„Der Friseur braucht den persönlichen Kontakt“
Keine Frage, der Großhandel gewinnt seit Jahren immer mehr Bedeutung in der Friseurbranche und hat sich dank seines immer breiter werdenden Sortiments und seiner wachsenden Serviceleistungen längst nicht nur aus den ihm anhaftenden Image des „Lieferanten für Spitzenpapier und Halskrause“ herausgemausert, sondern auch der Industrie Paroli geboten. Dennoch ist der Großhandel-Dschungel mit seinen vielen Gesellschaften, Genossenschaften, Firmen und Partnern für viele Friseure ein Buch mit sieben Siegeln. FMFM war zum Gespräch bei Ulrich Spohn, Geschäftsführer der bereits seit 110 Jahren bestehenden FPE, und einer von Dreien an der Spitze der CMC.
FPE? CMC? Oh jemine! Keine Sorge, wir klären auf…
Viel Verwirrung um viele Abkürzungen! Wie ist das denn jetzt mit der FPE und der CMC? Wer war zuerst da und wer gehört da wem und wer gehört da noch dazu und warum? FMFM hat jemanden gefragt, der es wissen muss!
Herr Spohn, bevor wir uns weiter durch das Interview „kürzeln“, wofür stehen die Kürzel CMC und FPE? Ulrich Spohn: Die Coiffeur Marketing Company (CMC) ist ein Kooperationsmodell, eine Gemeinschaft zur Einkaufsbündelung, bestehend aus derzeit 10 eigenständigen Partnern. Der größte Partner ist die FPE Friseur- und Kosmetikbedarf eG. FPE ist die historisch bedingte Abkürzung für Friseur- und Parfümerie Einkauf. Die FPE ist auf der genossenschaftlichen Idee aufgebaut. In unserer Satzung steht, dass wir die Interessen unserer Kunden vertreten. Wir haben fast 2000 Mitglieder und rund 22.000 Kunden. Innerhalb der CMC koordiniert die FPE auch den Import aus Drittländern wie z. B. Asien, China und den USA. Ebenso läuft über die FPE das Zentrallager in Chemnitz.
Heißt das, dass die Partner der CMC alles über die FPE an ihre Kunden versenden? Nein, die CMC ist eine noch dezentralisierte Organisation! Jeder hat sein eigenes Lager und versendet auch an seine Kunden. Das wird sich aber sicherlich im Laufe der nächsten Jahre ändern. Denn bereits ab nächsten Monat steht die Einführung einer gemeinsamen EAP-Software bevor, hier wird die FPE die Pilotfunktion übernehmen und als erster Partner damit arbeiten. So eine gemeinsame Software spart immense Kosten und jeder kann sie so nutzen, wie es seinen Bedürfnissen entspricht. Jeder Partner ist ja auch anders ausgestattet und hat unterschiedliche Bedürfnisse. In der FPE arbeiten wir ja schon länger mit der digitalen Auftragserfassung.
Wie muss man sich diese vorstellen? Der Außendienst erfasst vor Ort mit einem Tablet die Aufträge und schickt sie auf schnellstem Wege zu uns in die Auftragsbearbeitung, sodass wir in den meisten Fällen eine 24-h-Lieferung garantieren können. Weitere Vorteile: Die Vertreter sind durch die digitale Methode immer up to date, was Produktinformationen, Preise, Aktionen, Verfügbarkeiten etc. betrifft. Gerade im Hinblick auf Produktinfos müssen wir neuerdings einiges mehr leisten, vor allem nachdem sich die Industrie ja massiv zurückgezogen hat.
Wie meinen Sie das? Einer der wichtigsten Stärken des Großhandels ist unsere Außendienstpower. Der Friseur möchte trotz aller digitalen Möglichkeiten nach wie vor persönlich besucht werden. Dass die Industrie diese Betreuung aber immer weniger gewährleisten kann, ist ein offenes Geheimnis. Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahr so zwischen 160 bis 180 Außendienstmitarbeiter der Industrie nicht mehr im Markt unterwegs sind. Wir bei der FPE haben unseren Außendienst in den vergangenen Jahren hingegen um 40% aufgestockt.
