„El Presidente“ oder „Die Innung braucht DICH!“

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„Die Innung brauche ich wie der Fisch das Fahrrad“. So oder ähnlich denken viele Friseur*innen. FMFM Artist Andi Ehrle übrigens auch. Zumindest bis vor einiger Zeit. Bis eine spannende Erkenntnis diese Haltung extrem veränderte. Andis Wandel von Saulus zum Paulus oder die schier unglaubliche Story vom „El Presidente“.

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Es ist eigentlich ein ganz normaler Dienstag am 13. Mai in diesem bis jetzt so verregneten Frühsommer um 21 Uhr, als die Entscheidung fällt. Ich sitze im hohen, großen Raum der Kreishandwerkerschaft Tübingen. Den Durchblick, wie das hier abläuft, habe ich noch nicht so richtig. Ich bin ja auch noch recht neu hier. Einige Friseure aus unserer Hood um mich herum. Ein paar von ihnen kenne ich gut, ein paar von ihnen leider nur mit Namen und Gesicht dazu und ein paar wenige von ihnen gar nicht. Ruhe und Unruhe. Das kenne ich so schon lange nicht mehr bei mir. Eigentlich habe ich mich da immer unter Kontrolle und bin bei mir, bei all dem Wilden, das ich nun schon seit so vielen Jahren erlebt habe, aber heute? Heute ist die Jahresversammlung mit dem Extra-Programmpunkt der Wahl zum neuen Obermeister. Seit kurzer Zeit wissen wir, dass unser Präsident dieses Amt abgeben möchte. Andreas Pressler ist ein guter Mann. Er war in der kurzen Zeit, seit ich in der Innung bin, immer loyal zu mir. Er hatte immer das Glänzen in den Augen, wenn er und ich über Zukunft, Ideen und meinen Tatendrang sprachen, und er steht hinter mir. Ein Typ, zu dem ich aufsehe, ein echter Präsident eben…

Die Innung und ich

Innung? Das war echt ein Fremdwort für mich. Ich war schon immer ein Einzelplayer. Ein Kerl, der die Dinge schnell fühlt, nicht so lange drüber nachdenkt und sie ausprobiert, ohne die Angst, zu versagen. Eben ein Typ, der unter Volllast so richtig durchzieht. Zehn-Stunden-Tage waren wie Freihaben für mich. Die Dinge, die ich wollte, traute ich mich mit dem Motto „Am Ende bereust du nicht das, was du gemacht hast, sondern das, was du nicht gemacht hast.“ Also: Just Do it!

Innung, ein Verein oder Stammtisch mit Friseuren, die in die Jahre gekommen sind? Dann noch einen Beitrag dafür zahlen und die Zeit totschlagen bzw. sie absitzen. Nein, danke! Was soll ich da, was wollen die von und mit mir? Das brauche ich nicht, das ist null mein Ding und bringt mich nicht voran. Dachte ich mir immer. In der Pandemie wurde mir aber zum ersten Mal bewusst, dass du von der Handwerkskammer keinen Support, keine Infos und nichts, was dir in der Not helfen könnte, bekommst. Stopp, stimmt nicht ganz. Eines Tages im Lockdown bekam ich Post. Ich dachte, vielleicht so ein „Regelwerkszettel“, der uns hilft, wenn wir wieder aufmachen dürfen. Was, wie, welche Auflagen, Abstände etc. War es aber nicht, es war die Rechnung. „Fuck“, dachte ich mir. Das kennt ihr bestimmt auch noch. Echt jetzt, das ist alles. Was da kommt? Das soll hier keine Anklage sein. Ich würde mir aber einfach mal mehr Aufklärung und Transparenz wünschen, wieso und weshalb wir denn Mitglieder in der HWK sein und, wie ich finde, hohe Beiträge zahlen müssen. Wo ist unser Mehrwert definiert? Bitte einfach nur zum Verstehen. Eine Chance für euch. Auch deshalb kommen viele nicht in die Innung. Überall zahlen, geht halt auch nicht. Wie und von was denn auch? Ich dachte mir aber damals: „Wo zur Hölle bekommen die Anderen denn die Infos nur her?“

