„ICH möchte nicht mit Soloselbstständigen verglichen werden!“
Die Diskussion um Soloselbstständigkeit ist ein Stich ins Wespennest! Während erstaunlich viele Friseur*innen das Alleinearbeiten als Befreiungsschlag feiern, hat Nils Oliver Ferrand eine ganz klare Haltung zum neuen „Solo-Trend“. Hier sein kantiger Kommentar zur Lage!
Wenn wir uns fragen, ob „Solos“ überhaupt richtige Unternehmer sind, stellt sich mir zunächst einmal die Frage: „Warum möchte jemand überhaupt soloselbstständig sein?“ Auf diese Frage gibt es natürlich sehr viele individuelle Antworten, doch meiner persönlichen Meinung nach hat dies weniger mit „möchten“ als vielmehr mit „müssen“ zu tun! Aus freien Stücken möchte sicherlich kaum ein/e Friseur*in als Solo-Selbstständige/r arbeiten. Jetzt werden mir viele widersprechen, aber wenn ich sage „aus freien Stücken“ spreche ich davon, dass diese Entscheidung auch frei von finanziellen Nöten oder räumlichen Notwendigkeiten getroffen wird. Und das scheint mir nur selten der Fall zu sein. Wenn wir uns nun also die Frage stellen, ob „Solo-Selbstständige“ richtige Unternehmer sind, dann antworte ich: Ja, aber mit Einschränkungen. Denn strenggenommen ist man in Deutschland nur dann Unternehmer*in, wenn man eine gewerbliche Unternehmung ausübt, die auf eine dauerhafte Erzielung von Einnahmen angelegt ist. Und Soloselbstständige, vor allem die, die vorher Angestellte im eigenen Unternehmen hatten, verkleinern sich bewusst. Dies geht oft mit finanziellen, substanziellen oder personellen Problemen einher.
Unternehmer*in oder nicht?!
Warum sich Soloselbstständige selbst oftmals nicht als „richtige“ Unternehmer*innen fühlen, hat also viel mehr mit dem eigenen Ego (Angst des Versagens) als mit äußerlichen Begleiterscheinungen zu tun. Die äußerliche Wahrnehmung ist aus ähnlichen Gründen linear zur eigenen Meinung gestrickt: Deutschland ist (oder war…?) eine Leistungsgesellschaft und jede/r, der/die durch „weniger“ Leistung auf sich aufmerksam macht, wird schief angeguckt. Viele Unternehmer*innen im Handwerk denken über ein Leben als Soloselbstständige nach, oft aus Frust über die Mitarbeitenden und die damit verbundene Bürokratie. Dabei kann man selbst viel tun, dass man Lust statt Frust beim Teamwork hat. Vieles hat mit dem richtigen Führungsstil zutun. Und wo das nicht hilft, sollte man sich doch lieber von einzelnen Mitarbeiter*innen trennen, statt selbst zu gehen.
Scheunentor zur Schwarzarbeit
Meine persönliche Meinung ist, dass die meisten Soloselbstständigen tatsächlich keine richtigen Unternehmer*innen sind! Viele von denen, die ich auch privat kenne, möchten sich mit ihrer Entscheidung zum Downgrade vor allem die Kleinunternehmerregelung (Paragraph 19 UStG) zu eigen machen. Diese zielt nämlich darauf, dass bis zu einem Jahresumsatz von aktuell 22.000€ (Stand Januar 2020) keine Umsatzsteuer abgeführt werden muss. Kleines Rechenbeispiel: In NRW gibt es im Jahr 2023 gesetzlich 250 Arbeitstage (Errechnet aus 365 Kalendertagen, abzüglich 52 Samstagen, 53 Sonntagen, sowie zehn gesetzlichen Feiertagen). Um in 250 Arbeitstagen auf 22.000€ zu kommen, müsste man als Friseur*in also ganze 88€ Umsatz pro Tag machen. Na, klingelt es?! Allein daran fühlt man ja schon, dass dort oft massig Schwarzgeld fabriziert wird! Und selbst diejenigen Soloselbstständigen, die bewusst nicht unter die Kleinunternehmung fallen (möchten), sind aus meiner Sicht Einzelkämpfer*innen, die sich die Rechnung oft selbst schönreden. Sie sprechen von „Freiheit“, die sie ohne Mitarbeiter*innen angeblich haben. Aber mal ehrlich: Wo ist denn die Freiheit, wenn man in den Urlaub fährt oder man womöglich länger krank wird? Wie wird diese Zeit überbrückt? Wer macht dann den Umsatz? Doch das ist dann zugegebenermaßen eher ein Problem, dass das eigene, persönliche Schicksal betrifft.
