Lohnt sich „Friseurando“? Haarpflege- und Farbverkauf während der Salonschließung.
Während es bei der Auslieferung von Pflege- und Stylingprodukten in Zeiten der Zwangsschließung von Friseurbetrieben keinen triftigen Grund zur Diskussion gibt, scheiden sich bei der Haarfarbe allerdings die Geister. Binde ich mit diesem (Self-)Service meine Kunden weiterhin an meinen Salon oder bewirkt diese Hilfe zur Selbsthilfe gar eine Reduzierung der Besuchsfrequenz nach der Krise?
„Ein Königreich für eine Ansatzfarbe vom Profi!“ „Bitte, bitte nur kurz Pony schneiden!“ „Waschen und föhnen – das geht doch schnell!“ Noch nie haben Salonkundinnen und -kunden erkannt, wie wertvoll Friseurdienstleistungen sind und so devot darum gebettelt wie derzeit. Aber Leute, es geht halt momentan nicht!! Weder im Salon noch draußen im Wald und schon gar nicht in der heimeligen Kundenküche!
Viele Friseure halten dennoch den Kontakt zu ihrer verzweifelten Klientel, indem sie götterbotengleich Pflegeprodukte und individuelle Haaransatzfarbmischungen persönlich vorbeibringen, um zum einen den eigenen Liquiditätsverlust so gut es geht aufzufangen und die Kunden bei Laune und Treue zu halten. Und das ist ja zum Glück auch erlaubt, sofern man nicht die 50% Umsatzausfall überschreitet, sollte man die Soforthilfe in Anspruch nehmen.
Wie sich Lieferservice-Friseure organisiert haben und warum sich „Friseurando“ auf jeden Fall lohnt – wir haben uns umgehört.
Jens Engelhardt, Acqua Verde Hairstyling, Wädenswil, Schweiz
„Wir haben per Email und SMS unseren Lieferservice angekündigt. Läuft soweit nicht schlecht, aber natürlich in keinster Weise wirklich lukrativ. Wir bieten außerdem Färbepakete für den Ansatz an, aber nicht die Originalmischung und dann immer einen Ton heller, damit es danach nicht in Korrelation mit unserer Arbeit steht. Somit hat die Kundin eine professionelle Farbe für zu Hause und fährt nicht mit Supermarkt-Colorationen unsere Farbe kaputt. So sparen unsere Kundinnen Geld für die nicht nötige Korrektur und wir haben noch einen kleinen Absatz in unserem Farblager.“
Ralf Steinhoff, Steinhoff Haardesign, Reutlingen
„Wir haben die Rezeption abwechselnd mit unseren Azubis besetzt, natürlich ist immer nur eine da. Ich poste regelmäßig eine Tagebuch ähnliche Facebook- und Insta-Reihe, „Steinhoffies auf Entzug“, in der ich auch über unseren Produkt- und Farbsetversand infomiere. Warum sollen wir treue Kundinnen jetzt alleine lassen? Sie werden auch in Zukunft die professionellen Dienstleistungen des Farbeauftragens mit Längenausgleich bei uns genießen. Und sie werden sich jetzt unglaublich freuen, wenn sie nicht ungepflegt herumlaufen müssen. Und aus meiner Erfahrung weiß ich, dass wir dadurch keine zukünftigen Umsatzeinbußen erleiden, wenn wir ganz klar differenzieren, wem wir die Farbe geben. Und natürlich bekommt die Kundin keine Farbe für den Längenausgleich.
