Handwerk ohne Anerkennung? Gedanken einer Salonkundin über den Friseurberuf

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Die Medien können es einfach nicht lassen! Immer dann, wenn es um Nachwuchsprobleme, Mindestlohn und Schwarzarbeit geht, werden Friseure an den medialen Pranger gestellt. Als ob es in anderen Gewerken anders zuginge! Wir freuen uns, dass das offensichtlich auch der einen oder anderen Salonkundin sauer aufstößt. Eine von ihnen hat sich jetzt sogar in einer Mail an FMFM Luft gemacht. Darüber haben wir uns sehr gefreut und wollten euch das nicht vorenthalten…;-)

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Neulich war ich mit meinem Chef auf einer Vernissage. Wir kamen ins Gespräch mit einem auffallend gekleideten Herrn, fast schon Typ „Freak“ mit currygelber Bomberjacke, löchrigen 7/8 Jeans und ebenso currygelben Sneakers. Die Haare: ein wilder aber top gestylter „out of bed“-Look. „Was machen Sie beruflich?“ fragte mein Chef diesen interessanten Paradiesvogel voller Neugier in diesem sonst doch eher distinguierten Ambiente. – „Ah, Friseur…“ Dieses „Ah, Friseur…“ klang in meinen Ohren, als wäre mein Chef fast ein wenig peinlich berührt gewesen. Den Nachsatz: „Ah, Friseur, zu mehr hat es wohl nicht gereicht!?“ hat er sich dann wohl gerade noch so verkniffen! Das Gespräch war dann auch schnell zuende! 

Darum ist Friseur ein schöner Beruf!

Ich denke in diesem für mich doch äußerst fremdschämigen Moment umgehend an meinen eigenen Friseur, dem ich nun schon seit 16 Jahren treu bin! Ohne Gregor wäre mein Leben – ehrlich und frei nach Loriot gesagt – weder möglich noch sinnvoll. Er ist kreativ, kennt meine Haare, meine Wünsche und Bedürfnisse aus dem Effeff, inspiriert mich zu Neuem und weiß, wo meine Grenzen sind. „Ah, Friseur, das ist aber ein schöner Beruf, und ganz schön anspruchsvoll! Denn Sie müssen sich ja permanent auf einen neuen Menschen einstellen, für ihn ein individuelles Auge haben, wissen, was ihm steht! Toll, wenn jemand so kreativ und handwerklich geschickt ist wie Sie.“ Das wäre die richtige Reaktion meines Chefs gewesen, denke ich, sage aber nichts, sondern starre beschämt auf die currygelben Sneakers!

Ich als Friseur? Talentfreier geht`s nicht!

Diese für mich peinliche Begegnung sollte mich noch lange nach der Vernissage verfolgen und ich frage mich, warum der Friseurberuf in unserer Gesellschaft eigentlich so negativ besetzt ist. Wenn man nicht gerade Glatzenträger ist, braucht doch jeder Mensch in regelmäßigen Abständen einen Friseur! Und schließlich gibt es ja auch Salons wie Sand am Meer. Vielleicht sind nicht alle so wie mein Gregor. Vielleicht gibt es zu viele Friseure, die ihren Beruf weniger leidenschaftlich ausüben oder die Kunden nicht so glücklich machen (können) wie mein kreativer Haarkünstler. Mag sein, dass es daran liegt. An dieser Stelle frage ich mich, ob ich selbst als Friseur arbeiten könnte! Umgehend beantworte ich diese Frage mit einem definitiven „Nein!“ Denn ich bin einfach zu ungeschickt mit meinen Händen. Ausbildung hin oder her, es würde nichts werden. Da bin ich absolut talentfrei! Und alleine schon aus diesem Grund habe ich Respekt vor jedem einzelnen Friseur, denn jeder einzelne kann etwas, was ich nicht könnte.

Kann man als Friseur Geld verdienen?

Warum also wird auf die Berufsgruppe Friseure so herabgeschaut? Die Tochter meiner Freundin würde gerne einen kreativen Beruf lernen, der mit Menschen zu tun hat. Friseurin kommt aber nicht infrage: „Da verdient man doch nix“, sagt meine Freundin und klinkt sich damit tatsächlich in das landläufige Klischee mit ein. Ich frage Gregor, ob das wirklich stimmt. Er könne das nicht bestätigen, sein Laden laufe so gut, dass er seine beiden Mitarbeiter und seinen Azubi sogar übertariflich bezahle. Na also, geht doch! Und wir sprechen immerhin doch von einem Beruf, der 3 Jahre Ausbildung erfordert, nicht von einem Aushilfsjob. Aber Gregor scheint da eher zu den Ausnahmen zu gehören. Denn meine weiteren Recherchen ergeben leider, dass das generelle Lohnniveau in der Friseurbranche tatsächlich unterirdisch ist. Es ist schwer, als Friseur viel Geld zu verdienen. Und gerade bei uns in Deutschland scheint es ja so zu sein, dass das Ansehen von Berufen auch mit den finanziellen Perspektiven zu tun hat.

Aber ist denn Geld wirklich alles?

Die Burn-Out-Welle, die wir heute erleben, haben bestimmt nicht Friseure ausgelöst, sondern in erster Linie sitzende Büro-Arbeiter. Sie verdienen besser und genießen Respekt – und immer mehr von ihnen werfen trotzdem schon mit 40 Jahren das Handtuch. Jeder von uns hat nur dieses eine Leben, und die Frage ist doch nicht, welchen Beruf wir haben, sondern ob wir mit diesem Beruf ein erfülltes Leben haben. Ob wir lieben, was wir tun. Ob wir gut sind in dem, was wir gut machen wollen. Und wenn studierte Büro-Menschen auf Friseure herabschauen wollen, weil sie angeblich nicht Prozentrechnen können, dann könnten Friseure auf dieselben Büro-Menschen herabschauen, weil sie keinen Geschmack haben, Menschen nicht glücklich machen und einen Beruf im Sitzen ausüben, der ihren Körper ruinieren wird. Oft denke ich an einen Freund aus Hawaii, der mir einmal sagte: „Ich verstehe sowieso nicht, warum in Deutschland immer die erste Frage die nach dem Beruf ist. Die Frage ist doch albern, denn es geht doch nur darum, wofür man lebt und was man liebt.“ Recht hat er! Friseuren sollten jedenfalls die Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht werden, die ihnen zustehen. Ich vermute, es ist eine Kombination aus Vorurteilen und falschen Prioritäten in der Beurteilung von Menschen, die dem Ansehen dieses wunderbaren Berufs so schaden!

Mehr Selbstbewusstsein!

Friseure sollten aber auch nicht schmollen, sondern viel selbstbewusster sein und zu ihrem Handwerk stehen. In welchem Beruf sonst hat man die Chance, Kunden so glücklich zu machen? Ich bin sicher, wenn es mehr Gregors unter den Friseuren gäbe, dann kämen Ansehen und Anerkennung wieder von ganz alleine…