„Die Barberszene hat an Vertrauen eingebüßt!“

FMFM -konkret-Yusuf
Yusuf Degerli startet mit seinem Salon "TED Friseure" im nordrhein-westfälischen Werther neu durch.
TED Friseure
Yusuf Degerli startet mit seinem Salon "TED Friseure" im nordrhein-westfälischen Werther neu durch.

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In der Friseur-, vor allem der Barberbranche, gibt es wohl kaum jemanden, der ihn nicht kennt: Yusuf Degerli. Jahrelang war er Mastertrainer von American Crew, gehörte als erster Deutscher zu den "American Crew Allstars" und hat unzählige Promis frisiert. Nun hat Yusuf einen Friseursalon in Werther in Nordrhein-Westfalen übernommen und die Trainertätigkeit erstmal zurückgeschraubt. Wie es dazu kam und warum er die Entscheidung keineswegs als Rückschritt sieht, hat er FMFM-Autorin Daniela Hamburger erzählt.

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Lieber Yusuf, Du giltst fast schon als „Trainerlegende“, jahrelang war American Crew ohne dich nicht denkbar. Warum nun der Schritt zum eigenen Salon?

Bereits vor der Corona-Pandemie hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mich selbstständig zu machen, und verschiedene Objekte besichtigt. Mit dem Ausbruch der Pandemie musste ich das Projekt jedoch zunächst pausieren. Als ich dann Ende letzten Jahres in meinem Ausbildungsbetrieb einen Termin zum Haareschneiden hatte, erzählte mir meine damalige Chefin, dass ihr die Verantwortung für den Salon und die zehn Mitarbeitenden zu viel geworden sei. Das bot mir die Gelegenheit, ihr die Übernahme des Salons vorzuschlagen – und so kam es schließlich dazu.

Traumerfüllung: Kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt

Unverschämt gefragt: Ist das nicht ein Rückschritt – von der internationalen Karriere in einen Kleinstadtsalon?

Unser Salon mag in einer Kleinstadt liegen, aber er ist kein typischer Kleinstadtsalon. Ein Sterne-Restaurant muss auch nicht in einer Großstadt angesiedelt sein, um erstklassig zu sein. Es geht weniger darum, wo man sich befindet, sondern vielmehr darum, wer man ist und welche Qualität man bietet. Für gute Dienstleistungen nehmen Menschen gerne auch einen etwas weiteren Weg in Kauf. Ich habe Werther während meiner Ausbildung sehr schätzen gelernt, da hier vieles persönlicher ist. Die Anonymität einer Großstadt liegt mir nicht. Es ist ein schönes Gefühl, nach 16 Jahren immer noch Kunden zu erkennen – und umgekehrt. Kürzlich kam ein Kunde zu mir, dem ich zuletzt als Fünfjährigem die Haare geschnitten hatte. Als er hörte, dass ich wieder hier bin, hat er sofort einen Termin vereinbart. Ihm nach all den Jahren wieder die Haare schneiden zu dürfen, war eine besondere Freude. Seinen Traum zu erfüllen ist für mich kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt. Alles, was ich in den letzten 15 Jahren als Trainer gelernt habe, kann ich nun in meinem eigenen Salon umsetzen. Ich habe zahlreiche andere Salons geschult, doch die Erkenntnisse, die ich in dieser Zeit selbst gewonnen habe, sind unbezahlbar.

Und warum gerade jetzt eine Salonübernahme? Schließlich ist die Zeit für Friseurunternehmer*innen sehr herausfordernd – Stichwort Mitarbeiter- und Nachwuchsmangel, Zunahme von umsatzsteuerbefreiten Mikrobetrieben usw.

Herausforderungen gab es schon immer, und irgendwie ist nie der “richtige” Zeitpunkt, wenn man andere fragt. Wichtig ist, aus der jeweiligen Situation das Beste zu machen. In meinen 15 Jahren als Trainer habe ich gelernt, dass die Salons, die auf Qualität und Service setzen, besser mit Problemen umgehen und langfristig erfolgreich sind.

Bist Du denn weiter als Trainer tätig?

Ja, ich bin nach wie vor als Trainer aktiv – sei es in Salons zur Schulung von Teams oder auf Events auf der Bühne. Der große Vorteil ist, dass ich jetzt jeden Salon schulen kann, ohne an eine Marke gebunden zu sein. Viele frühere Kollegen haben sich bereits bei mir gemeldet und gefragt, ob ich ihr Team wieder schulen könnte. Mein Fokus lag nach der Übernahme des Salons jedoch zunächst auf dem Geschäft und dem Umbau, den wir zum 1. September abgeschlossen haben. Jetzt, da alles gut läuft und ich ein eingespieltes Team habe, das den Salon auch in meiner Abwesenheit erfolgreich weiterführt, habe ich wieder mehr Freiheiten, um mich verstärkt der Trainertätigkeit zu widmen.

Außergewöhnlich in der Qualität

Welches Konzept fährst Du mit Deinem Salon, was möchtest Du erreichen, worauf kommt es Dir an?