Wir haben auf jeden Fall in der letzten Woche für circa 300 € täglich Päckchen gepackt. Das ist besser als nichts. Wir sind übrigens früher damit nie in die Werbung gegangen. Und das ist die einzige Frage, die sich mir stellt. Sollten wir dies in der momentanen Situation ausnahmsweise tun? Natürlich unter Befolgung der oben genannten Kriterien. Erfahrungswert aus der letzten Woche: Es haben Stammkunden gefragt, ob sie sogar die Farbe, die sie nicht brauchen, wieder zurückbringen können. Das haben wir natürlich bejaht. Aus Kundensicht doch ein super Service.“
Ralph-Joachim Hoffmann, Scissorys Friseure, Heilbronn
„Wir kommunizieren den Produktservice über Facebook, Instagram, auf unserem Anrufbeantworter und auf der Homepage. Am meisten abgefragt werden Gutscheine, gefolgt von Produkten. Der Farbverkauf ist zu vernachlässigen. Bisher wurde zweimal danach gefragt. Mag aber auch daran liegen, dass wir so gut wie keine Globalfarben realisieren. Meist kommt noch eine Strähnentechnik dazu. Die können die Gäste eh nicht umsetzen.“
Peter Gress, Gress Friseure, Esslingen
Wir bewerben den Lieferservice über YouTube, die Insta und FB-Stories, Facebook Feed, Blog, Webseite und den Newsletter. Ich glaube nicht, dass sich der Aufwand lohnt, aber hier geht es nicht primär um den Umsatz, sondern um das sich Kümmern und damit um die Kundenbindung.
Zur Farbe: Nein! Farbkits verkaufen wir nicht. Damit schützen wir unsere professionelle Leistung. Dafür verkaufen wir bereits aktiv Termine ab dem 20.4., obwohl wir noch nicht wissen, ob wir zu diesem Zeitpunkt überhaupt wieder aufmachen dürfen. Wir verteilen die Arbeitszeiten so, dass immer nur die Hälfte der verfügbaren Plätze gebucht ist und öffnen für zwei Monate 72 Stunden in der Woche, von 8-22 Uhr. Damit garantieren wir den einzuhaltenden Abstand. Zwei Wochen sind bereits ratzeputz ausgebucht. Die Kunden akzeptieren unsere Aussage, dass wir ihre gebuchten Termine bei einer Erweiterung des Shutdowns bevorzugt behandeln, indem wir sie anrufen, sobald wir von der Politik Neues wissen. Das kommt super an und gibt Hoffnung.“
Ute Nieke, Beauty Point Hairdesign, Bad Rothenfelde
„Wir erhalten unsere Produkt- und Gutscheinbestellungen per Email und liefern entweder zu den Kunden nach Hause oder per Post. Ich bin jeden Tag im Salon, um unsere Kunden zu informieren und alle Infos dazu über unsere Webseite, Anrufbeantworter, Facebook, Instagram und sowie im WhatsApp-Status zu verbreiten. Viel Arbeit, aber es lohnt sich!“
Gabriel Galozi, Highlights by Gabriel Galozi, Leipzig
„Bei der Farbrezeptur handelt es sich um die personalisierten Rezepte, wie sie die Kundin auch im Salon erhalten würde. Ich mische die Farbe dementsprechend schon an. Die Kundin muss zu Hause lediglich die Dose mit der bereits gemsischten Farbe aufschrauben und mit dem Entwickler mischen. Im Set sind ein Pinsel, Handschuhe, eine Anleitung und ein Pflegeset mit Shampoo und Kur enthalten. Ich wollte den Kunden gern die Möglichkeit geben, sich eine Profifarbe zu gönnen, um so zu verhindern, dass die rausgewachsenen Haaransätze dann nicht zum restlichen Haar passen. Mit der Idee gebe ich meinen Kundinnen die Möglichkeit, sich auch in der schwierigen Zeit hübsch zu machen. Als zweites erhalte ich als Unternehmer Umsatz, während mein Salon geschlossen ist.
