„Es gehören mehr Frauen auf die Bühne!“
Frauen hat die Branche viele. Aber wo sind sie in der Öffentlichkeit? Chantal Wagner ist eine der bekanntesten weiblichen Vorbilder im deutschen Friseurbusiness. Als Speakerin und Coach, u. a. für Wella, hat sie sich insbesondere das Thema 'Female Leadership' auf die Fahnen geschrieben. Doch auch als gefragte Artistin und nicht zuletzt Mitinhaberin eines etablierten Friseurunternehmens ist sie überaus erfolgreich. Mit FMFM-Autorin Daniela Hamburger hat sie darüber gesprochen, wie es gelingen kann, dass Frauen in der Friseurbranche sichtbarer werden.
Liebe Chantal, wie hast Du es geschafft, in dieser Branche so erfolgreich zu werden? Was waren wichtige Meilensteine Deiner Karriere?
Einer der wichtigsten Meilensteine meiner Karriere war eindeutig meine Meisterprüfung mit knapp 23 Jahren, die ich damals nur gemacht hatte, weil ich unbedingt für die Firma Wella als Fachtrainerin arbeiten wollte. Direkt danach bin ich nach München gezogen und habe meinen Traum im Wella Studio München sechs Jahre lang leben dürfen. Beruflich gesehen war es für mich eine der schönsten Zeiten meines Lebens. Seit der Geburt unseres Kindes vor nunmehr 15 Jahren sind wir hier im schönen Marktredwitz selbstständig und hatten zu Hochzeiten ein knapp 40-köpfiges Salonteam.
Aktuell sind wir aber mit nur 15 Mitarbeitenden auch sehr happy. Meine Tätigkeit als Freelancerin für die Firma Wella gibt mir die Möglichkeit, mich fachlich zu entwickeln und verschiedene Konzepte kennenzulernen.
Du beweist on Stage nicht nur Dein handwerkliches und kreatives Können, sondern gibst als Speakerin auch unternehmerische Skills an Berufskolleg*innen weiter. Wie kam es dazu – wie hast Du den Switch in den Coaching-Bereich geschafft?
Im Jahr 2020 habe ich zusammen mit Christian (Ex-Mann und Mitinhaber des Salons, Anm. d. Red.) die Ausbildung zum Business Coach und im Anschluss die Zertifizierung zum HBDI Coach absolviert. Seitdem arbeite ich auch im Coaching-Bereich zum Thema Persönlichkeitsentwicklung und Female Leadership.
Durch die Mischung aus fachlicher Arbeit und Business Skills bin ich in vielen Bereichen einsetzbar. Dank meiner Ausbildung bei Wella fühle ich mich generell auf der Bühne sehr wohl. Mir ist es mittlerweile egal, ob ich eine Moderation mache, einen Vortrag halte oder fachlich etwas zeigen darf. Ich mag es, vor Kolleg*innen auf der Bühne zu stehen und Wissen weiterzugeben.
Sichtbarkeit hat ja auch immer mit Kommunikation zu tun. Mit C.A.Y.A. hast Du selbst ein Kommunikationsmodell mitentwickelt. Worum geht es dabei?
Das C.A.Y.A.-Modell fußt auf dem HBDI (Herrmann Brain Dominance Instrument). Dies ist eine Denkstilanalyse, die von Unternehmen wie Siemens oder der Nasa verwendet wird. Es geht darum, wie wir ticken und wie sich dies im Arbeitsalltag widerspiegelt. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dieses Wissen der Friseurbranche zugänglich zu machen, indem ich es auf das Thema Führung,Teamkommunikation und Beratung runtergebrochen habe. In den Farben Rot, Blau, Gelb und Grün kann sich ein jeder schnell wiederfinden und reflektieren. Darüber spreche ich in meinen Vorträgen.
„Beim Thema Gleichberechtigung liegt noch viel Arbeit vor uns“
Zusammen mit weiblichen Friseurikonen wie Filiz Erdogu und Sam Schüller giltst du als eine der wichtigsten Macherinnen im Bereich Female Empowerment in der Friseurbranche. Warum ist es Dir so wichtig, Frauen in diesem Business zu unterstützen?
Wir Frauen stehen vor anderen Herausforderungen als Männer, weil wir oftmals durch Mutterschaft noch eine andere Rolle im Leben innehaben. Zudem ist die weibliche Art der Führung eine andere und die Motivation, Chefin und/oder Unternehmerin zu sein, ist meist auch eine andere als bei den Männern.
Ich habe das Gefühl, beim Thema Gleichberechtigung liegt noch viel Arbeit vor uns, und wir Frauen sollten lernen, einander noch besser zu unterstützen. Gerade das Thema Sichtbarkeit in unserer Branche liegt mir sehr am Herzen. Es gehören mehr Frauen auf die Bühne! Das zu fördern, ist mein größtes Anliegen.
Wir arbeiten in einer Branche, die fast ausschließlich von Frauen geführt wird, wenn es aber um die Arbeit auf der Bühne geht, sehe ich fast nur Männer. Gerade im Business-Bereich sind wir Unternehmerinnen zu wenig sichtbar.
Du und Christian führt Euer Unternehmen „Manufaktur Friseure“ gemeinsam. Auf eurer Homepage bezeichnest Du Dich als „Chefin vom Chef“. Wie funktioniert die berufliche Zusammenarbeit als Paar? Habt Ihr die Führungsaufgaben in Eurem Unternehmen aufgeteilt?
Wir sind ja nun seit zwei Jahren getrennt und auch schon geschieden. Trotzdem führen wir die Manufaktur gemeinsam, weil wir schon immer eigene Bereiche für uns gefunden hatten. Ich bin diejenige, die sich mehr um die persönlichen Belange der Mitarbeitenden kümmert, während Christian sich mehr im Backoffice engagiert. Natürlich überschneiden sich die Bereiche öfters, und Entscheidungen werden immer gemeinsam getroffen. Wir sind beide froh, dass es trotz unserer Trennung so gut funktioniert und sind uns darüber im Klaren, dass dies nicht die Regel ist.
Was ist Deine wichtigste Message an junge Friseurinnen?
Meine wichtigste Message an junge Frauen ist: Traut Euch! Und lasst Euch ja nicht einreden, dass Ihr es nicht schaffen könnt. Es werden genug Menschen Euren Weg kreuzen, die Euch erzählen werden, dass Ihr es nicht schafft oder dass Eure Idee zu gewagt ist. Wir Frauen können alles schaffen, auf unsere weibliche starke einzigartige Art!
„Traut Euch, unperfekt zu sein!“
Und welche Skills brauchen erfolgreiche Friseurunternehmerinnen ganz dringend?
Wir Frauen sollten uns vom Druck der Gesellschaft freischwimmen. Wir müssen weder perfekt sein, noch irgend einem anderen völlig überzogenen Ideal entsprechen. Es wird nicht immer alles nach Plan laufen, und Rückschläge gehören dazu. Eine gehörige Portion Entspanntheit macht es einem leichter, mit den Unzulänglichkeiten des Alltags zu leben.
Es ist wichtig, zu wissen, was man selbst will, um dann authentisch und klar seinen Weg zu gehen. Fragt nach Hilfe und traut Euch, unperfekt zu sein! Sucht nach gleichgesinnten und echten Freund*innen, die Euch unterstützen. Dann ist alles machbar.