Blond, sonst nix. Wann macht Hyperspezialisierung Sinn?

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Foto: A. Graf
Wie könnten Erfolgsmodelle in 2024 aussehen? Das fragt sich Annemarie Graf
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Wie könnten Erfolgsmodelle in 2024 aussehen? Das fragt sich Annemarie Graf

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Was passiert, wenn ein Friseursalon nicht nur auf Farben spezialisiert ist, sondern ausschließlich Blond anbietet, sonst nichts? Wenn sogar Haarschnitte, die das Gesamtpaket abrunden könnten, komplett weggelassen werden? Annemarie Graf über die Chancen und Grenzen der Hyperspezialisierung im Salon.

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Friseure haben schon immer ihren eigenen Stil und ihre Spezialgebiete gehabt. Die einen sind bekannt für ihre Färbekünste, die anderen für herausragende Schnitte. Doch in jüngerer Zeit sehen wir eine Bewegung hin zu einer immer stärkeren Spezialisierung. Salons, die nur Balayage oder nur Locken machen, sind ein Beispiel dafür. In immer mehr Ecken Deutschlands werden sich also Friseurunternehmer bewusst, dass sie in ihrem Salon das anbieten können, für das sie brennen. Und zwar nur das! Abgestimmt auf die eigenen Wunschkunden und auf die Bedürfnisse der Friseure.

Was dadurch passiert, fasziniert: Durch die Konzentration auf diese eine Dienstleistung wird jeder Aspekt dieser Leistung – von der Technik bis zum Kundenservice – perfektioniert. Das gesamte Geschäftsmodell kann sich auf die Entwicklung und Förderung dieser einen Spezialität konzentrieren. Das Team kann sich intensiver fortbilden und die Kunden wissen genau, was sie erwarten können: höchste Qualität und Expertise!

Der Evolutionssprung: Von Spezialisierung zu Hyperspezialisierung

Die Hyperspezialisierung treibt dieses Konzept auf die Spitze. Stell dir einen Salon vor, in dem es nur eine Farbnuance gibt: Blond. Kein Hellbraun, kein Dunkelbraun, nur Blond. Und Schnitte? Fehlanzeige. Doch kann das funktionieren? Warum diese Radikalität?

Die Pro-Argumente liegen auf der Hand: In einer Welt, die von Informations- und Reizüberflutung geprägt ist, suchen Menschen nach Klarheit. Ein Salon, der sich hyperspezialisiert hat, sendet eine klare Botschaft: „Wir machen eineSache, und wir machen sie besser als jeder andere.“ Es ist ein mutiges Statement, ein Versprechen von Expertise und Perfektion.

Was bieten andere Branchen?

Blicken wir auf die Gastronomie: Einige der erfolgreichsten Restaurants spezialisieren sich auf eine Art von Gericht. Sei es ein Sushi-Restaurant, das ausschließlich Sushi anbietet oder ein Pasta-Lokal, das sich nur auf Nudelgerichte konzentriert. Durch diese Spezialisierung positionieren sie sich als Experten in ihrem Bereich und ziehen Liebhaber dieser speziellen Gerichte aus der ganzen Region an. Oder denken wir an die Technikbranche. Beispiel Apple. Im Vergleich zu anderen Tech-Giganten bieten die eine stark begrenzte Produktpalette an. Aber genau diese Fokussierung hat es der Marke ermöglicht, sich auf Design, Benutzererfahrung und Qualität zu konzentrieren. Faktoren, die sie an die Spitze ihres Sektors gebracht haben.

Auch die Modeindustrie hat Marken hervorgebracht, die sich auf nur ein Produkt konzentrieren, wie beispielsweise Crocs. Diese Marken sind nicht nur erfolgreich, sondern oft Kult. Im Bereich Food & Beverage haben wir ebenfalls Brauereien, die nur ein spezielles Bier herstellen oder Cafés, die ausschließlich eine bestimmte Kaffeebohne verwenden. Das Prinzip dahinter lautet immer: Weniger Ablenkung, mehr Fokus auf Qualität und Einzigartigkeit.