Ich finde es wichtig, dass ich als Unternehmer in die Zukunft blicke und mir Gedanken mache, wie komme ich gut durch die Krise. Mir ist es wichtig zu handeln und für meine Kunden und Mitarbeiter da zu sein.“
Fiol Thormann, Friseurhaus Fiol Thormann Haare & Make-up Intercoiffure, Ahlen
„Unser Produktverkauf funktioniert sehr gut. Ich liefere immer freitags an unsere Kunden aus. Die Nachfrage ist bei uns sehr hoch. Auch wir haben bereits viele Termine ab dem 20.04 ausgemacht, auch wenn wir nicht wissen, ob wir an diesem Tag tatsächlich wieder aufmachen dürfen. Dadurch sind unsere Kundinnen, die alle 3 Wochen zum Färben kommen, sehr unruhig. Daher verkaufen wir auch Farbe für Notfälle. Natürlich geben wir dabei keine Rezepturen oder Anleitungen preis. Die Kunden erhalten die Farbe komplett ausgewogen zum direkt selber Anmischen für zuhause.
Ich biete diesen Service an, um meine Kundinnen nicht alleine zu lassen. Das sind viele Kundinnen, die schon seit meiner Saloneröffnung dabei sind.“
Antonio Weinitschke, A&K Friseure, Aachen
„Wir haben unseren Anrufbeantworter besprochen und rufen alle zurück, die Hilfe benötigen. Einige unserer Kunden stehen auch per E-Mail mit uns im Kontakt. Da fast alle Kunden ihre Termine bereits weit im Voraus machen, haben wir selbst schon alle kontaktiert und die Situation besprochen sowie persönliche Beratung geleistet.
Weil ich persönlich sehr viele Wochenkunden habe, die sich teilweise noch nie selbst die Haare gestylt oder sogar gewaschen haben, ist auch hier ein besonderes Feingefühl wichtig und Hilfestellung gefragt. Sehr oft sogar psychologische Betreuung. Uns ist es dabei meist gelungen, Kundinnen, die fast geweint haben, auch wieder zum Lachen zu bringen. Und sie sind dankbar dafür.
Für unsere Farbkunden geben wir Tipps zum Kaschieren mit Farbpudern- und Sprays. Wir geben keine Farbrezepturen bzw. Farbsets für zu Hause zum Selbermachen. Ich denke, WIR sind die Fachleute und keiner sollte sein Know-how weitergeben bzw. sogar fatale Fehlermöglichkeiten verursachen.
Neue Termine werden im Moment auch noch keine gemacht, da ja bereits Kunden bis in den Juli im Kalender stehen. Sobald wir wissen, wann wir wieder öffnen dürfen, werden wir alle Kunden, die keine Termine haben, dann anrufen und geordnet, wie sie es von uns gewohnt sind, zeitnah terminieren. Auch wir werden wahrscheinlich längere Öffnungszeiten anbieten und montags auch öffnen. Gutscheine werden zur Zeit nicht nachgefragt und von uns auch nicht besonders beworben.“
Attila Can, Can Haarmanufaktur, Bremen
„Wir kommunizieren das ganze über Instagram und Facebook. Meine Frau hat anfangs auf Instagram über unsere Schließung informiert. Seitdem haben wir sehr viele Anfragen von unseren Kunden erhalten, die sowohl Gutscheine als auch Produkte benötigen. Natürlich war der Run anfangs gigantisch und das ganze flacht nun ab, aber es kommen immer wieder neue Anfragen über Facebook, Instagram und per Email.
Wir stellen jetzt Tag für Tag unsere Produkte in den Stories vor und speichern das ganze für die Zukunft in unseren Highlights.
Farben liefern wir unseren Kunden bewusst nicht (eine Ausnahme, Kundin ist selber gelernte Friseurin) Wir finden, dass dieser Service im Salon stattfinden muss. Wir können den Kunden nicht unsere Dienstleistung Schritt für Schritt erklären, damit sie es in Zukunft selber zu Hause machen kann. Da kann ich die Anfragen aber an einer Hand abzählen. Im großen und ganzen ist es gerade toll die Verbundenheit und das Vertrauen unserer Kunden zu spüren.“