Coronakrise – Wer und was hilft bei verordneter Salonschließung?
Weder Scherengeklapper noch Salongeplapper, stumme Föhne, kein Pling beim Öffnen der Salonkasse – und das unfreiwillig und zwangsverordnet, womöglich über Wochen oder gar Monate?! Ein Horroszenario, das in diesen Tagen nach Italien und Österreich auch bei uns in Deutschland jederzeit drohen könnte. Ruhig bleiben? Nicht in Panik verfallen? Schön und gut, aber wie soll das gehen, wenn einem sprichwörtlich der Arsch auf Grundeis geht?
Wir haben die drei Salonunternehmer und Branchen-Coaches Christian Funk, Ramin Dell und Jochen Becker gefragt, welche Maßnahmen sie im Falle einer zwangsverordneten Salonschließung ergreifen würden. Am Ende des Interviews findet ihr außerdem eine Liste von Institutionen, Telefonnummern und Links, wo ihr im Fall der Fälle finanzielle Unterstützung beantragen könnt. Dennoch hoffen wir, dass dieser Kelch an uns allen vorübergeht…
Finanzminister Olaf Scholz: „Wir haben genug Geld! Wir können allen helfen!“
Krisenmanager – v.l.n.r.: Christian Funk, Ramin Dell, Jochen Becker ©FMFM
Was wäre eure erste Reaktion, wenn wegen Corona von heute auf morgen die Schließung eurer Salons angeordnet würde?
Christian Funk: Als allererstes würde ich meine Fixkosten überschlagen und hochrechnen, welche Kosten auf mich zukommen und welche ich einsparen kann. Lassen sich Stundungen machen? Größere geplante Investitionen würde ich sofort versuchen, auszusetzen, Bestellungen wenn möglich stornieren und mich nur auf die wichtigsten und notwendigsten Dinge beschränken. Dann meine Rücklagen unter die Lupe nehmen: Wie hoch sind diese und wie lange komme ich damit aus? Anschließend alle Möglichkeiten ausloten, die mir bei einer Schließung meines Salons von öffentlicher Seite weiterhelfen.
Ramin Dell: Ganz wichtig, einen kühlen Kopf bewahren und schauen, wer mir als nächstes helfen kann: Arbeitsagentur, Regierung, Gesundheitsamt, Banken, etc.
Jochen Becker: Ich würde sofort meinen Steuerberater kontaktieren bzw. habe das bereits getan, um mit ihm gemeinsam zu überlegen, wie wir im Fall der Fälle vorgehen könnten, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Was würdet ihr auf jeden Fall versuchen zu vermeiden?
Christian Funk: Wie gesagt, unnötige Investitionen vermeiden und bei Bestellungen massiv einsparen. Was wir Chefs auf keinen Fall dürfen, ist Panik verbreiten, sondern stattdessen mit unseren Mitarbeitern beruhigende Gespräche führen.
Ramin Dell: Ich als Chef habe ja generell eine Vorbildfunktion, und in dieser Situation erst recht. Daher muss ich meinen Mitarbeitern Vertrauen und Sicherheit signalisieren, Mut zusprechen und vor allem Zuversicht ausstrahlen. Panik ist Gift! Es ist wichtig, besonders in der Krise das halb volle Glas Wasser zu sehen.
Jochen Becker: Schlechte Gedanken müssen aus dem Kopf raus, auch wenn es schwerfällt. Man darf auch in Krisenzeiten seine Lebenslust nicht verlieren, denn jeder hat nur ein Leben und das geht bekanntlich immer weiter. Schließlich haben wir schon Kriege überstanden…
Welche Maßnahmen würdet ihr ergreifen, um euren Liquiditätsverlust so gering wie möglich zu halten?
Christian Funk: Den würde es bei mir zum Glück vermutlich nicht geben, da ich mich, nachdem ich damals mein Geschäft vor die Wand gefahren hatte, entsprechend risikosicher aufgestellt habe. Ich lege z. B. jeden Monat mindestens 10 % meines Umsatzes auf die hohe Kante, sodass es für einige Zeit reichen sollte, ohne dass ich in Krisenzeiten, weswegen auch immer, einen Kredit aufnehmen müsste. Dies ist ein fester Wert und so ist auch meine gesamte Kalkulation aufgebaut. Das reicht zumindest mal locker für drei Lohnsummen inklusive meinem eigenen Lohn plus Lohnnebenkosten.
Ramin Dell: Ich würde umgehend mit meiner Bank in Kontakt treten und mit ihr besprechen, wie ich am besten durch die Engpässe komme. Leasingverträge lassen sich vielleicht vorübergehend stoppen und günstige Finanzierungskonzepte angehen. Die Banken sind da momentan wohl alle sehr gesprächsbereit. Vielen von uns, mir eingeschlossen, ging es doch schon so, dass wir mit dem Rücken an der Wand standen, wo keine Bank helfen wollte! Und da habe ich persönlich gelernt, nur dann, wenn du was in der Hinterhand hast, bist du entspannt. Diese Entspannung habe ich mir übrigens hart erarbeitet.
Jochen Becker: Ich würde alles schöpfen, was geht, auch wenn ich das natürlich alles irgendwann zurückzahlen müsste. Aber der Moment ist wichtig, um den finanziellen Ruin abzuwenden. Ich bin da übrigens sehr zuversichtlich, spätestens seitdem ich gestern unseren Finanzminister Olaf Scholz bei Maybrit Illner grinsend habe sagen hören: „Wir haben genug Geld. Wir können allen helfen!“
Was würdet ihr im Falle einer Salonschließung von euren Mitarbeitern erwarten?
