„Wer sagt, dass wir jeden Kunden erdulden müssen?!“

FMFM -friseur Site-Chris
Schwierige Kunden aushalten oder Abstand suchen? Christian Funk hat für sich Klarheit gefunden
C. Funk
Schwierige Kunden aushalten oder Abstand suchen? Christian Funk hat für sich Klarheit gefunden

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Das zwischenmenschliche Klima wird rauer. Das spüren auch viele Friseure, die sich von Kunden persönlich oder via Google-Bewertung anpampen lassen müssen. Aber mal ehrlich: Was heißt eigentlich „müssen“? Salonunternehmer, FMFM Artist und Friseur Coach Christian Funk hat da eine ganz eigene Meinung. Und die ist – wie soll es bei Christian anders sein?! – eher kantig als gefallsüchtig. Sein Kommentar.

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Liebe Kollegen, mal eine völlig ernst gemeinte Frage: Sind wir Friseure eigentlich verpflichtet, wirklich jeden Kunden zu bedienen? Müssen wir uns Frechheiten und Unfreundlichkeiten gefallen lassen? Sind wir so sehr auf Kunden angewiesen, dass wir hier fast alles ertragen müssen? Ich bin überzeugt: Nein, das müssen wir nicht! Vielmehr glaube ich, dass wir Friseure insgesamt ein so schlechtes Selbstvertrauen haben, dass wir uns häufig weder trauen, die passenden Preise nehmen, noch achtsam mit uns selbst, unseren Nerven und unseren Mitarbeitern umzugehen. Wir lassen uns für Hungerlöhne ausbeuten und verkaufen unsere Lebenszeit für Discountpreise. Und wenn Kunden etwas nicht passt, geht für uns die Welt unter und wir können nachts nicht schlafen…

Wir setzen Grenzen

Meine Mitarbeiter sind schon seit langem so instruiert, das sie gewisse Verhaltensweisen einiger (weniger) Kunden nicht tolerieren müssen! Ein Beispiel: Vor einiger Zeit bekam eine zugegeben schwierige Stammkundin Strähnen am Oberkopf und eine Haarverdichtung neu eingesetzt. Am nächsten Morgen schickte sie mir persönlich Bilder und einen extrem aufgeregten Text an meine Coaching-Adresse und äußerte übertrieben ihre Unzufriedenheit. Tenor: Es sei eine Frechheit, dass ihre Haare so versaut wurden… Aha. Statt vorab ein Gespräch mit dem ausführenden Stylisten zu suchen, machte sie also gleich eine Welle beim Chef. Schon einmal merkwürdig, wie ich finde! Was war passiert? Es gab eine minimal silbrige Übernuancierung bei ihren Strähnen. So geringfügig, dass ich auf den Bildern davon überhaupt nichts erkennen konnte. Aber ok, Fakt war: Die Kundin war nicht zufrieden, und in dem Fall arbeiten wir selbstverständlich gern nach und korrigieren das Ergebnis. Um es vorweg zu nehmen: Die Kundin kam erneut in den Salon, und ein fünfminütiges, goldiges Glossing konnte den wirklich geringen Makel beseitigen! All der Stress und die ziemlich heftigen Anfeindungen gegen meinen Mitarbeiter waren somit vollkommen überzogen und unnötig.

Klarheit bringt Kraft

Schon im Vorfeld der dieser Nachbesserung hatte mein Mitarbeiter mir mitgeteilt, er würde der Kundin den silbrigen Schimmer natürlich gern aus dem Haar zaubern, ihr danach allerdings mitteilen, dass er sie zukünftig nicht mehr bedienen möchte. Sie wäre stets unangenehm und schwierig, sagte er, und er würde sich gerne auf Kunden konzentrieren, die seine Arbeit mehr zu schätzen wüssten! Nun, was soll ich sagen? Ich habe meinen Mitarbeiter für diese klare Entscheidung gelobt! Und ich habe ihm gesagt, dass ich sehr stolz auf ihn bin und dabei 100% hinter ihm stehe. Er rief also die besagte Kundin an, machte einen Termin zum Ausbessern, teilte ihr aber auch schon am Telefon freundlich, aber bestimmt mit, dass er sie im Anschluss nicht mehr betreuen würde.

