Greenwashing oder gutes Gewissen? So steht die Haarkosmetik-Industrie zu „Ocean Plastic“!
Es wäre zu schön, um wahr zu sein! Produkte, die aus Plastikmüll der Weltmeere zu neuen Produkten recycelt werden. Immer mehr Hersteller werben jedenfalls neuerdings mit dem Slogan „Ocean Plastic“, auch einige Haarkosmetikhersteller. Doch nachdem ein Fernsehteam von Report Mainz mal näher hingeschaut hat, bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Auszeichnung. FMFM hat bei Vertretern der Haarkosmetikindustrie nachgefragt, inwiefern „Ocean Plastic“ für sie dennoch ein Thema ist.
Wer kennt sie nicht, die verstörenden Bilder! Verendete Wale und Meeresvögel, deren Bäuche einer Mülldeponie gleichen, Haie und Schildkröten, die in Fischernetzen verheddert, qualvoll sterben. Laut Medien gelangen jährlich acht Millionen Tonnen Kunststoff in unsere Ozeane und verursachen somit eine der größten und ekelerregendsten Umweltkatastrophen unserer Zeit.
Nun wollen immer mehr Markenhersteller dabei unterstützen, den Müll aus den Ozeanen wieder herauszuholen, um daraus neue Produkte zu recyceln. Auch die Haarkosmetik-Industrie setzt immer mehr auf das Label „Ocean Plastic“ auf ihren Artikeln und vermittelt dem Verbraucher beim Kauf eines solchen Produktes ein gutes Gewissen. Aber ist tatsächlich „Ocean Plastic“ drin, wo „Ocean Plastic“ draufsteht?
Ein Fernsehteam von Report Mainz hat bei zwei „zertifizierten“ Produkten seine Ökonase mal näher hingehalten. Dabei handelte es sich um eine Duschgel-Flasche von Henkel und einenTurnschuh von Adidas. Und es kam offensichtlich heraus, dass in der Flasche tatsächlich kein Plastik enthalten ist, das aus dem Meer stammt, sondern zu 50 Prozent aus Müll, den arme Menschen gegen Naturalien an Stränden einsammeln.
In einer mauen und lauen Stellungnahme gegenüber Report Mainz schreibt Henkel, dass auf der Flasche überhaupt nicht stehe, dass diese aus Ocean Plastic sei – sondern lediglich, dass Ocean Plastic bekämpft werde. Aha! Im gleichen Bericht kam auch die Forscherin Gilian Gerke zu Wort, die offensichtlich wissen will, dass echtes Ozeanplastik viel zu teuer ist, um zum Einsatz zu kommen. Gemeinsam mit ihren Studentinnen und Studenten hat sie Plastik aus dem Meer gefischt, sortiert, sauber gemacht und wiederaufbereitet. Allein die Produktionskosten für einen einfachen Brieföffner, den sie selbst aus (echtem) Ocean Plastic hergestellt hat, schätzt sie auf 200 Euro. Also ein Riesenaufwand! Was müsste eine Shampooflasche dann kosten, wenn das wirklich stimmt!
Bisher gibt es tatsächlich scheinbar keine verbindliche Definition für Ocean Plastic und die Auslegung dieses Begriffs genießt scheinbar eine große Interpretationsfreiheit. Leider verhärtet sich somit der böse Verdacht, dass Hersteller, die mit „Ocean Plastic“ werben, in erster Linie damit ihr eigenes Image aufpolieren wollen.
FMFM ist nach Ausstrahlung des Report Mains neugierig geworden und hat einige Vertreter der deutschen Haarkosmetikindustrie, die auch für ihre nachhaltigen Produktkonzepte bekannt sind, gefragt, ob „Ocean Plastic“ für sie ein Thema ist. Hier die Antworten!
Stephan Conzen, GLYNT
„Das Beseitigen von Plastikmüll in den Weltmeeren ist von großer Wichtigkeit. Aber: Das dort eingesammelte Plastik ist nur in geringem Maße für die Neuproduktion von Kosmetikverpackungen geeignet. Die Kunststoffe sind nicht sortenrein, sie sind häufig eingefärbt und beinhalten zum Teil gefährliche Stoffe. Für empfindliche Kosmetika kommt solches kontaminiertes Recyclingmaterial nicht in Frage. Also: ‚Ocean Plastik‘ schmückt die Verpackung, aber die Realität sieht anders aus.
Natürlich ist Recycling-Kunststoff für uns ein großes Thema, aber unabhängig von der Herkunft. In Europa haben fast alle Länder ein sehr gut organisiertes Verpackungs-Verwertungs-System, entsprechend geringe Mengen landen in Flüssen und Meeren. Das ist in Schwellenländern oder Entwicklungsländern anders. Es wäre für einen europäischen Hersteller sinnlos, Recycling-Kunststoff aus Fernost über die Weltmeere fahren zu lassen, um diese dann hier zu reinigen und wieder zu verwerten. Am Ende wäre der CO² Ausstoß für den Herstellungsprozess viel zu hoch. Ein Pfand für Kunststoffflaschen würde die Umwelt an sich, somit auch die Weltmeere, spürbar schützen“.