Mit Exklusiv- und Eigenmarken punkten
Woran liegt Ihrer Meinung nach diese erstaunliche Entwicklung? Der Markt hat sich dramatisch verändert. Die Industrie hat große Probleme, da deren Produkte auf der ganzen Welt und vor allem auch online vertrieben werden. Preise sind da nicht mehr zu halten! Auch und gerade bei den Top-Marken bzw. früheren Top-Marken nicht, die sich einer immer drastischer werdenden Preisradikalisierung stellen müssen. Das ist in der Masse gesehen vielleicht gut für den Hersteller, aber nicht für den Friseur, denn der kann keine marktgerechten Preise mehr verlangen.
Wie reagieren Sie als Großhandelsunternehmen darauf? Indem wir schon seit Jahren den Fokus immer mehr auf Exklusiv- und Eigenmarken setzen. Wir haben zum einen die Eigenmarke Rondo als Vollsortiment, mit der wir beim Friseur vor allem durch das Preis/-Leitungsverhältnis punkten. Im Premium-Segment hingegen bieten wir unseren Kunden mit Davines eine friseurexklusive hochwertige Linie, die den aktuellen Ansprüchen auf Nachhaltigkeit in Sachen Verpackung, Inhaltsstoffen und Produktion entspricht. Sowohl die Friseure als auch die Endkunden spüren die Wahrhaftigkeit dieser Philosophie. In der neu gebauten Produktionsstätte in Parma ist z. B. alles nachhaltig: von der Produktion, über die Energie- und Wasserversorgung bis hin zu den verwendeten Inhaltsstoffen aus nachhaltigem Anbau.
Und über diese beiden Linien hinaus…? …verfügen wir über ein sehr breites Sortiment. Der Friseur erhält bei uns alles, was er für seine tägliche Salonarbeit benötigt. Alles aus einer Hand! Das ist ein weiterer großer Vorteil gegenüber dem Angebot der Industrie. Wir haben Lücken gefüllt, die hinterlassen wurden, ohne dass ich den Großhandel als Lückenbüßer bezeichnen würde. Der Großhandel hat zum Beispiel das Schulungskonzept seiner Außendienstmitarbeiter grundlegend verändert. Sie sind längst keine „Auftragsabholer“ mehr, sondern gezielte Verkäufer mit einem enormen Produktwissen und Beratungskompetenz. Ein weiterer Vorteil bei uns: Wir bieten eine bedarfsgerechte Liefersituation und kein Depotsystem, das den Kunden überfordert.
Aus- und Weiterbildung gewinnt an Bedeutung
Das bedeutet, der Kunde kann sich aus jedem Sortiment die Rosinen rauspicken? Nur da, wo es Sinn macht! Bei Davines zum Beispiel nicht! Da wollen wir keine Rosinenpickerei. Der Friseur muss sich hier entscheiden, welche Serie er nimmt. Alles andere macht ja auch keinen Sinn, denn hier muss die Serie insgesamt wirken und auch für den Verbraucher schlüssig sein.
Welche Serviceleistungen über das Sortiment hinaus bieten Sie Ihren Kunden? Unseren großen Sortimentskatalog sowie unseren Newsletter Friseur New Inpulse, der alle zwei Monate an die Kunden versendet wird. Auch der Aus- und Weiterbildungssektor spielt bei uns in der FPE eine immer wichtigere Rolle. Von Farb-, Schneide- und Hochsteckfrisur-Seminaren über Extensions- bis zu Nageldesign-Schulungen bieten wir für jeden etwas. 14 Trainer sind für uns unterwegs in den Regionen, um entweder direkt im Salon oder in fachlich nutzbaren Lokalitäten ihre Seminare durchzuführen. Außerdem kooperieren wir in diesem Sektor sehr erfolgreich mit Pivot Point. Immerhin können wir im vergangenen Jahr rund 3.400 Teilnehmer an unseren Seminaren, Events und Workshops verbuchen.
Die FPE engagiert sich auch insbesondere in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit… Ja, weil wir wissen, dass diese Themen alle angehen und das Bewusstsein hierfür sich immer weiter entwickelt. Wir unterstützen CO2- und Aufforstungsprojekte und haben hier bereits 30.000 Bäume pflanzen lassen. Darüber hinaus haben wir mit Davines das Konzept „Eco-Salon“ entwickelt, mit dem wir unsere Kunden darin unterstützen, ihren Salon ökologisch nachhaltig zu betreiben.
