Chance 2021: Macht den Salonbesuch zur Herzenssache!
Es mag sich gerade nicht so anfühlen, aber Friseure haben enorme Chancen, die Corona-Krise für sich zum Guten umzumünzen! Anders als viele andere Branchen, die straucheln und unter dem digitalen Wandel leiden, habt Ihr ein wahnsinniges Ass im Ärmel: „Ein wirkliches Salonerlebnis vor Ort kann man nicht ersetzen. Wirklichkeit braucht Inszenierung. Und wenn Ihr Friseure eins könnt, dann ist es inszenieren. Kreieren. Tolle Erlebnisse schaffen.“ Dr. Christian Rupprecht-Essig, Theologe und Vorstandsmitglied der ICD, über unendlich viele Lichter am Ende des Tunnels.
Keine Frage, die Corona-Dauerschleife fordert uns alle enorm. Anfangs dachten wir noch, wir würden „nur“ ein stürmisches Frühjahr haben und danach wäre alles wieder so wie früher. Und jetzt fühlen wir uns alle irgendwie gefangen in einer Dauerschleife. Uns alle treibt die Frage nach dem Danach um. Wird es sowas geben, wie die Welt nach Corona? Nun, ich denke nicht. Es wird kein „nach“ geben, sondern nur ein „mit“. Und das ist es, was mich zum Nachdenken bringt: die Zeit danach ist nicht wie die Zeit davor.
Ich denke, wir erleben derzeit einen grundlegenden Wandel. Eine wahrliche Umwandlung von Leben. Eine Veränderung, die alle Lebensbereiche betrifft: unseren Alltag, die Kultur, Politik, Umwelt, Wirtschaft. Vor allem aber betrifft dieser Wandel unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Teilweise subtil, zum Teil knallhart: wer kann wem schon trauen, ob er nicht ansteckend ist? Wann werden wir das jemals wieder vergessen können? So unglücklich es sich anhören mag, es ist jetzt die Zeit für Visionäre. Für Erfinder, für die, die sich nicht damit abgeben, nach dem „wann wird es wieder so wie früher?“ zu rufen, sondern für die, die neue Konzepte suchen, sich spannenden Ideen widmen- Es ist die Zeit für diejenigen, die sich für eine neue Normalität einsetzen.
Was wird sich genau ändern?
Meiner Einschätzung nach werden vier Themen in dieser neuen Gesellschaft, die sich gerade entwickelt, einen hohen Stellenwert einnehmen.
1. Smart Distancing nennen manche Experten diese Kultur der Vorsicht, die sich bei uns dauerhaft einnisten wird. Wir werden es einfach als normal akzeptieren, dass sich eine gewisse körperliche Distanz im öffentlichen Raum als Verhaltensnorm durchsetzt. Was heißt das für Friseure? Nun, es ist zu überlegen, Räume und Salonkonzepte nicht nur provisorisch, sondern grundlegend so zu gestalten, dass die Bedienplätze diesen Komfort mit einem guten Abstand dauerhaft und nicht hinter provisorischen Trennwänden anbieten. Premium – und damit das wirkliche Wohlfühlen von Kunden – wird sich nur durch räumliche Freiheit (und der damit einhergehenden Distanz) etablieren. Das wird gegebenenfalls längere Öffnungszeiten, 2-Schicht-Systeme und viele Stellschrauben mehr erfordern. Die smarte Distanz im Umgang miteinander wird sich auch auf unser Konsumverhalten auswirken. Das Credo: Klasse statt Masse. Hier kann ein Sortiments-Check Sinn machen. Brauchen unsere Kunden das alles? Wo liegt der wirkliche Mehrwert? Traut euch doch mal und legt eine Benchmark fest, also eine Richtlinie, die für Euch und Eure Kunden gilt: Was ist wirklich notwendig? Was will ich anbieten? Was passt zu meinem Konzept? Das und nur das!
2. Das, was viele ganz schnell gespürt haben: Tatsächlich haben sich in kürzester Zeit echte soziale Medien entwickelt, über die wir (digital) kommuniziert haben und – wie auch beim Beispiel von FMFM.de – Kontakt geblieben sind. Keine Spam-Bilder, Werbung oder krude Lockrufe, sondern tatsächlich: soziale Nähe. Der Lock down war vor allem eine Zeit der sozialen Innovationen und der sozialen Nähe – trotz Abstand. Storys wie auch Infos haben sich via Instagram, Facebook, YouTube, Twitter & Co. rasant verbreitet. Selbst in dieser Entwicklung sehe ich eine große Chance für Friseure, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, um mit seinen Kunden eine andere Form der Zusammengehörigkeit zu entwickeln, auch wenn der Salonbesuch hier und da zum selteneren, dafür überaus höher geschätzten Event wird. In der Zwischenzeit könnte die geneigte und interessierte Kundin doch über Social Media von ihrem Friseur lernen, wie sie fit, schön und per DIY up-to-date bleibt. Ein Tipp für die, die noch kein Online-Reservierungstool haben: jetzt wird es höchste Zeit, denn Eure Kunden waren nie so digital wie heute.
