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Fast 8 Monate ist es nun her, dass sich das Flüsschen Ahr nach tagelangem Starkregen zu einem tobenden Monster entwickelte und sein Tal auf 40 km derart verwüstete, dass 134 Menschen keine Überlebenschancen hatten. Allein 35 Friseurbetriebe wurden durch die schlimmste Flutkatastrophe, die Deutschland jemals erlebt hat, komplett zerstört. Wie ist inzwischen die Stimmung unter den Betroffenen? Kämpfen oder kapitulieren? Wir haben nachgefragt.

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Beitrag von FMFM-Redakteurin Gabriela Contoli

Das Ahrtal – meine Heimat und bis Mitte Juli 2021 als Tal der Trauben bekannt! Jetzt ist es das Tal der Tränen! Immer noch! Denn die Aufräumarbeiten gehen nur langsam voran. Viele Einheimische haben ihre hoffnungslos zerstörten Häuser verlassen, sind woanders hingezogen und wollen auch nicht wiederkehren. Die Touristen, von denen das Ahrtal mit seinen zahlreichen Gastronomie- und Hotelbetrieben bis zur Flutkatastrophe lebte, kommen derzeit bestenfalls, um sich über das Ausmaß der Zerstörung ein Bild zu machen. Diejenigen, die geblieben sind und auch wieder aufbauen wollen, durchleben ein Wechselbad der Gefühle aus Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Zermürbung, Kampfgeist und „Jetzt erst recht!“

Nicht alle der rund 35 Salonunternehmer*innen, deren Betriebe auch der Flut zum Opfer gefallen sind, kehren ins Ahrtal zurück, aber die meisten! Einige haben altersbedingt aufgehört, viele haben keine Reserven mehr! Denn Corona hätte auch gereicht! Andere gründen neue Salons in Orten, wo sie sich sicherer fühlen. Keine Frage, traumatisiert sind alle! Aber viele lassen sich nicht unterkriegen und haben ihren Salon bereits wieder geöffnet – teils provisorisch, teils schon wieder in voller Pracht! Fünf von ihnen habe ich persönlich besucht. Dabei wurde mir einmal mehr bewusst, warum ich mich seit 30 Jahren für diese schöne Branche und ihre einzigartigen Menschen so begeistere.

Beispielloser Zusammenhalt

Mein Weg führt mich zunächst zu Daniel Röber, Innungsobermeister im Kreis Ahrweiler, und einer der wenigen, dessen Salon von der Flut nicht direkt betroffen war, wohl aber sein Keller. Bei Daniel liefen und laufen die Fäden in Sachen Spendenverteilung für die überfluteten Salons zusammen. In enger Zusammenarbeit mit dem Landesinnungsverband Rheinland. „Das klappt hervorragend, der Zusammenhalt in unserer Branche ist beispiellos“, freut sich Daniel. Friseure aus ganz Deutschland haben gespendet und erleichtern mit Geld und Sachleistungen den betroffenen Betrieben vor Ort deren Neustart. Doch auch die Industrie habe sich nicht lumpen lassen, so Röber.

„Zahlreiche Salons werden derzeit renoviert und sind teilweise noch im Rohbau, da an allen Ecken und Enden Handwerker fehlen“, erfahre ich von Daniel. Geschnitten und gefärbt wird teilweise in Salon-Containern, die den Flutopfern kostenpflichtig zur Verfügung stehen.

Daniel Röber und FMFM-Redakteurin Gabriela Contoli Daniel Röber und FMFM-Redakteurin Gabriela Contoli

Anstrengendes Provisorium

Heinz-Peter Hammer fischt eine Perücke aus seinem zerstörten Salon Heinz-Peter Hammer fischt eine Perücke aus seinem zerstörten Salon ©Melanie Schmickler

So zum Beispiel die Friseurfamilie Hammer, die bereits 4 Wochen nach der Flut in insgesamt drei solcher Container wieder aktiv wurde. Ihr Salon im Zentrum von Bad Neuenahr, den sie erst rund 1,5 Jahre zuvor eröffnet hatten, wurde komplett zerstört. Der Vermieter reagierte umgehend und bot Heinz-Peter Hammer und Tochter Melanie an, auf seinem Firmengelände in der Grafschaft die Saloncontainer aufzustellen und dort so lange zu arbeiten, bis ihr eigener Betrieb wieder bezugsfertig sein würde. Sogar auf ihren Barbershop mussten die beiden bei dieser Lösung nicht verzichten.

