdient. Heute stehe ich nur noch drei Stunden pro Woche hinterm Stuhl. Ansonsten kümmere ich mich um meine Mitarbeiter und mit Robert und Katrin Holz um ,Rock Your Salon‘.
Ärgerst du dich über die „verlorenen“ Jahre?
Erst einmal freue ich mich, dass ich die Themen überhaupt erkannt habe. Aber klar ist es ärgerlich, wenn du 16 Jahre lang etwas machst, was besser hätte gehen können. Es hat ja schon alles irgendwie funktioniert, aber so richtig sexy war es halt nicht. Dann würde ich im Rentenalter auch noch am Stuhl stehen.
Also sind Zahlen sexy?
Definitiv. Sich mit Zahlen auseinanderzusetzen, macht vielleicht erst mal keinen Spaß, aber mittlerweile habe ich mega die Freude daran – vor allem auch daran, mein Wissen weiterzugeben. Der Erfolg gibt dir recht!
Du gibst zum Thema Kalkulation mittlerweile Coachings. Was erlebst du da?
Sehr oft denselben Fehler, wie ich ihn auch gemacht habe: Sich selbstständig machen, ohne sich im Vorfeld mit Zahlen auseinanderzusetzen und zu fragen: Wo will ich eigentlich hin? Fachlich sind die meisten Teilnehmer absolut auf dem neuesten Stand, aber auf Kalkulationen haben die wenigsten Lust. Und wenn sie dann ins Unternehmenscoaching kommen, muss schon ein richtiger Prozess in Gang gebracht werden, um die Abläufe zu ändern. Ich habe 70-jährige Teilnehmer, die noch hinter dem Stuhl stehen – und zwar nicht, weil sie Bock darauf haben, sondern weil sie es müssen! Viele haben überhaupt keine Vorstellung, was sie im Rentenalter benötigen. Ich bin der Meinung, dass ein selbstständiger Friseur fünfstellig im Monat verdienen muss.
Deine Mitarbeiter werden vermutlich auch entsprechend mit Zahlen „gequält“?
Klar! Richtig Bock haben meine Mitarbeiter da auch nicht immer drauf. Aber sie erkennen natürlich schon die Zusammenhänge und Wichtigkeit dahinter. Wir sprechen exakt über Verdienstmöglichkeiten – und bis zu 6.000 Euro sind da durchaus realistisch –, über ihre Ziele und auch, was für die Rente nötig ist. Bei unseren Salonzahlen sind wir außerdem völlig transparent, so ist das Thema Kalkulation für meine Mitarbeiter absolut greifbar.
Zahlenmäßig also echt überlegen! Vielen Dank für das Interview, lieber Michi.