„Als Chefin & Chef musst du wissen: Wofür brennen meine Mitarbeiter?“
Er ist der wohl bekannteste Friseur-Influencer Deutschlands: Daniel Golz. Im Interview mit Daniela Hamburger wollte der Blogger, Friseur und FMFM-Artist aber nicht etwa über Follower und Fame sprechen, sondern viel lieber über die Beziehung zwischen Chef*in und Mitarbeiter*in und darüber, wie es gelingen kann, die Ziele beider Seiten zu vereinen. Ein Gespräch, das zuversichtlich macht, die derzeitigen Herausforderungen des Friseurarbeitsmarkts meistern zu können.
Lieber Daniel, der Arbeitsmarkt befindet sich derzeit in einem krassen Wandel. Du kennst beide Seiten: Einerseits bist Du selbstständig und damit Chef, andererseits arbeitest Du noch immer einige Tage pro Woche angestellt in einem Salon. Wie kann es in der neuen Arbeitswelt gelingen, die unterschiedlichen Anforderungen von Mitarbeiter*innen und Chef*innen zu vereinen?
Wichtig ist das Zusammenspiel beider Seiten – wie in einer guten Beziehung. Jede*r muss seinen Beitrag dazu leisten. Das fängt mit ganz einfachen Dingen an: Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin muss erstmal natürlich pünktlich sein, die Aufgaben handwerklich sauber ausführen und die Firmenphilosophie nach außen hin verkörpern. Der Chef oder die Chefin hingegen muss eben diese Philosophie definieren und die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt, die Wege im Salon müssen kurz sein, die Inneneinrichtung muss ansprechend und zugleich funktionell sein, die Produkte und Tools müssen gut sein, es darf an nichts fehlen, um perfekt arbeiten zu können.
Man kann auch sagen: Der Chef oder die Chefin bieten die voll ausgestattete Bühne, die Angestellten sind die Schauspieler*innen, die auftreten. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Schauspieler*innen Möglichkeiten haben, sich selbst zu entwickeln. So macht das Arbeiten Spaß, ist erfüllend und die Mitarbeitenden sind motiviert. Denn wenn jede*r Einzelne die Möglichkeit hat, die Bühne mitzugestalten und sich wohlzufühlen, hat er oder sie auch ein Interesse daran, dass die Show funktioniert.
Sind die äußerlichen Bedingungen denn wirklich so wichtig dabei, also z. B. schon die Salonorganisation?
Auf jeden Fall! Um gut arbeiten zu können, müssen diese organisatorischen Faktoren laufen. Manchmal muss man als Chef oder Chefin einen Schritt zurückgehen und mal alles auf den Prüfstand stellen: Gefällt uns das noch, wie es bei uns läuft? Wie es bei uns aussieht? Wie fühlen wir uns in unserem Salon? Ist der Salon in klare Sektionen unterteilt? Haben wir eine Kundenkartei, die perfekt geführt ist, damit die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter gut arbeiten können? Das meine ich mit Rahmenbedingungen. Um die zu checken, kann man die Mitarbeitenden auch super mit einbeziehen.
Gehen wir nochmal zurück zu den Schauspieler*innen: Wie kann es Chef*innen gelingen, aus diesen Individualist*innen ein funktionierendes Team zu formen?
Das gelingt nach einem ganz einfachen Prinzip: Der Chef oder die Chefin muss die Schauspieler*innen kennen. Er oder sie muss wissen, wofür sie brennen, was sie können und was sie eben nicht können. Als Teamleiter*in muss ich meine Mitarbeitenden „lesen“, mich in sie einfühlen – wie gesagt, wie in einer guten Paarbeziehung oder auch wie im einfühlsamen Umgang mit Kund*innen. Dann kann ich meine Schauspieler*innen so einteilen, dass sie ihre Stärken voll einbringen können, ich kann sie zu Neuem motivieren. Das ist so wichtig, um ein Team aufzustellen. Ich vergleiche diese „Aufstellung“ auch gerne mit der Arbeit eines Trainers oder einer Trainerin. Stellt eure Fußballmannschaft so auf, dass die einzelnen Positionen perfekt besetzt sind. So funktioniert’s!