Wie wollen Sie das erreichen? Der Kunde wird über den Außendienst sowie mit einer Broschüre und Tipps aus dem Internet (salon-eco-tips auf www.davines.de) darüber aufgeklärt, wie er seine ökologischen Prozesse im Salon justieren kann. Das geht los beim Handtücher waschen übers Föhnen bis hin zu den Themen erneuerbare Energie, Recycling, Wahl der richtigen Produktgrößen, Vermeiden von Wegwerfprodukten etc. Ein weiteres Projekt im sozialen Bereich sind unsere Social Coins, die über die Davines-Produkte ausgegeben werden und mit denen der Endkunde online mitbestimmen kann, welche sozialen Projekte von uns unterstützt werden.
Alles für die Hairgötter
Womit hat der Großhandel momentan am meisten zu kämpfen? Unser größter Kampf ist der nicht wachsende Markt! Der Verdrängungswettbewerb hat enorm zugenommen, bekannte und wichtige Marken werden dabei preislich kaputt gemacht. Die Preisspirale bei marktführenden Produkten geht nach unten, was auch dem Großhandel mächtig Druck macht. Ein nicht wachsender Markt bedeutet letztendlich auch steigende Kosten.
Was unternehmen Sie dagegen, auch und vor allem von Seiten der CMC? Wir haben uns erst kürzlich mit unseren zwei größten Marktbegleitern, Gieseke und Euro-Friwa, zusammengetan und das Projekt „Alles für die Hairgötter“ entwickelt. Hier handelt es sich um eine gemeinsame Online-Imagekampagne, um Friseuren zu zeigen, von welchem großen Leistungsspektrum sie beim Großhandel gegenüber dem Onlinehandel profitieren. Das sind vor allen Dingen Branchenwissen, Innovationskraft, Gespür für neue Trends, fundierte Aus- und Weiterbildungskonzepte sowie die persönliche Beratung. Wir wollen dem Friseur zeigen, dass wir KEIN Internetgroßhandel sind, sondern mit Menschen vor Ort sind, damit unsere Kunden eine profunde Beratung erhalten und die Produkte riechen, anschauen und probieren können.
Vielversprechende Zukunft!
Herr Spohn, Sie sind bereits seit 1982 Geschäftsführer der FPE! Wie haben Sie in diesen Jahrzehnten die Entwicklung der Friseurbranche erlebt? Leider hat sich das Image unserer Branche nicht zum Positiven entwickelt. Rund einem Drittel der Betriebe geht es hervorragend. Diese Spitzenbetriebe haben ein starkes Konzept und sich in Zeiten, in denen andere ihre Lehrlinge ausgenutzt haben, auf hohem Niveau ausgebildet und sich selbst weitergebildet und -entwickelt. Sie erkennen die Bedürfnisse des Verbrauchers und worauf es ankommt, ein erfolgreicher Unternehmer zu sein, um gute Ergebnisse zu erzielen. Aber was sind schon ein Drittel? Bei der großen Masse mangelt es viel zu häufig am Unternehmertum. Denn leider ist es nach wie vor so, dass man sich beim Friseur die Haare schneiden lässt und beim DM seine Pflegeprodukte kauft. Ein Drama! Und das der Produktverkauf im Salon funktionieren kann, sehen wir an unserer Marke Davines, die einen extrem hohen Verkaufsanteil aufweist!
Großhandel, quo vadis? Der Großhandel hat sich längst zu neuen Ufern aufgemacht. Wir konnten die Nähe zum Friseur herstellen und geben unseren Kontakten ein Gesicht, weil der Friseur das braucht. Dieser persönliche Kontakt und die professionelle Beratung zusammen mit der breiten Sortimentspalette, in die sich der Friseur einsortieren kann und wo ihm keine Marke aufgedrückt wird, garantieren dem Großhandel eine vielversprechende positive Zukunft! Nicht umsonst läuft das Uhrwerk FPE bereits seit 1906 und wird sicherlich noch einige Jahre weiterlaufen…
Ulrich Spohn, Geschäftsführer der FPE und CMC
Geboren: in Reutlingen, geboren in eine Familie von Kaufleuten Beruflicher Werdegang: BWL-Studium über den zweiten Bildungsweg seit 1983 Geschäftsführer der FPE Privat verheiratet, 2 Kinder und 3 Enkelkinder
Ulrich Spohn im Interview mit Gabriela Contoli