Das betrifft uns alle!
Wenn ich allerdings den Trend zur Soloselbstständigkeit mal groß auf unsere Branche hochzoome, sehr ich eine riesige Baustelle, die uns alle betrifft: Professionalität ist in unserer Branche eines der größten Themen, das für mein Empfinden nie wirklich der Wichtigkeit nach angesprochen wird. Es ist ein Problem, welches auch mit der öffentlichen Wahrnehmung zu tun hat, die wir bei unseren Kund*innen erfahren. Es gibt kaum ein Handwerk, das sich selbst so unprofessionell darstellt wie das Friseurhandwerk. Und meine düstere Prognose ist die: Mit den ganzen Soloselbstständigen wird sich dieses Problem nicht gerade zum Besseren entwickeln, sondern zum Schlechteren! Ich mag gar nicht daran denken, dass irgendwelche Friseur*innen mit ihren vollgepackten Autos und ihren schäbigen Koffern von Kund*in zu Kunde*in durch die Gegend tingeln. Da stellen sich mir die Nackenhaare auf! Mal abgesehen davon, dass man so auch nicht ALLE Friseurdienstleistungen anbieten kann und sich selbst somit stark limitiert. Und überdies: Welche Strahlkraft für professionelle Beautydienstleistungen hat ein Salon, der als Einliegerwohnung im eigenen Haus untergebracht wird?
Nachwuchsschwund
Hinzu kommt noch ein weiteres Horrorszenario: Solounternehmer*innen im Friseurhandwerk befeuern den Schwund an Auszubildenden in dieser Branche noch weiter. Mir kann niemand ernsthaft erzählen, dass er oder sie keine vernünftigen Auszubildenden findet! Ich selbst habe allein dieses Jahr über 35 Bewerbungen erhalten – und dabei habe ich nicht mal explizit gesucht. Man sollte also meinen, dass jedes halbwegs professionell geführte Unternehmen eine/n passende/n Auszubildende/n findet. Wenn man sich proaktiv darum bemüht, dann umso mehr. Wenn man allerdings keine einzige Bewerbung erhält, dann liegt das meiner Meinung nach vor allem an einem selbst. Wie man ist, so scheint man nach außen!
Was bleibt: Frust
Mein frustrierendes Fazit zu dieser Solo-Diskussion: Die Friseurbranche im Ganzen muss eine große Veränderung durchleben. Doch vielleicht haben Friseur*innen insgesamt noch nicht genug gelitten, damit sie wirklich etwas ändern möchten! Ich habe selbst früher auch viel mehr versucht als heute, um anderen Friseurunternehmer*innen kostenfreie Tipps zu geben. Weil ich wollte, dass sich die gesamte Friseurlandschaft professioneller darstellt und sich unser aller Image von der „schlichten Frisöse“ hin zum erfolgreichen Unternehmertum wandelt. Dies habe ich allerdings fast in Gänze aufgegeben. Ich denke jetzt mehr an mich und nutze mit meinen Salons die Lücken, die dadurch entstehen, dass andere Kolleg*innen sich, ihr Handwerk und ihr Berufsbild weit unter Wert verkaufen. So bitter es ist: Ich möchte als Friseurunternehmer nicht mit der Masse der Soloselbstständigen verglichen werden. Ich möchte weder deren Preis,-, noch ihren und Imagekampf mitmachen. Unsere Kund*innen suchen sich zum Glück immer noch selbst ihre/n Lieblingsfriseur*in aus – und da ist für mich Professionalität das größte Pfund!
Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“
🤔
Gut das es immer zwei Seiten einer Wahrnehmung gibt.
Ich als glückliche Soloselbstständige,
sehe es ein bisschen anders als mein Kollege.
Es ist der neuen Zeit geschuldet ein anderes Konzept frei zu wählen.
Jeder sollte die Möglichkeit haben mal beides auszuprobieren und dann zu entscheiden.
Ich habe beides erfahren, und möchte nichts anderes mehr.
Jedem das was ihm gut tut.
Danke …. Sie sprechen mir aus dem Herzen! Nur es bewirbt sich keiner.
Vielen Dank für die waren Worte. Mit jedem Satz wurde gesagt was auch ich denke.