Ihren ursprünglichen Salon wollen Vater und Tochter an gleicher Stelle wieder errichten: „Der Laden passt zu uns, unser Kundenkreis ist da, wenn wir woanders hingehen, müssen wir komplett von vorne beginnen“, sagt Melanie und ist zuversichtlich, dass sie ihre zerstörten Räumlichkeiten mit Barbercorner bereits im Mai wieder nutzen können. „Das Provisorium ist anstrengend, auch wenn wir dankbar dafür sind“, klagt die junge Mutter. Besonders jetzt im Winter ist es bitterkalt und man arbeite auf engstem Raum.

Ihr Team konnten die Hammers zum Glück behalten. „Wir sind eine Familie, ich kann und möchte auf niemanden verzichten“, sagt Heinz-Peter mit Tränen in den Augen.

Wir leben!

Auf die Containerlösung baut auch Jennifer Pohl, die bis zum 14. Juli 2021 den Salon Heuwagen innerhalb der Ahrweiler Stadtmauer betrieb. Ein vorübergehendes berufliches Zuhause fand die in der Flutnacht hochschwangere Friseurmeisterin in der Ahrche, einem Verein, der in Folge der Flut ausgerechnet direkt am Ahrufer gegründet wurde und sich der Katastrophenhilfe sowie des Wiederaufbaus annimmt.

Wie viele ihrer betroffenen Kolleg*innen erfuhr die junge Salonunternehmerin – neben der Friseurinnung und ihren Partnern Paul Mitchell und Kasho – große Unterstützung in der Privatinitiative JOLA Rent aus Köln, die mit einem zum Friseursalon umgebauten Truck seit unmittelbar nach der Flut vor Ort ist: Friseur*innen aus ganz Deutschland kommen fast täglich vor eines der historischen Ahrweiler Stadttore, um Opfern und Helfern kostenlos bzw. gegen eine Spende die Haare zu schneiden und zu stylen. „JOLA Rent hat mir den Boden für mein Zelt gespendet und anteilig die Miete für meinen Container übernommen“, freut sich Jennifer Pohl. Auf 8 Plätzen bedienen sie und ihre Mitarbeiterinnen nun die Kunden.

Den Salon renovieren inzwischen die Vermieter. Geplanter Einzug: 1.4. oder 1.5.22. „Auch wenn die Kundenzahl natürlich deutlich zurückgegangen ist, bin ich so dankbar für diese Lösung. Und da wir alle derzeit nur Teilzeit arbeiten, könnten wir auch gar nicht mehr Kunden bewältigen“, gibt sie zu. Dass sie vorübergehend in einer Zeltstadt Haare schneidet, stört die positive Jenny nicht: „Das hier hat Rock am Ring-Feeling“, lacht sie und lässt sich trotz der erheblichen Corona- und Flut bedingten Umsatzeinbußen nicht unterkriegen. „Das wichtigste ist doch, dass wir leben“, gibt sie mir zum Schluss mit auf den Weg und ich kriege Gänsehaut.

Jennifer Pohl (links) und ihre Mitarbeiterin Jennifer Pohl (links) und ihre Mitarbeiterin

Viele Hände – schnelles Ende

Ergül Lorca Ros (Mitte) und ihr Team Ergül Lorca Ros (Mitte) und ihr Team ©La Facon

Gleich dreifach hat es Friseurmeisterin Ergül Lorca Ros aus Bad Neuenahr erwischt! Als die Flut kam, befand sie sich in Verhandlungen, neben ihrem Salon in einer Rehaklinik unmittelbar an der Ahr, einen weiteren Betrieb nicht weit davon entfernt zu übernehmen. Während der erste Salon komplett zerstört wurde, stand das Wasser auch im angehenden neuen Betrieb La Facon so hoch, dass nichts mehr zu retten war. Die mutige Ergül übernahm trotzdem! Mit Hochdruck wurde entkernt, saniert und renoviert! Bereits am 18.10. – wenn auch dem Burnout nahe – konnte sie eröffnen und sogar das Team der Vorgängerin übernehmen. „Das ging nur so schnell, weil mich meine Vermieter, Familie, Freunde und die Firma HairHaus unfassbar unterstützt haben“, erinnert sie sich. Auch der Rohrbruch, der beim Aufhängen des letzten Schranks zu allem Überfluss noch sein musste, konnte Ergül Lorca Ros nicht mehr aus dem Konzept bringen.

