„Erfolgreiche Menschen haben mehr Scheiße gefressen als alle anderen“

Ist eine Erdbeerschnitte nach 25 Jahren noch gut? Aber so was von! Cihan Buluts Ludwigsburger Salon gibt es im April 2025 tatsächlich schon seit einem Vierteljahrhundert! Und das Unternehmen spielt nach wie vor in der ersten Liga der deutschen Salons. FMFM hat mit dem superkreativen Friseurunternehmer und Coach Cihan über hohe Ansprüche, Führung, Erfolg und Werte gesprochen.
„25 Jahre und immer noch Champions League“ – Cihan Bulut ist der Stolz auf seine Unternehmensgeschichte anzumerken. Und das mit Recht: Sein Salon Erdbeerschnitte ist als Kreativschmiede für innovative Ideen bekannt, er gibt sein Wissen als Senior Business Coach (IHK) an Berufskolleg*innen weiter und seine treuen Kund*innen sind bereit, für die Dienstleistungen durchaus überdurchschnittlich hohe Preise zu bezahlen.
Liebt Job wie am ersten Tag
Dabei wollte Cihan erstmal eigentlich gar nicht unbedingt Friseur werden: „Als ich 15 war, war mein Bruder Modell in einem angesehenen Salon. So kam ich zufällig mit dem Beruf in Kontakt. Da ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte, dachte ich, ich probier’s mal aus. Als ich mich dann mit nur einem männlichen Kollegen in der Berufsschulklasse umringt von 24 Mädels sah, wusste ich: Jackpot!“, lacht Cihan. „Schnell fand ich dann heraus, dass ich ein Händchen für den Beruf habe. Und heute mache ich den Job noch immer genau so gerne wie am ersten Tag“, strahlt er.
„Ohne solides Fundament keine Spezialisierung“
Während seiner Ausbildung sorgte sein damaliger Lehrmeister dafür, dass Cihan das klassische Wettbewerbsfrisieren durchlief: „Von kleinen Wettbewerben bis zur Landesmeisterschaft habe ich überall teilgenommen“, erinnert sich der 50-Jährige. „Das war nicht besonders fancy aber das Fundament für mein Handwerk.“
Bis heute sind Disziplin und Fleiß wichtige Werte für Cihan: „Hinter den Kreativarbeiten befindet sich ein bodenständiges Gerüst, das die Basis für den Erfolg bildet“, erklärt er. „Respekt, Anstand und Fleiß sind nicht nur in meinem Unternehmen, sondern in unserem gesamten Handwerk fundamental.“
Die Forderung mancher Berufskolleg*innen, Azubis sich schnell fachlich spezialisieren zu lassen und „Mut zur Lücke“ beweisen zu dürfen, hält er für verfehlt: „Klar kann man sich irgendwann spezialisieren aber erstmal muss man solide sämtliche fachlichen Techniken beherrschen. Auch wenn das natürlich nicht immer allen schmeckt. Aber die Basis muss sitzen und damit gehen Regeln einher. Ohne Oldschool kein Newschool“, so der Friseurmeister. „Als Unternehmer muss ich mich darauf verlassen können, dass meine Leute Ausfall kompensieren können, dass sie alle Dienstleistungen sehr gut beherrschen. Wenn ihr das Fundament gebaut habt, könnt ihr alles tun: Erfahrung auf der ganzen Welt sammeln. Aber ohne geht’s nicht.“ Was er von anderen verlangt, lebt Cihan selbst vor: „Auch nach 35 Jahren als Friseur nehme ich es immer wieder in Kauf, meine Familie abends alleine zu lassen und statt dessen im Salon zu trainieren, um fachlich top zu bleiben.“
„Ich werde meinen Anspruch nicht herunterschrauben“
In seinen Mitarbeiterinnen Shayen, Amalia und Claudia sieht Cihan nicht nur das geforderte fachliche Können, sondern Menschen, „die wie eine zweite Familie für mich sind“, so der Vollblutfriseur. „Wir machen Höhen und Tiefen miteinander durch, lachen und weinen zusammen“, sagt er. „Ich habe mir verdient, mir die Leute, mit denen ich arbeiten will, auszusuchen und ich werde meinen Anspruch auch nicht herunterschrauben. Die Mitarbeitenden müssen „matchen“. Leute, die ihr Ego in den Vordergrund stellen, passen nicht zu mir und ich will auch keine Miesepeter und Miesepetras mehr in meinem Salon haben“, umreißt Cihan seine Ansprüche. „Was die Optik angeht, mache ich keine Vorschriften aber man sollte als Friseur oder Friseurin schon wissen, dass man in der Beautybranche beschäftigt ist. Wenn man einen Messy-Look trägt, muss der cool und bewusst, nicht einfach schlampig sein. Und er muss auch zur Zielgruppe passen. Ich schaue z. B. morgens nach, wer heute auf meinem Stuhl sitzt und wähle meine Klamotten dann dazu passend aus. Natürlich muss ich da Vorbild sein“, sagt Cihan.