Und wie kann ich erfahren, wie meine Mitarbeitenden ticken? So einfach ist das ja gar nicht, oder?
Es ist unglaublich wichtig, in die Kommunikation zu gehen, die Mitarbeitenden immer wieder zu fragen: Wie kann dieser Arbeitsbereich angenehmer für Dich werden? Fühlst Du Dich wohl? Was brauchst Du, damit es noch besser läuft? Und diese Fragen dürfen nicht „nebenher laufen“. Nehmt euch bewusst Zeit für Mitarbeitergespräche, am besten alle drei bis vier Monate.
So erfahre ich dann auch, ob ich möglicherweise eine*n talentierte*n Social Media Manager unter meinen Friseur*innen habe, oder?
Genau. Aber: Social Media läuft nicht nebenher! Wenn Ihr eine*n Mitarbeiter*in habt, der oder die das übernimmt, müsst Ihr sie oder ihn dafür auch angemessen zusätzlich entlohnen und Zeit dafür einräumen. Denn gelungenen Social Media Content zu erstellen, der ins Markenbild des Salons passt, ist total viel Arbeit und erfordert jede Menge Know-how. Ich weiß, wovon ich rede…
Du bist ja selbst teilweise immer noch in einem Salon angestellt, und zwar in dem, in dem Du auch schon Deine Ausbildung absolviert hast. Das heißt, dort macht man ganz schön viel richtig, sonst wärest Du nicht mehr dort, oder?
Das stimmt. Aber ich muss auch sagen: Nichts geht von heute auf morgen. Eine für beide Seiten funktionierende Arbeitswelt braucht jede Menge Engagement und Zeit. Das Wichtigste überhaupt ist Wertschätzung – und zwar gegenseitige. Für mich ist „Wertschätzung“ wirklich das wichtigste Wort des Jahres 2023. Aber: Man muss auch immer erstmal einen Wert haben, bevor man erwarten kann, dass andere ihn schätzen. Im Salon heißt das, als Mitarbeiter*in muss ich mir zunächst einen Stammkundenkreis aufbauen, einen gewissen Umsatz erwirtschaften und wirklich gute Arbeit abliefern, bevor ich erwarten kann, dass der Chef oder die Chefin mich auf Händen trägt. Umgekehrt muss die Salonführung es eben auch ermöglichen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sich dieses Standing erarbeiten und sich selber aufbauen kann. Gebt Euren Mitarbeitenden die Chance, sich selbst als eigene Marke zu etablieren! Dann gelingt gegenseitige Wertschätzung und Ihr haltet Eure Angestellten im Betrieb.
Klingt harmonisch…
Der Weg dahin ist manchmal gar nicht harmonisch, muss er aber auch nicht sein. Oft werden zunächst gegenseitig zu hohe Erwartungen gestellt und es gibt kein Verständnis für die Position des anderen. Hinzu kommt, dass zu wenig geredet wird, so verhärten sich die Fronten. Bei Problemen gilt: Um gut arbeiten und die Bühne gestalten zu können, muss man sich auch mal auskotzen, es muss auch mal zu Auseinandersetzungen kommen dürfen. Aber immer mit gegenseitigem Respekt und Akzeptanz.
Was ist Deiner Meinung nach denn sonst noch besonders wichtig, wenn es um Mitarbeiterführung geht?
Ein „Danke“, ein „Toll gemacht“, ein „Super Arbeit“: positives Feedback von der Salonleitung an die Mitarbeiterin bzw. den Mitarbeiter. Das wird viel zu oft vergessen. Das Zwischenmenschliche muss stimmen und gepflegt werden. Jede Seite ist in ihrer Bubble, sieht oft nur die eigenen Interessen. Gegenseitiges Verständnis ist gefragt. Andersrum kann es auch helfen, wenn der Chef oder die Chefin die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter mal selbst ausrechnen lassen, wieviel Euro Verlust es jährlich bedeutet, täglich ein bisschen Farbe wegzuschmeißen. So kann ein Perspektivwechsel gelingen und der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter wird klar, was Salonführung eben auch bedeutet.