Chance für Veränderung

Als die Kundin dann in den Salon kam, brachte sie ihm eine Großpackung Merci mit, entschuldigte sich persönlich für ihr Verhalten und versprach, sich in dieser Form zu bessern! Und siehe da, sie hat Wort gehalten: Heute ist sie nach wie vor seine Stammkundin, aber das Verhältnis hat sich grundlegend verbessert. Mittlerweile freut sich mein Mitarbeiter, wenn sie bei ihm angemeldet ist! Solche und ähnliche Beispiele kann ich aus unserem Salon einige nennen. Und was lerne ich daraus? Den meisten Kunden ist oder war ihr Verhalten gar nicht bewusst. Sie haben ihren sonstigen Stress als Ventil an den Friseur übertragen. Und wir Friseure ertragen es dann brav, dass sich solche Kunden sich wie offene Hosen verhalten?! Nein, nicht bei uns.

Ein weiteres Beispiel aus den vergangenen Wochen. Üblicherweise sind wir in unserem Salon erfolgsverwöhnt und bekommen viele positive Bewertungen auf Google. Diesmal war es leider andersherum – eine 1-Sterne-Bewertung einer „Noch-nicht-einmal-Kundin“ schneite uns ins Haus. Erstmal ein Schocker. Was war da passiert?

Wir bestimmen die Regeln

Nun, die Situation ist kurz erklärt. Meine Rezeptionistin hatte eben diese Dame als potenzielle Neukundin am Apparat. Ihr Wunsch: Von Schwarz auf Blond – so schnell es geht. Zur Info: Wir geben aufwändige Dienstleistungstermine an Neukunden nur noch heraus, wenn wir die Machbarkeit des Kundenwunsches im Vorfeld bei einem kurzen Checkup-Termin klären können. Für den Colortermin selbst verlangen wir dann ca. 50% der zu erwartenden Summe als Anzahlung; ansonsten geben wir solche Termine nur an Kunden raus, die uns bekannt sind. Viele ärgerliche No-Shows in den letzten Jahren haben uns dazu gebracht, das Ganze kategorisch so zu handhaben.

Besagte Neukundin war allerdings nicht bereit, vor dem großen Färbetermin zu einem kurzen Checkup zu erscheinen. Stattdessen wurde sie schnippisch und irgendwann unfreundlich bis anmaßend. Das ging so weit, dass meine Kollegin sie höflich gebeten hat, sich in diesem Fall bitte einen anderen Friseur zu suchen. Es folgte eine Rezension auf Google mit folgendem Text, den ich versucht habe, höflich, professionell und trotzdem deutlich zu beantworten.

Die Google-Bewertung und meine Antwort

Unbenannt

Für mich ist heute klarer denn je: Wir Friseure müssen nicht alles erdulden! Es wird Zeit, dass wir unseren Wert erkennen und uns nicht alles gefallen lassen. Meine Mitarbeiter – aber auch ich selbst – sollen und müssen keinen unserer Kunden „ertragen“! Wir sprechen Unannehmlichkeiten offen und höflich an – oder vollziehen im Extremfall auch eine Trennung. Uns geht es sehr gut damit. Denn selbst schwierigste und anstrengendste Kunden haben häufig nach einem offenen Gespräch ihr Verhalten geändert. Ja, manche sind am Ende sogar Lieblingskunden geworden. Oder sie haben sich eben einen anderen Friseur suchen müssen, der mit ihrem exzentrischen Verhalten besser umgehen konnte. Auch davon profitieren alle. Denn was passiert, wenn wir solche „faulen Eier“ aussortieren? Wir haben endlich Zeit, uns ganz besonders um die Kunden kümmern, die uns Wertschätzung und Achtung entgegenbringen. In unserem Salon konzentrieren wir uns deshalb auf freundliche und anspruchsvolle Kunden, die unsere Arbeit und unseren Wert zu schätzen wissen. Und wisst Ihr was: das macht uns als Salonteam nicht nur extrem glücklich, sondern auch zunehmend erfolgreicher.

Ich kann diese „Auslese“ nur jedem Friseur ans Herz legen. Das schenkt neue Freiheit und Freude an und mit der Arbeit.

Euer Christian

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