Das Risiko des Weglassens

Aber zurück zum Friseurmarkt. Ein reiner Blondsalon ohne Schnittservice ist natürlich gewagt. Kunden könnten sich abgefertigt fühlen, wenn sie nach einer Farbsitzung für einen Schnitt noch einen anderen Salon besuchen müssen. Es besteht die Gefahr, dass die Kundenbindung abnimmt, da das Gesamtpaket fehlt. Und auch für uns Friseure fühlt es sich irgendwie komisch an. Gehören ein geniales Blond und ein guter Haarschnitt nicht zwingend zusammen? So haben wir es doch immer gelernt…

Moment mal! Wenn es uns hier gelingt, unser gewohntes Denken mal zur Seite zu stellen, erkennen wir, dass Hyperspezialisierung paradoxerweise genau an diesem Punkt ihre größte Stärke zeigen könnte. Denn in einer Welt, in der „Alles-aus-einer-Hand“-Dienstleistungen immer häufiger werden, bietet der hyperspezialisierte Salon ja ein völlig anderes, exklusiveres Erlebnis. Blondes Haar steht hier im Rampenlicht, wird in allen Facetten gefeiert und gelebt. Für Kunden, die das Beste vom Besten suchen, ist dies doch genau das Richtige. Und mit einem klaren Marketing kommt gar nicht erst die Frage auf, ob hier ein Haarschnitt dazugehört. Es geht hier nur um eines: um den perfekten Blondton.

Es gibt noch mehr Argumente, die für diese Inseldienstleistung sprechen: Vielleicht ist sogar ein Bonus für Kunden, die ihren passenden Schnittpartner bereits gefunden haben und nicht “fremdgehen” wollen? Zudem entfällt der unterschwellige Zwang des Kunden, nur zu einem Friseur gehen zu “dürfen”, und das Konkurrenzdenken der Branche würde stark abnehmen. Eine noch stärkere These, die ich einfach so hinstelle: Wir Friseursalons könnten mehr miteinander arbeiten. Denn warum sollte ich als hyperspezialisierter Blondsalon nicht meinen Kollegen als perfektes Match für den 1A-Haarschnitt anbieten? Eine gewinnbringende Kooperation für beide Salons.

Reaktionen des deutschsprachigen Marktes

Traditionell neigt der DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) allerdings zu einer gewissen Vorsicht gegenüber radikalen Geschäftskonzepten. Es herrscht die Meinung vor, dass ein Salon, der alles anbietet, auch für jeden etwas bietet. Aber Veränderungen sind spürbar. Mit der Zunahme von Nischenmarken und -dienstleistungen in anderen Branchen werden auch Kunden im Friseurbereich offener für hyperspezialisierte Angebote. Insbesondere in städtischen Gebieten, wo Trends schnell aufgenommen werden, könnte die Hyperspezialisierung Fuß fassen.

Kunden sind heute aufgeschlossener denn je, für ihren Spezialisten weite Wege auf sich zu nehmen. Ein Friseurbesuch ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr ein “das mach ich eben”, sondern ein “das gönne ich mir”. Und dann soll es auch bitte das Beste sein.

Ist Hyperspezialisierung die Lösung?

Mein Fazit: Hyperspezialisierung ist ganz klar ein mutiges Unterfangen. Es stellt das traditionelle Geschäftsmodell infrage und bietet etwas völlig Neues. Doch in einer sich schnell verändernden Welt, in der Einzigartigkeit und Expertise immer wertvoller werden, könnte genau dieser radikale Ansatz den Weg in eine erfolgreiche Zukunft weisen.Und dennoch bleibt die Frage: Ist Hyperspezialisierung für alle Friseursalons die perfekte Lösung? Ganz klar nein!

Modelle wie die klassische Spezialisierung auf einen Bereich und die Abrundung der Pakete sind gerade im Kommen und etablieren sich im Markt insgesamt gut. Aber auch gemischte Alleskönner-Salons, in denen jedes Teammitglied seiner Spezialisierung nachgehen kann, sind eine super Möglichkeit und bieten Vielfalt.

Der Schlüssel der Hyperspezialisierung liegt also darin, den konkreten Markt um seinen Salon genau zu verstehen, auf Feedback zu hören und bereit zu sein, sich ständig anzupassen. Wer mutig genug ist, diesen Weg zu gehen, könnte eine ganz neue Ära des Friseurhandwerks einläuten.

Annemarie Graf – Schönsein.Blog

(Business Beratung und Marketing Agentur für Friseure)

www.schoensein.blog

Instagram: schoensein_blog