„So, wie Ausbildung derzeit läuft, ist sie Mist!“

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Ist kritisch, aber auch konstruktiv Zum Thema Ausbildung: Julia Eckert-Kaya
Ist kritisch, aber auch konstruktiv Zum Thema Ausbildung: Julia Eckert-Kaya

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„Unser Berufsbild ‚Friseur‘ muss klare Kante zeigen und wertiger werden!“, ist Salonunternehmerin und FMFM Artist Julia Eckert-Kaya überzeugt. "Der ausgebildete Friseurgeselle muss vom Quereinsteiger-Stylist unterscheidbar werden." Was also tun? Julia belässt es nicht beim Motzen, sondern macht konkrete Verbesserungsvorschläge. Ließe sich nur ein Teil davon umsetzen, wäre sie als Ausbildungsbetrieb wieder im Rennen. „Doch so, wie es derzeit läuft, macht es für mich als Ausbilderin keinen Sinn. Ich pausiere! Und das, obwohl ich weiß, dass das Potenzial für diesen großartigen Beruf grenzenlos ist.“ Hier sind Julias 4 Top-Tipps für Veränderung.

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1. Wie wäre es, den ersten Ausbildungsteil einer Friseurlehre eher wie ein Studium zu gestalten, um eine fachliche Basis zu bilden? Inhalte wie Chemie, Physik, Biologie, Psychologie und natürlich Hygiene sind aus meiner Sicht elementar wichtig. Und doch fehlen all diese Themen derzeit im Ausbildungsplan fast komplett. Um den Titel „Friseur“ in seiner Berufslaufbahn führen zu können, müsste es Pflicht sein, sich in diesen Gebieten immer auf dem neuesten Stand zu halten. Fachanwälte dürfen ihre Schwerpunktbezeichnungen auch nur führen, wenn sie eine bestimmte Zahl an Weiterbildungsstunden pro Jahr vorweisen. Aus meiner Sicht würde das entscheidend dazu beitragen, dass man seine Berufung wertschätzt und das nach außen lebt.

2. Im Anschluss an die Grundausbildung würde für mich passen, wenn der/die Azubi die Lehrbetriebe in einem Rotationssystem wechselt, wenn ein Betrieb nicht alle Wissensbereiche abdecken kann. Jeweils ein Semester in unterschiedlichen Salons. Ähnlich, wie Trainees es in großen Unternehmen machen. Ohne theoretisches Wissen kann kein gutes Ergebnis in der Praxis entstehen. Wir sehen seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten, dass die wirklich professionelle Beratung in den Salons extreme Mangelware ist. Jeder Chef verzweifelt daran, einen guten Friseur zu finden – warum? Es fehlt an fachlichem Basiswissen, das eine kompetente Beratung überhaupt erst möglich macht. Aus dem Billig-Loch, in dem sich viele Friseursalons befinden, kommt man nur raus, wenn das Know-how über die Theorie steigt. Überdurchschnittliche Ergebnisse brauchen überdurchschnittliches Können!

3. Stichwort Prüfungen: Meines Erachtens müssen alle Fachbereiche abgeprüft werden. Erst wenn dieses Wissensfundament sicher steht, dürfte man eine fachliche Ausrichtung festlegen. Denkbar wäre zum Beispiel ein Losmodell, bei dem Modelle, das Ziel und die Fachthemen verlost werden. Ich finde es sehr unbefriedigend, dass Begriffe wie Cut-Profi, Color-Experten usw. ungeschützt sind und sich so jeder als Spezialist betiteln kann, ohne dass objektiv nachvollziehbar wird, nach welchen Standards der- oder diejenige arbeitet. Würden diese Berufs-Zusatzbezeichnungen offiziell geprüft und vergeben, wären definierte Qualitätsmaßstäbe auch gegeben. So wie es heute ist, ist es schlicht Mist! Den Auszubildenden sollten also durch Spezifikation der staatlichen Weiterbildung Aufstiegsmöglichkeiten geboten werden. Denn das geschieht derzeit nur über private Fortbildungen und Anbieter. Aus diesem Grund muss für mich die Ausbildung mit fundiertem Basiswissen beginnen und erst später in die Praxis übergehen. So können sich Friseurazubis mit Wissen vom Friseur-Quereinsteiger abheben.

4. Für mein Empfinden macht es Sinn, innerhalb unseres Berufsbildes verschiedene Bezeichnungen zu entwickeln und für diese beruflichen Titel klar nachvollziehbare Ausbildungsstandards festzulegen. Es kann nicht sein, dass sich jeder „Friseur“ nennen darf, weil er etwas auf dem Kopf stylt. Was macht es für einen Sinn, eine Ausbildung zu durchlaufen, die (außer dem schnellen Geld nebenbei) wenig Perspektiven bietet? Für mich gibt es bei Friseuren zwei völlig unterschiedliche Ausrichtungen, die auch jeweils einen eigenen Namen verdienen würden: Es gibt den stark modisch-optisch geprägten Schwerpunkt, also das reine Handwerk, den die Azubis am liebsten sofort umsetzen wollen. Daneben haben wir den tatsächlich fachlichen-wissenschaftlich bezogenen Schwerpunkt, also Friseure, die individuelle Kopfhaut- und Haarpflege anbieten. Diese Profis haben so viel Background, dass sie Kunden bei kosmetisch begründeten Haar- und Hautproblemen beraten und versorgen können und diese gegebenenfalls zum Arzt schicken.

Warum schreibe ich das alles? Ich sehe, dass uns die Zeit wegläuft. Wir haben immer weniger motivierten Nachwuchs – und inzwischen auch immer weniger leidenschaftliche Ausbilder. Mich selbst eingeschlossen. Keine Frage: Jeder gute Friseur bildet sich freiwillig weiter! Aber was nutzt es, wenn er oder sie das mit einer Bezeichnung nach außen kommuniziert, die leider von 08/15-Friseuren ebenfalls ungeschützt verwendet werden darf? Wenn Kund*innen einen „Quereinsteiger-Stylisten“ von einem echten FRISEUR unterscheiden können, hebt das unser Image nachhaltig! Aber das funktioniert nur über Qualität und fachliches Know-how. Erst so wird der Beruf selbst wieder attraktiv für Nachwuchs, weil er finanzielle Sicherheit geben kann. Denn darum geht es letztlich, wenn man sein Leben in beruflicher Hinsicht plant und gestaltet.

Ich bin einfach überzeugt: Das Potenzial für diesen wunderbaren Beruf IST grenzenlos! Wir müssen nur an den richtigen Schrauben drehen und diese Veränderung einleiten.

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