3. Ein weiterer Trend, der sich andeutet, verbirgt sich hinter dem Schlagwort Re-Lokalisierung. Die neue Nähe! In der Krise konnten sich Unternehmen auf die Hilfe des Staates verlassen, ja; aber auch in überraschender und überwältigender Weise auf die Unterstützung ihrer Kunden, die zu Fans und Freundinnen wurden. Privatpersonen initiierten Spendenaktionen und riefen Plattformen ins Leben, über die Gutscheine für die Zeit nach der Wiedereröffnung erworben werden konnten. Das heißt: die Zeit ist reif für eine völlig neue Empfehlungskultur. Überdenkt Eure Bewertungen, schenkt Google oder lokalen Aktionen Aufmerksamkeit. Nicht als Werbung, sondern als Beziehungsstatus zu bestehenden wie auch zu potenziellen neuen Kunden. Stärker denn je zuvor schätzt und empfiehlt man sich in Zukunft gegenseitig. Sozusagen als Gegentrend zur Globalisierung. Zeigt Euren Nachbarn Flagge, positioniert Euch bei Facebook, Google & Co., sodass sie ein Teil dieses Nachbarschafts-Netzwerkes sind. In der Kleinstadt mag all das in der Vergangenheit schon gut gelungen sein, für die Stadt- und Großstadtfriseure wird es eine Herausforderung sein, sich in ihren Stadtvierteln als ein Teil dieser neuen Nachbarschaftskultur zu vernetzen.
4. Jetzt komme ich zum wichtigsten Punkt. Friseure haben mehr denn je das Potenzial, zu einem sogenannten „Third place“ und damit zu einem ganz besonderen Ort zu werden. Ein dritter Ort, an denen Menschen ihre Zeit verbringen zwischen ihrem Zuhause (dem „First place“) und der Arbeitsstelle („Second place“). Ein Platz, an dem wir Ideen austauschen oder bekommen, an dem wir einfach eine gute Zeit haben und an dem wir Beziehungen aufbauen. Dritte Räume sind also Räume der Begegnung. Viele Menschen arbeiten im Home Office – ihnen fehlt der Kontakt zu anderen Menschen. Bis auf Weiteres werden Shoppingcenter, Restaurants und Kulturstätten als „Third place“ mit Vorsicht genossen werden. Da haben Friseure mehr denn je das Zeug dazu, ein kommunikativer Treffpunkt außerhalb von Beruf und „Home zone“ zu sein. Salons haben die große Chance, wirklich neue vertraute Orte zu sein, an denen Kunden sich wohlfühlen, an denen sie inspiriert werden und Ideen finden. Und an denen, beziehungsweise zu denen sie eine Beziehung aufbauen.
Dr. Christian Rupprecht-Essig
Frisuren & soziale Beziehungen
Schaut Euch mal Euren Salon-Alltag unter diesem Gesichtspunkt an. Dann geht es nicht mehr allein um die Qualität der Balayage, sondern um das Erlebnis des Friseurbesuchs an sich. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Bedürfnis der Kunden, sogar die Konsumkultur an sich, immer weniger auf Waren fokussiert sein wird, sondern immer mehr auf den Wert solcher Beziehungen. Ich tendiere dazu anzunehmen, dass zum Beispiel ein solcher Community-Salon unglaubliche Chancen hat, weil er Mehrwert und eine Steigerung der Lebensqualität bietet. Bevor man selber versucht, sich für die spontane Verabredung am Abend eine perfekte Friseur zu föhnen oder das schicke Make-up aufzutragen, ist man durchaus bereit, beim Salon im Viertel vorzuglühen und sich vom Profi oder unter dessen Anleitung aufbrezeln zu lassen, während man zur Erholung ein Buch liest, Instagram checkt, sich mit Freunden zum Kaffee verabredet oder auch arbeitet. Die Stichworte hierzu sind: Abschalten, Austauschen, Alleinsam-Sein.
Das „neue Normal“ wird auf folgendes hinauslaufen: Global & lokal, real & digital. Und kein Zweifel: Die Zukunft liegt in Beziehungen! Genau darin besteht die riesige Chance für Euch Friseure. Mehr denn je wird es darum gehen, die Nähe zu Deinen, meinen, unseren Kunden zu halten oder weiter auszubauen.
Friseurin? Stylistin? Oder gar Friseuse? Zur Etikette und Geschichte der Berufsbezeichnung Friseurin.