Ein Haarschnitt für die Seele! Liebe Friseure, bitte kommt weiterhin ins Ahrtal!
FMFM-Artistin und Barberangel Ute Ganser-Koll fährt seit Monaten regelmäßig in das von der Flut zerstörte Ahrweiler, um gemeinsam mit Kolleg*innen aus ganz Deutschland ehrenamtlich den traumatisierten Opfern der Naturkatastrophe vom Juli mit einem kostenlosen Haarschnitt ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. "Leider lässt die Hilfsbereitschaft inzwischen deutlich nach", bedauert die engagierte Friseurmeisterin, die das seelische Leid der Betroffenen - und hier insbesondere der älteren Menschen und Kinder – nicht mehr loslässt!
Noch immer ist das von der Flut zerstörte Ahrtal weit entfernt von jeglicher Normalität: Von den rund 42.000 Betroffenen haben mindestens 17.000 ihr Hab und Gut verloren bzw. durch die wütenden Wassermassen erheblichen Schaden genommen. 8.800 Gebäude wurden gering bis stark beschädigt, komplett zerstört oder mussten abgerissen werden. Außerdem traf die Flut in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli etwa 3.000 Unternehmen, darunter 56 Friseurbetriebe!
Ute, was motiviert dich immer wieder, an deinen freien Tagen ins Ahrtal zu fahren? Ute Ganser-Koll: Ganz klar, die Dankbarkeit der Menschen, denen wir mit einem neuen Haircut oder frischen Styling wieder ein Stück Lebensqualität schenken! Dabei sind es gar nicht in erster Linie unsere Dienstleistungen, mit denen wir die zum Teil schwerst traumatisierten Menschen in Ahrweiler glücklich machen.
Sondern? Wir spüren, es ist vielmehr die Zuwendung, die wir den Menschen geben, ihnen zuhören, dabei den einen oder anderen Ratschlag geben oder sie einfach mal in den Arm nehmen – jawohl, trotz Corona!
Die Katastrophe ist jetzt über 5 Monate her. Hat sich denn noch so wenig getan seitdem? Unvorstellbar, aber viele Menschen, die zu uns kommen, haben immer noch kein warmes Wasser und keine Heizung. Bei anderen laufen nach wie vor die Bautrockner, da die Häuser bei dem Wetter einfach schlecht trocknen. Besonders ältere Menschen, die nicht vernetzt sind, mit dem Internet nicht umgehen können und keine Kinder haben, die ihnen helfen, stehen noch ganz am Anfang und sind völlig verzweifelt.
Wo leben denn diese Menschen jetzt? Teilweise wohnen sie in einem der oberen Stockwerke ihrer zerstörten Häuser, in denen sich Keller, Erdgeschoss, etc. im Rohbau befinden. Viele haben einen Wohnwagen vor ihrem zerstörten Haus stehen oder leben in Containerhäusern. Das sind alles Notunterkünfte, die jeglicher Normalität entbehren.
Friseure sind ja bekanntlich gute Zuhörer! Aber mit dem, was ihr dort leistet, das geht doch sicherlich auch an eure seelische Belastungsgrenze! Ja, die Geschichten, die uns die Gäste in unserem Salon-Container erzählen, gehen zum Teil sehr unter die Haut! Stundenlang Todesängste ausstehen zu müssen und dann alles zu verlieren außer dem, was man in dieser Nacht am Körper trug, ist einfach unvorstellbar! Wir bedienen auch immer wieder Menschen, die auch Menschen verloren haben. Das ist schon sehr belastend!
Bei deinen Einsätzen als Barberangel bist du ja Kummer gewohnt. Was hat dich denn in Ahrweiler bisher am meisten berührt? Die Gespräche mit unseren Gästen sind alle sehr emotional, aber das Herz zerreißt es mir insbesondere, wenn wir Kindern die Haare schneiden, während der Regen aufs Containerdach prasselt und sie dann spürbar nervös werden. Ein Kind hat neulich seine Mama gefragt, ob jetzt wieder die Flut kommt…
Ist der Ansturm eurer Gäste denn selbst nach diesen vielen Monaten ungebrochen? Ja, die Menschen sind so dankbar, dass es uns gibt und sie eine Anlaufstelle haben. Mal den Duft eines leckeren Shampoos zu riechen statt Schlamm und Baustellengeruch und sich etwas Gutes tun dürfen, z. B. eine wohltuende Kopfhautmassage. Das gibt zumindest für einige Zeit eine neue Lebensqualität zurück. Leider lässt die Hilfsbereitschaft unter den Friseuren nach. Das ist total schade, denn der Bedarf ist tatsächlich ungebrochen!
Was macht ihr mit den vielen Spenden, die euch erreichen? Wir haben ein Treuhandkonto angelegt und setzen das Geld 1:1 für die vor Ort betroffenen Salons ein. So konnten wir z. B. schon für drei Friseurbetriebe aus Bad Neuenahr-Ahrweiler jeweils für drei Monate die Miete für Container übernehmen, die in deren Salonnähe aufgestellt wurden und in denen die Teams jetzt arbeiten können, bis die eigenen Salons wiederhergestellt sind. Die Spendenbereitschaft sowohl unserer Gäste, der Friseurkolleg*innen in ganz Deutschland als auch der Friseurindustrie ist enorm! Es wurden sogar ganze Saloneinrichtungen gespendet!
Wer organisiert das eigentlich alles? Die Firma JOLA-Rent rund um Janine Kloss aus Rösrath bei Köln. Janine ist keine Friseurin, engagiert sich aber seit August beispiellos für die Flutopfer vor Ort. Das Unternehmen, das mit seinem Equipment wie Sattelauflieger, Container etc. eigentlich an Filmsets zuhause ist, sorgt seit August in Ahrweiler dafür, dass wir Friseure in einem komplett eingerichteten Salon den Menschen dort ein Stück vom Glück schenken können.
Welche Rolle spielt Corona? Wir haben gleich neben unserem mobilen Salon eine offizielle Teststation. Bei uns im Container gilt die 2G+-Regel sowie FFP2-Maskenpflicht.
Wie lange wird der mobile Salon noch vor Ort sein? Hoffentlich noch solange wir dort gebraucht werden! Und solange Friseure kommen, um zu helfen. Leider hat das in den letzten Wochen sehr nachgelassen. Es kommen immer dieselben! Wir machen jetzt erstmal Pause bis 8. Januar. Am 9.1. öffnet JOLA-Rent wieder seine Tore für uns und unsere Gäste. Es wäre schön, wenn sich viele weitere Kolleginnen und Kollegen bereit erklären würden, vor Ort zu unterstützen. Jeder wie er kann und Zeit hat! Die Dankbarkeit der Menschen hier entschädigt für alles!
Aufruf an alle Friseurinnen und Friseure! Bitte helft mit!
Wer das Friseurteam in Ahrweiler ab dem 9.1. unterstützen möchte, schickt bitte eine Nachricht an JOLA-Rent. Dort gibt es dann weitere Infos. Bitte dazu auf die Facebookseite gehen: https://www.facebook.com/JOLARENT