Stephan Conzen, Glynt
Rene Held, TRINITY haircare
„Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung aber auch unserer Verpflichtung gegenüber unserer Umwelt und den nächsten Generationen absolut bewusst. Deshalb haben wir diesem Thema ein ganz eigenes grundlegendes Element unseres Credos gewidmet: CARING ABOUT OUR PLANET. Natürlich gehört zu diesem Thema ganz klar auch die „Ocean Plastic“ Problematik. Die fünf(!) großen sogenannten Garbage Patches in den Weltmeeren gehören wohl zu den ungeheuerlichsten Umweltsünden der Menschheit und wir beteiligen uns entschieden daran, diese Schuld wieder gut zu machen. So haben wir unseren jährlichen Charity Beitrag 2018 vollkommen in das Licht dieses Themas gerückt und das Projekt THE OCEAN CLEAN UP mit einem Betrag von 10.000 Euro unterstützt.
Gleichzeitig muss man in den oftmals hochemotional geführten Diskussionen zu den Themen, die unsere Welt aktuell bewegen, achtgeben nicht ausschließlich ideologisch an die Sache heranzugehen und das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren. Ein Querverweis auf die gegenwärtige Ökobilanz der Elektromobilität sei hier erlaubt. Natürlich ist jeder Beitrag, der mithilft unsere Erde zu erhalten und gesünder zu machen willkommen – wie wir bei TRINITY haircare sagen: „One step at a time“. Doch wie wir bei der Berichterstattung des „Report Mainz“ hören können, fällt dies sogar Firmen wie Henkel oder Adidas, deren Einfluss auf das Weltgeschehen ungleich höher ist als das von TRINITY haircare, anscheinend nicht allzu leicht. Das soll weder Verantwortung des Einzelnen schmälern noch gute Absicht relativieren, sondern einfach nur unterstreichen, dass es auch für uns durchaus fragwürdig ist, zum aktuellen Zeitpunkt mit einer Werbeaussage „Verpackung aus Ozean Müll“ an den Markt zu gehen.
Dies hat verschiedene Gründe: Zunächst ein Mal gibt es allgemein verbindliche Regulierungen, die alle Haarkosmetikhersteller auf einen gewissen Qualitätsstandard von Verpackungen reduzieren. Dazu gehören Standards der Reinheit, Haltbarkeit und Auszeichnungspflicht. Dazu kommt der Qualitätsanspruch des Konsumenten. Es wird kaum eine/n Käufer/in professioneller Haarkosmetik geben die/der bereit ist ein Behältnis zu erwerben das unter Umständen Farb- oder Geruchsauffälligkeiten oder mindere Qualität aufweist“.
Rene Held, TRINITY haircare
Noah Wild, Paul Mitchell
Noah Wild, Paul Mitchell
„Ocean Waste Plastic ist gesellschaftlich ein Thema – nur sollte es eigentlich eher darum gehen zu vermeiden, dass Plastik überhaupt im Ozean landet. In Deutschland sind wir ganz vorne dabei, was Trennung und Recycling angeht; doch selbst in der EU sind wir da eine Ausnahme, die leider nicht die Regel bestätigt. Fakt ist: Statistisch stammt 90% des Plastiks im Ozean aus 10 Flüssen; 8 aus Asien, 2 aus Afrika. Sollten wir uns somit nicht alle dafür engagieren, dass sich genau das ändert?
Inwiefern die Ökobilanz von Ocean Waste Plastic überhaupt positiv ist, halte ich für fraglich und dies wird auch intensiv diskutiert. Bisher ist es eher ein Marketing-Gag, der gut klingt, aber faktisch keinerlei Probleme löst. Ist es gut, wenn wir für „Nachfrage“ nach Plastik aus dem Ozean sorgen? Wem hilft dies wirklich?
Wir setzen auf unseren Produktbehältnissen Recycling-Symbole ein. Und wir zahlen dafür die notwendigen Abgaben gemäß der Verpackungsverordnung. Dies tun wir seit Jahren“.
Reinhard Thurner, Kevin Murphy
„Ocean Plastic ist für uns ein Thema, da sich KEVIN.MURPHY entschieden hat, seine Verpackungen zu 100% auf recyceltes Ozeanplastik umzustellen. Die Serienproduktion hat bereits gestartet, so dass wir davon ausgehen, dass die ersten Produkte weltweit in Kürze in den Verkauf gehen. Wir von BELLUDIO führen die recycelten Produktverpackungen ab Herbst 2019 sukzessive in den Salons ein, um dann langfristig komplett umzustellen. Dieser Prozess dient der Zukunft unserer Umwelt, um unsere Ozeane und Meereslebewesen zu schützen, die vom Plastikmüll bedroht sind.
Derzeit werden nur 9% aller Kunststoffe recycelt. Das Kunststoffproblem lässt sich nachhaltig nur lösen, wenn wir versuchen, möglichst sparsam mit Plastik umzugehen und zusätzlich einen funktionierenden Kreislauf in der Lieferkette schaffen. Übrigens ist unser Partner Pack Tech, der unsere Verpackungen und Abfüllungen verantwortet, vor kurzem von den Vereinten Nationen im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsziele ausgezeichnet worden“.
Reinhard Thurner, Kevin Murphy