„Erfolgreiche Menschen haben mehr Scheiße gefressen als alle anderen“
Dass der Weg zum Erfolg nicht immer einfach ist, hat Cihan am eigenen Leib erfahren: „Es gab Menschen, die mich verletzt oder geblendet haben. Doch auch ihnen bin ich dankbar, denn ich habe von ihnen gelernt. Und klar ist auch: Kein erfolgreicher Mensch hatte eine 3- oder 4-Tage-Woche. Wenn du wirklich erfolgreich sein willst, musst du mehr Scheiße fressen als alle anderen. Erfolg bekommst du nur mit Fleiß, Disziplin und Tränen“, macht Cihan seinen Standpunkt klar. „Irgendwann, nach 15 oder 20 Jahren, darf man dann auch mal ausbrechen und sagen „Ich mache nur noch Blond oder nur noch Schnitte“. Aber bis dahin ist einfach Arbeit angesagt“, so Cihan. „Und auch danach musst du dich immer wieder selbst hinterfragen, um dauerhaft erfolgreich zu bleiben.“
Klingt anstrengend – wie schafft Cihan es denn dann trotzdem, seine Auszubildenden zu begeistern? „Ich lasse sie schnell viele Dinge machen und bin sehr offen, was z. B. moderne Tools angeht. Wenn sie da was Cooles sehen, schaffe ich das gerne an. So arbeiten meine Azubis beispielsweise mit dem Haar-Analyzer. Für sie fallen dadurch die Hemmungen, an die Kundschaft zu gehen, für mich bedeutet es gleichzeitig Zeitersparnis. Wir sehen uns die Ergebnisse gemeinsam an und schon sind wir in der Beratung. Das motiviert die jungen Menschen“, so Cihan. „Außerdem dürfen sie mit auf alle Workshops und Seminare, die ich gebe und wir pflegen ein respektvolles, familiäres Verhältnis.“
„Kopf muss in eine andere Etage“
„Das Wichtigste ist aber der Grundsatz: Klau mit den Augen. Das hat schon mein Lehrmeister zu mir gesagt. Sie sollen alles aufnehmen und aus allem lernen können, was um sie herum geschieht.“ Auch Cihan lernt auf diese Weise noch immer dazu: „Ich sauge alles an Wissen auf, das ich kriegen kann, versuche, meinen Kopf in eine „andere Etage zu bekommen“, lacht er. „Egal, welcher Bereich – alles Wissen bringt dich weiter. Deswegen habe ich die Ausbildung zum Business Coach absolviert, deswegen pflege ich engen Kontakt zu Politiker*innen. Ich habe in meinem Salon viele Lehrende und Professor*innen vor mir auf dem Stuhl sitzen. Wie blöd wäre ich, mich mit denen nur übers Wetter zu unterhalten? Nein, ich spreche intensiv mit ihnen, frage, was sie machen, versuche, von ihnen zu lernen!“ betont er.
„Wir sind keine Psychologen!“
Was für ihn im Gespräch mit Kund*innen hingegen gar nicht geht, ist, „wenn Friseur*innen einen auf Psycholog*in machen“, sagt Cihan. „Das sind wir nicht! Diese Menschen haben diesen Bereich studiert. Wir können nur zuhören, ohne zu werten, den meisten hilft das ja schon. Aber wir dürfen niemals Tipps geben. Das steht uns nicht zu“, so der Unternehmer. „Konzentriert euch bitte statt dessen auf das Wesentliche: die Haare und die Kopfhaut. Damit gibt es mehr als genug zu tun. Ich muss immer den ganzen Menschen da auf dem Stuhl ansehen: Hormonelle Einflüsse wie Schwangerschaft oder Menopause wirken sich auf die Haargesundheit aus, ebenso z. B. eine Ernährungsumstellung oder Veränderung in der Pflegeroutine. Da muss ich als Friseur*in ran, da berate ich und zwar bei jedem Besuch von Neuem!“
Keine Kompromisse in der Qualität
Ein hoher Anspruch also, den Cihan an sich und seinen Salon hat. „Dafür verlangen wir angemessene Preise, wir haben uns unseren Wert erarbeitet“, sagt er. Aber er macht auch klar, dass er Preiserhöhungen für erklärungsbedürftig hält: „Wenn ihr die Preise über die Inflationsanpassung von 1-2 Prozent jährlich erhöht, müsst ihr das rechtfertigen können, selbstverständlich permanent abliefern und eure Qualität auch tatsächlich gesteigert haben“, so sein Rat an die Berufskolleg*innen. „Die Kundschaft hat das Recht, zu fragen, warum es teurer ist. Wir haben z. B. ein digitales Kassensystem eingeführt, das der Kundschaft zusätzlichen Service bietet, dann lässt sich eine Erhöhung rechtfertigen.“
Auch in puncto Markenbildung und -festigung macht Cihan keine Kompromisse: „Wir arbeiten für unsere Marketingmaßnahmen eng mit einer Agentur zusammen, damit da wirklich alles passt. Ich kann allen Salonunternehmer*innen nur empfehlen, sich ebenfalls professionelle Unterstützung für verschiedene Unternehmensbereiche zu holen.“ Ebenso wichtig für eine erfolgreiche Markenbildung sei aber Authentizität: „Viele Salons sind Copy-and-Paste. Lasst eure Persönlichkeit mit einfließen! Es darf auch mal rotzig sein aber natürlich mit Stil und es muss zu euch passen.“
Wunsch: Mehr Loyalität in der Branche
So also seine Erfolgstipps an die Kolleg*innen. Aber was würde er sich von ihnen wünschen, wenn er einen Wunsch für die Zukunft freihätte? „Wieder mehr Spaß und dass das Verkopfte weggelassen wird“, schmunzelt Cihan. „Außerdem wünsche ich mir, dass wir uns mehr unterstützen, uns gegenseitig als Vorbilder dienen und vor allem unsere Community leben – ohne Neid, ohne Missgunst. Lasst uns loyal gegenüber einander sein, so werden wir alle erfolgreicher.“