La Facon ist eines der sehr wenigen Geschäfte insgesamt, die in Bad Neuenahr schon wieder geöffnet haben. Ihr neuer Salon wird von den Kunden gut angenommen: „Sie freuen sich, neben Schnitt und Farbe bei La Facon nun auch ihre Nägel und Füße richten zu lassen und genießen den Wellnesseffekt in diesen schweren Zeiten“, so Ergül.

Auch privat ist die zweifache Mutter komplett „abgesoffen“. Ihre Psyche hat sehr gelitten. Daraus macht die sympathische Friseurmeisterin, die sich in der Flutnacht mit ihrer Familie in letzter Minute retten konnte, kein Geheimnis: „Die Angst, dass das Wasser wiederkommt, ist ständig da. Mir hilft es, wenn ich darüber rede“, sagt sie traurig. Ihr Schockerlebnis, als sie zum ersten Mal ihren zerstörten Salon sah, hat sie unbewusst in der Wandgestaltung von La Facon in Form eines optischen Scherbenhaufens verarbeitet.

Und trotz ihrer traumatischen Erlebnisse hat Ergül Lorca Ros noch so ein großes Herz für andere Flutopfer, dass sie sogar gespendet hat. „Ich habe so tolle Kund*innen, die mich sehr großzügig unterstützt haben“, sagt sie voller Dankbarkeit. „Wir müssen jetzt alle zusammenhalten, damit unsere Stadt wieder lebenswert wird und die Geschäfte trotz der schrecklichen Situation und des erheblichen Kundenmangels überleben können.“ Ob und wann sie ihren Salon in der Rehaklinik allerdings wieder eröffnen wird, steht noch in den Sternen.

Man kämpft!

Mein letzter Besuch gilt Zisis Stampoulis, Geschäftsführer des Salons OHaara im Herzen von Bad Neuenahr. Die Flut zerstörte seinen ebenerdigen Salon, den er mit seinem Partner 5 Jahre lang betrieben hatte. Gebeutelt von den monatelangen Corona bedingten Schließungen zuvor traf auch ihn die Naturkatastrophe bis ins Mark. Zisis Stampoulis wollte nicht mehr! „Als wir das Ausmaß der Zerstörungen in unserer Stadt realisierten, konnten wir uns nicht vorstellen, bereits 4 Monate später schon wieder zu arbeiten“, erinnert er sich. Allein die glückliche Fügung, dass ihm unmittelbar nach dem schrecklichen Ereignis Räumlichkeiten gegenüber – und zwar im 1. Stock – angeboten wurden, gab ihm den nötigen Kick, noch mal richtig durchzustarten. „Es wäre nicht richtig gewesen, Bad Neuenahr in dieser Situation den Rücken zu kehren“, sagt der Friseurmeister, der eigentlich gar nicht aus dem Ahrtal stammt, aber schon seit 16 Jahren dort wohnt.

Sein Salon war zum Glück versichert, die Mitarbeiter*innen konnte er alle mit in den neuen Betrieb nehmen! Und der ist unglaublich schön geworden! Ein Lichtblick in der auch nach 8 Monaten noch katastrophal zerstörten und leeren Innenstadt! Zisis freut sich, dass ihm trotzdem so viele Stammkunden die Treue halten und auch neue Kunden den Weg zu ihm finden. Große Unterstützung erhielt der gebürtige Grieche bei der neuen Einrichtung von seinem Partner Wella/Sebastian.

Eines ist sicher: Es wird noch ein langer und anstrengender Weg sein, bis das Ahrtal auch nur annähernd wieder seinen alten Glanz erfährt. Aber die Strahlkraft der bereits geöffneten Friseurbetriebe macht schon heute Mut und Hoffnung!

Diesen Beitrag gibt es auch in der Printversion in der aktuellen Ausgabe der New Clips, die ihr euch hier kostenlos runterladen könnt. 

 

 

Zisis Stampoulis mit seiner Rezeptionistin Zisis Stampoulis mit seiner Rezeptionistin