Unser Salon bietet sowohl einen Damen- als auch einen separaten Herrenbereich. Mir war es wichtig, zunächst die bestehende Kundschaft zu verstehen und zu überlegen, welche Zielgruppen wir noch ansprechen möchten. Dies hat auch den Umbau geprägt. Ich wollte keinen ultramodernen Salon mit Neonlicht und dunklen Farben, aber auch keinen traditionellen Barbershop. Stattdessen haben wir uns für eine schlichte Eleganz entschieden, die sowohl im Damen- als auch im Herrenbereich für anspruchsvolle Kunden attraktiv ist. Der Unterschied zwischen einem gewöhnlichen und einem außergewöhnlichen Salon liegt in der Qualität der Dienstleistungen und im Service. Dies sind auch die Faktoren, die bei der Wahl des Arbeitsplatzes für qualifizierte Friseur*innen entscheidend sind. Man muss als Arbeitgeber*in attraktiv sein, um Mitarbeitende zu gewinnen und genau das ist unser Ziel. Mein Team ist gut ausgebildet, aber Weiterbildung bleibt für mich ein zentrales Thema. Mein Motto lautet: „Wer glaubt, gut zu sein, hat aufgehört, besser zu werden.“ Daher haben meine Mitarbeitenden die freie Wahl bei Fortbildungsmaßnahmen. Wir haben zudem verschiedene Serviceprozesse eingeführt, die nun schrittweise umgesetzt werden. Doch auch hier gilt: Ein Konzept ist nur so erfolgreich wie seine konsequente Umsetzung.

Ihr werdet also nicht nur männliche Kunden anspechen? Schließlich ist das als Barber ja dein absolutes Spezialgebiet…

Nein, wir haben zehn Bedienplätze im Damen- und zwei im Herrenbereich. Den Herrenbereich betreuen hauptsächlich eine Kollegin und ich, während der Rest des Teams überwiegend im Damenbereich arbeitet. Dennoch schneide ich auch Damen die Haare und umgekehrt übernehmen meine Kolleginnen auch Herrenfrisuren. Trotzdem bin ich ein Freund von Spezialisierungen. Schließlich geht man mit Magenschmerzen auch nicht zum Augenarzt.

Mit welchen Marken arbeitest Du zusammen?

Aktuell arbeiten wir mit American Crew, Wella, Authentic Beauty Concept und Great Lenghts. Das war der Stand bei der Übernahme des Salons, und wie wir uns zukünftig positionieren, wird sich noch zeigen. Wichtig war mir, markenunabhängig zu bleiben, allerdings halte ich nichts von einem “Gemischtwarenladen”.

Gutes Barberhandwerk muss vielseitig sein

Du giltst als einer der besten Barber Deutschlands. Was macht gutes Barberhandwerk für Dich aus?

Definitiv die Vielfalt. Barberhandwerk bedeutet weitaus mehr, als nur die Seiten kurz zu schneiden. Es geht darum, typgerecht zu arbeiten, jede Haarlänge und -struktur zu beherrschen und einen erstklassigen Service zu bieten. Ich begann meine Tätigkeit als Trainer, noch bevor der große „Barber-Hype“ entstand. Es hat mich immer gestört, dass mit „Barbering“ häufig nur ein Stereotyp verbunden wird.

Wie schätzt Du die Barberszene derzeit ein? Vor allem die migrantische Barber-Community wächst ja enorm…

Die Barberszene hat durch einige negative Vorfälle im Bereich der Hygiene, wie Berichte über Hautpilzfälle, an Vertrauen eingebüßt. Häufig wird dabei pauschal über „Barbershops“ berichtet, was das Image vieler Läden beschädigt hat. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Geschäften. Gute Barbershops legen großen Wert auf Hygiene und setzen Standards, die sie von den weniger gewissenhaften Wettbewerbern unterscheiden. In einem professionellen Barbershop werden Werkzeuge nach jedem Kunden sorgfältig desinfiziert. Auch wir desinfizieren nach jedem Kunden die Werkzeuge mit Novicide Blade Care, und es wird darauf geachtet, dass jeder Kunde einen frischen Umhang erhält. Hygienepläne werden eingeführt und strikt eingehalten. Zwar mag das Thema Hygiene nicht besonders attraktiv erscheinen, es ist jedoch essenziell, um Vertrauen aufzubauen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Barbershops, die auf Qualität, Weiterbildung, Hygiene und erstklassigen Service Wert legen, werden sich langfristig in der Branche durchsetzen.

„Für manche Barbershops wird es schwierig werden, sobald der Trend der kurzen Seiten vorbei ist“

Und wie siehst Du die Zukunft des Männermarkts, wo wird er sich hin entwickeln?

Es wird Barbershops und Salons geben, die sich am Markt behaupten können, während es für andere schwierig wird, sobald der Trend der kurzen Seiten vorüber ist. Zwar kann niemand die Zukunft voraussagen, aber Trends neigen dazu, sich zu wiederholen. In der Vergangenheit gab es Epochen, in denen Männer kurze Seiten trugen, gefolgt von Zeiten, in denen längeres Haar bei Männern wieder angesagt war – teilweise sogar länger als bei Frauen.

Der Fade-Schnitt ist kein flüchtiger Mikrotrend wie der Mullet, sondern ein langfristiger Makrotrend. Dennoch wird auch dieser Trend irgendwann zu Ende gehen, und der Wandel hat bereits begonnen. Gerade bei der jüngeren Generation spielen Mikrotrends eine bedeutende Rolle. Ob inspiriert durch ein Fußballidol, einen Influencer oder eine andere angesagte Persönlichkeit – die Kunden kommen oft mit Bildern von Frisuren, die man noch nie gesehen hat und deren Namen unbekannt sind. Trotzdem müssen Barbier*innen und Friseur*innen in der Lage sein, diese Trends umzusetzen.

Wer nicht auf diese Entwicklungen vorbereitet ist, wird schnell ins Hintertreffen geraten. Barbershops stehen dann vor denselben Herausforderungen wie früher, als plötzlich lange Haare in Mode kamen oder Friseursalons als der Fade-Schnitt sich durchsetzte. Der Kunde sucht sich immer jemanden, der seine Wünsche erfüllen kann. Deshalb bleibt Weiterbildung das A und O, um am Markt zu bestehen – allerdings sollte man sich besser frühzeitig darauf vorbereiten, bevor die Kunden sich bereits einen anderen Salon gesucht haben.