Oft gelingt die Kommunikation im Salon eben leider nicht, wodurch zur Zeit viele Friseur*innen keine Lust mehr auf ein Angestellten-Verhältnis haben und lieber den vermeintlich einfachen Weg in die Solo-Selbstständigkeit wählen. Hältst Du das für eine gute Alternative?
Es gibt zwei Typen von Friseur*innen: die Alleinkämpfer*innen und die Teamspieler*innen. Momentan ist es sehr angesagt, sich mit einem Mikrosalon selbstständig zu machen. Aber: Viele sind damit überfordert. Denn wenn Probleme auftauchen, ist man ganz alleine damit. Die Teamspieler*innen kommen damit nicht klar. Auch für die Branche ist diese Entwicklung natürlich schlecht, denn Qualität lässt sich innerhalb eines Teams besser halten als wenn eine*r alleine alles stemmen muss. Auch Weiterbildung und einen guten Überblick zu bewahren, ist viel einfacher, wenn man nicht alleine auf sich gestellt ist. Engagierte Einzelkämpfer*innen können das schon packen. Aber es ist sicher nicht für alle eine gute Idee.
Also doch lieber angestellt bleiben?
Nein, nein, wenn man im falschen Salon angestellt ist und sich nicht wohlfühlt, ist es sicher nicht die Lösung, aus Angst vor dem Scheitern stehen zu bleiben. Wir leben im 21. Jahrhundert, wir haben unendlich viele Entscheidungsmöglichkeiten. Aber bitte hinterfragt euch gründlich: Ist Selbstständigkeit wirklich das Richtige für mich? Oder sollte ich vielleicht mal einen anderen Salon ausprobieren? Stellt das auf den Prüfstand und hört auf Euer Herz aber bleibt nicht stehen, wenn ihr nicht glücklich seid. Denn dafür ist das Leben zu kurz.
Dass der Salon nach außen als schlüssige Marke erscheint, mit der ich mich auch als Mitarbeiter*in identifizieren kann, ist sicher auch nicht ganz unwichtig für die Mitarbeiterbindung, oder? Wie kann es denn gelingen, das Unternehmen trotz eines Teams aus Individualist*innen als einheitliche Marke erscheinen zu lassen?
Zunächst muss die Salonleitung die Philosophie auch wirklich definieren, selbst wissen, wo sie hinwill und zu 100 Prozent dahinterstehen. Fokussierung ist hier ganz wichtig. Will ich Farbspezialist sein? Will ich Wellnesstempel sein? Oder habe ich lieber einen edgy Salon, an dem die Kund*innen an der Bar bei lauter Musik noch einen Drink nehmen? Wenn der Chef oder die Chefin das Konzept klar definieren und leben, gelingt es, die dafür richtigen Mitarbeitenden zu finden und es überzeugend nach außen zu tragen.
Lieber Daniel, lass uns noch kurz das Thema wechseln: Du gestaltest beim Hair Festival in Hamburg im August die Eröffnungsshow auf der Main Stage. Worauf dürfen sich die Festivalbesucher*innen hier freuen?
Auch in Hamburg wird es unter anderem um diese gute Beziehung zwischen Chef*innen und Mitarbeiter*innen gehen. Unter dem Titel „Gesundes Arbeiten“ stellen wir Euch Friseur*innen ganz klar in den Fokus, damit es Euch gut geht. Denn es ist wie beim Notfall im Flugzeug: Ihr müsst erst selbst Eure Sauerstoffmaske aufsetzen, bevor Ihr anderen helfen könnt. Wir möchten Euch Friseur*innen wieder für den Beruf begeistern. Wenn es Euch gut geht, geht es auch der Branche gut. Da wollen wir hin.
Danke, lieber Daniel, für dieses offene, mutmachende Interview!
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