Mein erstes Mal

… von der Innung! Ja, das ist so. Das wurde mir aber erst bewusst, als ich für ein Treffen der Innung angefragt wurde, um eben dort über Nachhaltigkeit im Friseursalon zu berichten. Das ist ein Thema, das sehr stark bei mir im Salon vertreten ist. Ich dachte mir, geh hin, quatsche ein paar Takte darüber. Das ist eine Bühne, auf der du dir weitere Sicherheit für deine Bühnen holst. So war es dann… Nachdem ich den Leuten von der Innung alles erzählt hatte und im selben Zug auch ein paar Fragen und meine Kritik an der Innung bzw. der großen Frage: „Was bringt mir das denn hier?“ losgeworden war, stand mein Ex-Chef auf. Er war 1996 mein Ausbilder, der Mann, zu dem ich schon immer aufschaute, und er sagte: „So einen Typen wie Andi brauchen wir hier. Der mischt auf, der ist laut, der ist anders und der sollte der Markenbotschafter für die Innung sein.“ Ein paar Wochen später wurde ich es. Den Titel Artdirector, der offiziell vergeben wird, gab es noch oben drauf. Das fühlte sich gut an: In einem Zusammenschluss erfolgreicher Friseure aus deiner Region einen bzw. zwei Titel zu haben. Damit kann man doch arbeiten, und das war ja mein Ziel. Etwas zu ändern. Die Dinge anzunehmen, in die Hand zu nehmen und Lösungen zu suchen, dort, wo andere keine Lösung mehr haben. Ich überlegte mir, wie ich anfange. Dabei sein und nichts tun – das geht halt eben bei mir null. Ihr wisst ja alle, wir haben ein Hauptproblem: den fehlenden Nachwuchs. Wo sind die jungen Leute? Wer will denn noch hinter dem Stuhl stehen, sich die Hacken wund stehen und die Bandscheiben platt machen, und das alles für ein mieses Gehalt, kein Standing, keine Wertschätzung und auch keine Anerkennung von außen. Kommentare hierzu wie immer gerne unten im Feed, Leute.

Meine Chance: Tradition trifft auf Rebellen!

Schon immer war ich anders, schon immer war ich aber auch irgendwie ich. Es ist zwar schwieriger, wenn du gegen die Wellen im Meer schwimmst, um ans Ufer zu kommen. Aber wenn du es schaffst, dann bist du eben nicht eins der vielen weißen Schafe, sondern das Schwarze. „Du lachst über mich, weil ich anders bin, ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid.“ Das ist auch schon lange eines meiner Mottos. Also habe ich nun die Chance, aufzumischen. Das wird von mir erwartet. Dafür stehe ich. Deshalb holen die mich und deshalb bekomme ich den Titel. Die Tradition trifft auf den Rebellen. Innung ist Tradition über hundert Jahre. Den Rebellen bekommst du mit mir! In den nächsten Monaten wurde ich relativ schnell, zusammen mit Eckhard Riedel, der stellvertretende Obermeister. Geil, dachte ich mir. Gänsehaut. Das öffnet auch wieder andere Türen. Und so ist es auch. Ich rockte die ISMMA in Saarbrücken mit Politiktalk als Moderator. Das war heftig und ein Megajob, den ich annehmen musste. Den hätte ich auch ohne den Innungstitel bekommen, da Vincenza (die Hauptgründerin der ISMMA) mich unbedingt hierfür wollte und schon lange davor auf dem Schirm hatte. Nach unserem ersten und sehr langen Telefonat wusste ich, dass ich es machen muss! So viel Herzblut und Feuer steckte in Ihrem Plan.

On Stage war es dann aber gleichzeitig ein Gefühl von dem „Tiger im Haifischbecken“ mit Wirtschaftsminister und Bildungsministerin und dem Auftrag, da eben auch Kontra zu geben. Unsere Forderungen deutlich zu stellen und nach vorne zu bringen. 8 Personen in einem Talk. Das macht kein Markus Lanz. Und hey, ich bin ja nur der Andi aus Tübingen. Aber so lernt man es, so lebt man es. Ein heftiger Moment in meinem Leben, und glaubt mir, da war schon so viel Wildes davor.

Zurzeit moderiere ich Innungsveranstaltungen von anderen Innungen oder komme als Markenbotschafter unseres Jobs und war erst vor Kurzem in der Schule für den Beruf-Orientierungstag. Wir präsentieren unser Handwerk, wir präsentieren unseren Job. Wir sind die, die dafür verantwortlich sind, ob es überhaupt weitergeht mit uns Friseuren. Näher gehe ich heute und hier darauf nicht ein. Den Stiefel kennt Ihr alle zur Genüge. In der Schule nahm ich eine Podcastfolge hierzu mit über zwanzig Schülern mit ihren Zielen, Wünschen und Träumen auf. Die jungen Menschen öffneten mir die Augen, weiteten meinen Horizont. Ich dachte, Vier-Tage-Woche, Work-Life-Balance, wenig arbeiten und viel fordern… Von wegen! Sie waren toll und wussten zum Großteil schon, wo sie sich sahen.

Als Vorbild zum Bild

Zum Glück spüre ich in den letzten Jahren bei allem Schlechten auch einen Wandel in unserer Branche. Eins ist schon immer klar: Junge Menschen träumen doch noch von Vielem. Ich wollte früher von Fußballstar oder Tennisprofi bis hin zum Rapp-Star schon alles werden. Die Illusion ist etwas, was man sich schon früh einredet. Aber die Illusion ist auch das, was nicht sterben sollte. Sie dient dem Antrieb für Dich selbst. Ein eigenes Haus, schnelle Autos, die besten Klamotten und teure Uhren!

