Zeitenwende: Vom Handwerker zum personalisierten Beauty-Designer

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22. März 2023In FührungVon Simone Frieb
Erlebt die neuen Kundenansprüche in seiner täglichen Salonarbeit: Oliver Schmidt
Erlebt die neuen Kundenansprüche in seiner täglichen Salonarbeit: Oliver Schmidt
22. März 2023In FührungVon Simone Frieb

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„Puh, die Kundinnen sind so anspruchsvoll geworden!“ Immer mehr Friseur*innen ächzen über offenbar massiv gestiegene Anforderungen der Gäste. Aber haben sich die Ansprüche der Salonkund*innen wirklich so verändert? „Ja, das haben sie!“, weiß Friseurunternehmer und Coach Oliver Schmidt. „Nur wir haben uns nicht mitentwickelt!“ Eine Kolumne darüber, welche Kundenbedürfnisse völlig neues Know-how bei Friseurprofis erfordern und wie diese Ausbildung überhaupt möglich ist.

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Wir erleben es alle täglich: Kund*innen haben ein völlig anderes Anspruchsdenken, wenn sie zu uns in die Salons kommen. Gründe dafür gibt es viele. Zum einen haben sich die Gesellschaft und die Beautyideale selbst verändert: der Wunsch nach Individualität, Authentizität und personalisierter Natürlichkeit verdrängt zunehmend die künstliche Insta-Beauty, die – wie wir alle wissen – vornehmlich das Ergebnis übermäßiger Kosmetik, Retusche und Filter ist. Zusätzlich zum veränderten Schönheitsideal hat sich auch die menschliche Bedürfnislage der Verbraucher*innen stark verändert. Wir erleben den Wandel zu einer Gesellschaft, die das persönliche Wohlfühlen und entspannende Me-Momente an erste Stelle ihrer Prioliste rückt! Dieser neue Anspruch verändert die bislang bekannte Normalität in der Friseur- und Beautydienstleistung enorm.

Was heißt das für uns Friseure?

Die beliebte Marke Rituals trägt dem neuen Kundenbedürfnis nach Wohlfühlen in beispielhafter Weise Rechnung: Statt wie früher Cremes gegen Falten und trockene Haut zu konzipieren, setzt Rituals jetzt bei der Vermarktung der Hautkosmetik auf das Prinzip „Your Body, your Soul“ und verkauft Cremes im Tiegel als „Auszeiten für die Haut“. Glätten mögen die Rezepturen das Hautbild ihrer Anwenderinnen vermutlich immer noch, aber deutlich vor dem straffenden Effekt steht vor allem ihr Gefühl, sich selbst etwas Gutes zu tun. Was bedeutet diese Entwicklung nun für uns Friseur*innen? Nun, ich wage eine Prognose: Die Verbreitung dieser neuen Wohlfühl-Ansprüche stellt völlig neue Anforderungen an unseren Beruf, weil Wohlempfinden damit zwingend zum Teil einer JEDEN Dienstleistung im Salon werden muss. Und damit ist fast automatisch das Ende der reinen „Cut, Color & Style“-Ära eingeläutet! Anstelle dieser rein fachlichen Features und Fähigkeiten von Schnitt, Farbe und Styling rücken emotional aufgeladene Begriffe wie „Look, Care & Soul“ in den Vordergrund!

Umdenken ist gefragt

Das erfordert von uns allen ein komplettes Umdenken – über unseren Beruf, über unsere Ausbildung, über unser Selbstbild. Ich selbst spüre es in Vorträgen immer wieder, wie schmerzhaft und anstrengend dieser Umdenkprozess für viele Friseurkolleg*innen ist. Sie hoffen, dass die „guten alten Zeiten“ zurückkehren werden. Das werden sie aber nicht. Ein Fluss fließt niemals zur Quelle zurück. Kund*innen denken heute nicht mehr nur ergebnisorientiert, wie wir es aus der „Cut, Color & Styling“-Zeit kennen. Für sie muss der Friseurbesuch an sich bereits eine Erlebnisreise sein, bei der sich wohltuende Momente wie Perlen auf einer Perlenkette aneinanderreihen. Das Frisuren-Ergebnis ist damit genau genommen nur noch eine Teilleistung, die sie von ihrem/r Friseur*in erwarten. Ich denke, dass genau diese Veränderung in der Anspruchshaltung der Kund*innen viele Mitarbeiter*innen als anstrengend empfinden und sie an ihre Grenzen führen. Warum? Weil fachliches Können allein in diesem neuen Bedürfnisfeld bei Weitem nicht ausreicht! Hier sind emotionale, kommunikative und besondere kreative Fähigkeiten gefragt. Und das ist extrem anstrengend.

Gezielte Aus- und Weiterbildung ist MUSS

Dass unsere Mitarbeiter*innen  das als eine große Herausforderung empfinden, ist mehr als nur nachvollziehbar! Sie sollen (uns müssen) in Kategorien wie „Look, Care & Soul“ denken, arbeiten und Gäste emotional abholen – und haben eine klassische Ausbildung genossen, die all dies überhaupt nicht geschult hat. Aus diesem Grund planen wir in unseren Salons ab dem Sommer eine 5 Sterne-Ausbildung, die unsere Teams nicht nur handwerklich, sondern auch menschlich stark macht. Neben der fachlichen Kompetenz (Stern 1) fördern wir in einem Schulungs-Baustein gezielt auch die kreative (Stern 2) und die emotionale Kompetenz (Stern 3). Zudem entwickelt jedes Teammitglied eine eigene High Performance (Stern 4), also eine Fähigkeit, die sie ganz besonders gut beherrscht und für die er/sie unser/e Fachexpert*in ist. Abgeschlossen wird dieses 5-Sterne-Programm mit einem Personality Coaching, das für mentale Stärke sorgt und bei der Ausbildung einer eigenen Friseuridentität hilft.

Können macht glücklich

Warum machen wir uns diese Mühe? Ganz einfach: Wir erleben derzeit eine massive Zeitenwende, die uns mit ganz neuen Kundenbedürfnissen konfrontiert. Allerdings haben wir für diese veränderten Ansprüche der Salonkundinnen bislang noch keine Antworten in der Berufsausbildung gefunden. Möchte ich als Saloninhaber, dass mein Team dennoch in der Lage ist, diese Wünsche der Kund*innen zu erfüllen und sie in so vielfacher Hinsicht aufzufangen und glücklich zu machen, muss ich als Chef handeln und diese Lücke in den Soft Skills selbst schließen. Eine andere Möglichkeit gibt es derzeit nicht. Klar sind das enorme Herausforderungen, denen wir da gegenüberstehen. Doch genau diesen Umbruch sollten wir als riesige Chance begreifen, die einen fundamentalen Imagewechsel für den Friseurberuf möglich macht! Denn wenn wir hier proaktiv und erfolgreich sind, wird uns das einen völlig anderen Stellenwert in der Gesellschaft geben: wir werden uns vom Handwerker zum personalisiertem Beauty-Designer entwickeln. Neben begeisterten Friseurkund*innen ist für mich folgendes das Allerschönste an diesem Wandlungsprozess: Umfassend gestärkte und weitergebildete Mitarbeiter*innen gehen aufrecht und entwickeln ein stolzes Selbstverständnis für ihren Beruf als Friseur*in. Außerdem erleben sie sich im Dialog mit Kund*innen souverän und entspannt wie nie. Ich kann nur sagen: diese Arbeit wird sich mehr als lohnen!

22. März 2023In FührungVon Simone Frieb
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