Friseur sein – die beste Wahl ever. Ever. Ever.
„Erlerne doch einen vernünftigen, richtigen Beruf...“, hieß und heißt es häufig, wenn junge Menschen vor der Jobwahl stehen. Doch was ist „vernünftig“? Was ist „richtig“? André Ambrass ist Friseurunternehmer aus Düsseldorf. Seine Mutter sagte immer zu ihm: „Es ist mir egal, welchen Beruf du dir aussuchst. Hauptsache DU bist glücklich, denn Glück ist nicht käuflich“! Warum das der allerbeste Ratschlag ever war, erzählt euch André hier. Auch verdammt lesenswert für den Nachwuchs! Aus dem Herzen gesprochen.
Als Kind dachte ich, ich werde Modedesigner oder Schauwerbegestalter, weil ich viel gemalt und gebastelt habe. Später trug ich Zeitschriften aus, habe meinen Fotoapparat immer und überall mitgehabt und habe Landschaften und Skylines fotografiert (schön „oldschool“ mit Film zum Entwickeln…). Ich machte Praktika als Raumausstatter, Einzelhändler und Grafik-Designer. Zuletzt habe ich als Verkäufer in einem Supermarkt gearbeitet, bis ich mit 19 Jahren endlich realisiert habe, dass mich das Thema „Haare“ von klein auf begleitete. Als Kind habe ich mit Barbies gespielt und tausende Zöpfe geflochten. Im Teenie-Alter durften unter anderem meine besten Freundinnen daran glauben, weil ich dem Barbie-Alter entwuchs. Irgendwann waren die eigenen Haare reif: zuerst in die rote Schaumtönung der besten Freundin „gestolpert“, dann eine kleine blonde „Stinktier-Strähne“, dann Granatrot, Blauschwarz, Blondierungen bis zum (wortwörtlichen!) Abbrechen und all die lustigen Ergebnisse und Erkenntnisse, die mit blondiertem Haar möglich waren. Nach all den „Berufs-Fröschen“ habe ich schließlich den Sprung in die Friseurwelt gewagt und meine Liebe, meine wahre Berufung gefunden.
Es ist so vieles möglich!
Das Timing war auch perfekt: Ende der 1990er, zur Jahrtausendwende, drehte die Frisurenmode richtig durch: extreme Farben und krasse Schnitte, die Experimentierfreude der Kunden war enorm. Die Frisurenfotos waren aufwendig inszenierte Kunstwerke, die mich heute noch begeistern. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich: Friseur zu sein heißt Haare schneiden, färben, föhnen, fertig. Erst mit der Ausbildung habe ich dann begriffen, was Friseur sein wirklich bedeutet: Als Friseur*in bist du nicht nur Handwerker*in, sondern auch Chemiker*in, Psychologe*in, Organisator*in und 4D-Künstler*in mit „nachwachsenden“ Rohstoffen! Du siehst am Ende des Tages, was du geleistet hast. Du kannst es sehen und fühlen. Du fühlst dich produktiv und stolz. Du schaffst Unikate oder baust einen Style nach, der gerade beliebt ist. Die geschaffenen Werke leben, bewegen sich und die „vierte Dimension“ ist dann das Gefühl, der „Vibe“, die Würze, welche das Selbstbewusstsein des Kunden auf ein Maximum bringen. Wir lernen mit Formen und Farben umzugehen, die Lebensstile der Kunden als Frisur widerzuspiegeln, ihrer Persönlichkeit „die Krone“ aufzusetzen…
Abwechslungsreiches Friseurleben
Die Entwicklungsmöglichkeiten sind geradezu unendlich. Ich durfte während und nach der Ausbildung bei Fotoshootings und Modeshows assistieren, zur großen Friseurmesse nach London fliegen, als ein Teil des international aufgestellten Stylistenteams beim Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf mitwirken und habe zwischendurch auch eigene kleine Fotoshootings organisiert. Nach über 13 Jahren entwuchs ich der Rolle des Angestellten und entschied mich, die Meisterschule zu besuchen. Im September 2018 konnte ich mein eigenes kleines Reich schaffen, indem ich einen alteingesessenen Friseursalon im Herzen von Düsseldorf übernahm und ihm einen eigenen Stil verpasst habe. Mittlerweile habe ich drei wundervolle Mitarbeiterinnen, die mich jeden Tag daran erinnern, dass ich das Richtige getan habe, weil ich meinem Herzen gefolgt bin! Es gibt sogar eine kleine Barbie- und Kunstausstellung in meinem Salon. Dinge, die meine Liebe zur Kunst, zum Handwerk und zu Menschen aller Art repräsentieren.
Liste der Vorzüge ist lang
Was ich damit sagen möchte ist: Jeder Handwerksberuf ist eine unglaubliche Reise für alle kreativen Menschen da draußen! Ein paar Beispiele gefällig? Ihr habt Arbeitsmaterialien in euren Händen, aus denen ihr was erschaffen könnt. Nach +/- drei Jahren seid ihr vollends ausgebildet und könnt euch auf Schwerpunkte spezialisieren, die euch besonders viel Spaß machen. Ihr lernt spannende Menschen kennen, die euch beflügeln, inspirieren, motivieren. Ihr müsst nicht jahrelang studieren, bis ihr irgendwann zur Tat schreiten dürft (zumal es derzeit auch viel zu viele Studenten in Deutschland gibt). Mit ein bisschen Glück, Mut und Fleiß könnt ihr eine ziemlich geile Karriere hinlegen, weil ihr liebt, was ihr tut. Doch das Allergeilste ÜBERHAUPT ist: Als Friseur*in experimentiert ihr mit Mode, Frisuren, Styles. Ihr könnt euch (wenn ihr wollt) wöchentlich verwandeln. Ihr müsst kaum strengen Richtlinien folgen, ihr dürft nach außen tragen, wer ihr seid.
Beruf verbindet viele(s)
Es ist egal, welche Haarlänge, welche Haarfarbe, wie viele Piercings/Tattoos ihr habt – egal ob Pop, Punk, Hipster, egal, ob Junge/Mann, Mädchen/Frau und alles, was jenseits und dazwischen liegt: Als Friseur*in lernt ihr neben dem Handwerk auch, eure „eigene/n Bühne/n“ zu bauen, zu denen eure Fans/Kunden kommen wollen, bestenfalls in Scharen. Denn wir sind DER Knotenpunkt für so viele Welten, die in unseren Räumen so friedlich vereint sind, mit einem Ziel: Hauptsache, die Haare schön! Wir Handwerker sind ein spannendes und starkes Volk, das euch, den Nachwuchs, braucht. Unser Erbe ist viel, viel größer, als ihr es euch vorstellen könnt, denn die meisten YouTube- und TikTok-Videos sind von gelernten Fachkräften, die zeigen, wie wunderschön und vielfältig all diese Berufe sind. Traut euch, wagt es! Seid anders als die anderen, seid EINZIGARTIG! Bereuen könnt ihr nur Dinge, die ihr NICHT gemacht habt…
Herzliche Grüße, André Ambrass
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