Das ist doch das, was den Youngstern durch die Medien wie Instagram, TikTok und andere Plattformen vorgelebt wird. Als ganz normal eingetrichtert wird. Viele wollen Star sein, ohne jemals einer in der Realität werden zu können. Stimmt so aber auch nicht ganz: Wenn du es in unserem Job richtig machst, gut ablieferst und das gibst, was der Kunde fordert, dann kannst du auch als „nur Friseur“ schon richtig gut leben. Wir sollten uns endlich nicht mehr schämen, wenn wir etwas erreicht haben, uns das Traumauto oder die Luxusuhr oder was auch immer leisten können. Endlich schaffen wir das mit dem richtigen Einsatz. Leider zeigt sich in der heutigen Zeit der Erfolg oft nur durch das, was du hast, nicht durch das, wer du bist. Zeigt, was ihr habt, zeigt, wer ihr seid, und ihr werdet sehen, dass uns junge Menschen als Vorbilder ansehen. Schauen auf zu uns und stärken dadurch unseren „sterbenden Beruf“, in dem Sie eben genau so sein wollen, wie wir sind.

Rockstars mit der Schere in der Hand

Das ist doch ein realistisches Ziel. Bock auf Friseur! Am 20.10 wird übrigens Tübingen zum Brennen gebracht. Roberto Laraia mit seinen Leuten der Innung Reutlingen und unserer Innung Tübingen mit geilem Team machen zusammen die Release-Party unserer neuen Reihe „Bock auf Friseur!“ Ein Sonntag, an dem es vom frühen Abend an bis spät in die Nacht um das Thema „Der neue Weg in deine Zukunft“ geht! Ein Erlebnis, das Ihr nicht vergesst! Ich möchte an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten, aber Roberto, ich und wir alle zusammen wollen das Ding wild aufmischen und der Nation zeigen, dass wir die Zukunft neu formen können.

Aber eins ist klar: Es steht und fällt mit eben genau den tollen Friseuren, die in unseren Innungen mit uns sind. Es geht nur miteinander. Ein Solo-Player-Ding an dieser Stelle funktioniert nicht. Wir müssen den Nachwuchs auf die Bühne bringen, ihnen das Backup und unser Know-how in der Verbindung mit unserem breiten Rücken und auch der Sicherheit, Fehler machen zu dürfen, geben. Nur so geht es, nur so atmet es weiter. An dieser Stelle: Danke an alle aus unseren Teams!

Warum nennt mich fast jeder „el presidente“?

Am 13. Mai fiel der Hammer für mich. Ich habe selten in meinem Leben so viele Glückwünsche bekommen wie zu diesem Amt und diesem Titel. Eigentlich bin ich ja ab nun der Obermeister der Friseurinnung Tübingen, aber irgendwie nennt mich keiner so. Der Präsident oder „el Presidente“, das ist das, was ich dauernd höre. So nennt Ihr mich, so nehme ich es an, und so werde ich es fühlen. Das baut sogar bei mir im Unterbewusstsein den Druck auf, abliefern zu müssen. Druck kenne ich so nicht, weil ich da sonst immer easy mit mir selbst bin. Ganz ehrlich und ohne Blatt vor dem Mund: Es ist aber nicht einfach, denn dieses Schiff ist ja schon seit Jahren am Sinken. Ich habe selten so viel Gratulation und im selben Zug auch den Gegenwind bei etwas wie eben hier bekommen. Die Leute meinen die Reihe durch, dass dieses Ding nicht mehr zu retten ist. Aber warum? Ganz ehrlich, denkt doch mal um, kommt raus aus eurer Komfortzone und nutzt einfach das, was ihr könnt. Ich mag dieses negative Denken nicht. Das ist so eine deutsche Art, immer erstmal dagegen zu sein. Gleichzeitig motiviert das doch, wenn du den Biss, den Drive hast und noch hungrig bist. Und glaubt mir eins: Wenn du in einer Schlacht bist und nicht kämpfst und aufgibst, bevor du aufs Feld ziehst, dann hast du schon verloren, bevor du es probierst. Kampflos aufgeben ist gegen meine Erziehung, gegen mein Gefühl und auch gegen das, wofür meine Person steht. Am 13. Mai dieses Jahres um 21 Uhr fiel der Hammer für mich. Nun ist der Hammer in meiner Hand und glaubt mir eins: Ich werde mehr als alles geben! An neuen Ideen und an Vorhaben fehlt es mir nicht. Das Problem ist einfach die Zeit. It’s not a race, it’s a journey! Mal sehen, wo die Reise hingeht.

Ich wünsche mir für alle Innung einen Wandel, ein Umdenken und die Chance, dass es eben mit frischem Blut weitergeht. Ich habe eine Liste von Leuten, Friseuren und Freunden aus vielen anderen Städten im Kopf, die alle in ihrer Innung so brennen und Gas geben könnten. Eines meiner großen Ziele ist es, die bessere Zusammenarbeit und die Vereinigung der Innungen auf den Weg zu bringen. Gemeinsam sind wir viel stärker, haben eine andere Lobby und ein mächtiges Auftreten nach außen. Wir sind Friseure, wir müssen endlich gesehen, gehört und ernstgenommen werden. Zeiten ändern sich, und Zeiten ändern dich! Ich danke allen, die an mich glauben und mit mir auf der Welle rocken!

Es ist unsere Zeit, neue Wege zu gehen…

Euer Andi