Christian Funk: Solidarität und bedingungslosen Zusammenhalt! In so einer Ausnahmesituation müssen alle zurückstecken und einander entgegenkommen. Ich würde zunächst versuchen, meine Mitarbeiter in den Urlaub zu schicken, sofern das möglich ist und der Urlaub nicht bereits verplant und gebucht ist. Bei Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern ist das schwierig, aber von den anderen erwarte ich Bereitschaft, ihren Urlaubsplan gegebenenfalls umzulegen.
Ramin Dell: Ich würde von meinen Mitarbeitern erwarten, besonders in dieser Krisensituation mit mir in einem Boot zu sitzen und an einem Strang zu ziehen. Mit Mitarbeitern, die sich komplett querstellen und nicht kooperativ zeigen, wenn der Laden dicht wäre, zum Beispiel indem sie auf Sonderurlaub bestehen, obwohl sie keine schulpflichtigen Kinder haben, hätte ich vor allem auch nach der Krise eher meiner Probleme. Aber es ist ja bekannt, dass eine Krise oftmals auch eine Bereinigung nach sich zieht.
Jochen Becker: Ja, spätestens in der Krise merkt man, wer ist der Gute und wer der Nichtgute. Die Guten funktionieren, sind flexibel, kooperationsbereit und stecken auch mal zurück. Die „Nichtguten“ würden noch mehr auffallen und von denen würde man sich vermutlich trennen.
So irrational das klingt, aber steckt nicht in jeder Krise auch eine Chance?
Christian Funk: Das Glück – sofern man in dieser Krise überhaupt von Glück reden kann – ist, dass es uns alle gleichermaßen trifft. Und ja, Krisen beinhalten auch Chancen, und wenn es nur die Chance ist, aus dieser Krise nun endlich zu lernen! Nicht von der Hand in den Mund leben, Krisen – welcher Art auch immer – in die Kalkulation mit einbeziehen, Rücklagen bilden, damit eine Krise nicht den eigenen Kopf kostet. Eigentlich das, was wir auch in unseren Seminaren immer versuchen zu vermitteln.
Ramin Dell: Sehe ich absolut so! Sorry, dass ich das jetzt hier so unverblümt formuliere. Aber eine schwere Krise wie die derzeitige könnte auch zu einer effektiven Marktbereinigung führen. Denn diejenigen, die nur einen ganz kleinen Umsatz nachweisen können und Geld vom Staat wollen, gucken spätestens jetzt in die Röhre. Das wäre mal wieder der Beweis, dass Gerechtigkeit doch irgendwann siegt.
Jochen Becker: Klingt jetzt hart, aber für mich steckt in jeder Krise der Erfolg von morgen, egal ob groß oder klein. Ich persönlich habe jedenfalls noch nie erlebt, dass etwas, das heute Scheiße war, nicht morgen mein größtes Gold gewesen wäre.
Hier findet ihr finanzielle Hilfe bei zwangsverordneter Salonschließung bzw. Quarantäne
Kurzarbeitergeld und Hartz 4: über www.arbeitsagentur.de: Alle Infos, Vordrucke, Videos, Dienststellensuche, Hotline: 0800 45555 20
Überbrückungsfinanzierungen: Die Landesbanken bzw. Bürgschaftsbanken bieten günstige Überbrückungskredite bei Liquiditätsengpässen. Dafür soll ein Fonds von über 20 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Infos hier: https://finanzierungsportal.ermoeglicher.de/, Hotline: 0800-0008327. Welcher Fonds und welches Programm jeweils individuell geeignet ist, könnt ihr außerdem bei eurer zuständigen IHK bzw. HWK erfragen.
Betriebsschließungsversicherung: Die Betriebsschließungsversicherung ist ein separat abschließbarer Baustein der gewerblichen Sachversicherung. Als Salonunternehmer könnt ihr euch bei eurer Versicherung erkundigen, ob dieser Passus in eurer Versicherung abgedeckt ist. Ein kurzfristiges Abschließen oder Aufstocken ist in häufigen Fällen auch noch möglich.
Stundungen: Einkommens- und Gewerbesteuervorauszahlungen sowie eventuell Sozialversicherungsbeiträge können auf Antrag beim zuständigen Finanzamt bzw. der Gemeinde herabgesetzt werden, aber Achtung: es handelt sich hierbei lediglich um eine Zeitverschiebung der Steuerzahlungen und keine Steuerreduktion. Rechtzeitig einen schriftlichen Antrag beim zuständigen Finanzamt stellen!
Entschädigungszahlungen wegen Tätigkeitsverboten: Hier greift im Fall von Corona das Infektionsschutzgesetz: Paragraph 56, für Angestellte, Arbeitgeber und Selbstständige: Der Antrag für eine Bestätigung, dass man sich in Quarantäne befindet, erfolgt über das Gesundheitsamt und den Hausarzt und muss innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Quarantäne erstellt werden. Für Selbstständige besteht auch die Möglichkeit, einen Antrag auf Erstattung der Betriebsausgaben zu stellen. Den Wortlaut dieses Gesetzes findet ihr hier. Und hier ist ein Beispiel für einen Antrag.
Weitere Links zum Thema:
www.Hwk.de/Corona https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html https://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_corona