„In Deutschland geht noch was in Sachen Female Leadership!“
Frauen, Führung und Friseure. Wenn jemand diese drei Themen wie Bälle jonglieren kann, dann ist es Mary Roche-Schöbel! Bei Wella leitet die gebürtige Irin mit der Abteilung Digital, Kommunikation & Marketing ein Herzstück des Unternehmens und startete gemeinsam mit ihrem 30-köpfigen Team das wegweisende Projekt „Female Entrepreneur“. Erklärtes Ziel der Initiative: Friseurunternehmerinnen miteinander vernetzen und gemeinsam ein starkes Feld aus Frauenpower schaffen. Denn als Führungskraft und Mutter zweier Kinder weiß Mary aus eigener Erfahrung: „Da geht noch was in Sachen Female Leadership und Equality in Deutschland!“ Ein Interview über den Status Quo und die Zukunft von Frauen im Handwerk.
Mary, auf eine Art ist es doch kurios, dass das Thema Female Leadership in einer Branche mit 83% Frauenanteil überhaupt noch ein Thema ist, oder wie siehst Du das? Hast Du eine Erklärung dafür?
Ich denke, dass gerade dieser hohe Frauenanteil uns den Blick verstellt und eine falsche Annahme, dass Frauen ja schon überall präsent sind, vorspielt. Auch in unserer Branche existiert eine Ungleichheit, wenn wir über Salon-Unternehmer und Entscheider sprechen: nur eines von vier Unternehmen wird von einer Frau gegründet. In Branchen, die männlich dominiert sind, ist es klar, dass Frauen besser gefördert werden müssen. Und das trifft auch auf die Friseurbranche zu.
Sind Frauen ein Stückweit selbst dafür verantwortlich, dass sie oftmals „unsichtbar“ sind? Was hindert sie daran, ins Rampenlicht zu gehen?
Das sind meiner Meinung nach eine Vielzahl von Gründen: vom gelernten Verhalten, sich eher als Teil eines Teams zu sehen, als zu führen, bis hin zu eigenen und fremden Ansprüchen, sich um alles selbst kümmern zu müssen – im Job und zu Hause, aber dafür von der Gesellschaft das Gefühl zu bekommen, nicht zu genügen. Frauen trauen sich oftmals erst ins Rampenlicht, wenn sie viele andere Projekte bereits gestemmt oder abgearbeitet haben und schieben ihren Erfolg auf äußere Gegebenheiten wie Glück an Stelle von Leistung.
Konturen schaffen Sichtbarkeit
Du bist selbst Mutter zweier Kinder UND Führungskraft. Wie hast Du es geschafft, sichtbar zu werden bzw. sichtbar zu bleiben?
Mit klaren Zielen, harter Arbeit, Kommunikation und genauer Planung! Sichtbarkeit folgt automatisch, wenn klar ist, wofür man steht. Beide Rollen gut zu erfüllen, braucht Disziplin und Organisation. Ich kommuniziere meine Prioritäten transparent auf allen Ebenen. Und für Projekte, die mehr meiner Zeit beanspruchen oder wenn ich unterwegs sein muss, nehme ich mir diese Zeit und delegiere anderes.
Teilst Du die Erfahrung vieler Mütter, dass sich als „working mum“ hin und wieder ein schlechtes Gewissen einschleicht? Wenn ja: Wie agierst Du dann?
Wenn man mehrere Rollen erfüllt, kann es immer wieder dazu kommen, klar! Um ehrlich zu sein, bevor ich in Deutschland gearbeitet habe, war mir die negative Seite dieser Rollenfestlegung nicht so bekannt. Es ist kulturell in Irland, meinem Heimatland, oder der Französischen Schweiz, wo ich vorher war, nicht negativ behaftet, als Mutter zu arbeiten. Ich weiß um diese Diskussion, aber versuche mich davon freizumachen.
Gibt es für Dich sowas wie typisch weibliche Führung oder sollten gute Chef*innen weibliche und männliche Qualitäten gleichermaßen verbinden?
Ich finde, Führungskräfte sollten eine Bandbreite an Qualitäten haben. Wir müssen heute diverse Teams und komplexe Aufgabenstellungen lösen. Es geht weniger um weiblich oder männlich für mich, sondern authentisch und empathisch zu führen, um Teams mitzunehmen und gemeinsam die Ziele zu erreichen. Die Stärkung der Teams, so dass sie Verantwortung übernehmen, autonom arbeiten und dabei lernen, führt zum Erfolg. Das bedarf sicher Menschkenntnis und manchmal mehr Zeit, aber wenn man erfolgreich ist, dann war das der richtige Weg.
Motivation durch weibliche Vorbilder
Als Irin und im Laufe Deiner Karriere hast Du in verschiedenen Kulturen gelebt. Wie „frauenfreundlich“ oder „karrierefördernd“ erlebst Du Deutschland und seine Strukturen, wenn es um Frauen & Führung geht?
Das Schubladendenken in Deutschland hemmt die Förderung von Frauen. Ganz schnell heißt es dann: „Ach, jetzt hat sie Familie, da wird sie sicher Teilzeit gehen oder nicht mehr vorankommen wollen“. Und ja, die Betreuungssituation hierzulande zwingt viele Familien, ihre Arbeitszeiten anzupassen. Aber das kann man mit fairem Aufteilen zwischen den Partnern oder externer Hilfe gut ausbalancieren. Und man sollte Frauen immer wieder die Möglichkeit geben, mehr Verantwortung zu übernehmen. Karrieren sind heute nicht mehr linear.
Worin siehst Du die größte Hemmschwelle beim Female Leadership in der Friseurbranche?
Wie schon angesprochen, dass man Frauen zum Thema macht in der Branche. Dass auch wir neue Wege finden, Frauen zu unterstützen. Hier braucht es neue Netzwerke, aber auch Coaching und Verständnis, was benötigt wird, um unsere Branche gleichberechtigter zu gestalten.
Mit welchen Aktionen wird Wella für die Gleichberechtigung von weiblichen Führungskräften kämpfen?
Wella hat als Marktführer die Reichweite – auf unseren eigenen Plattformen, aber auch innerhalb der Branche – Frauen für die Themen Sichtbarkeit zu geben, für die sie brennen. Wir wollen Vorbilder zeigen, Friseurinnen zusammenbringen und dadurch eine Art Schneeball-Effekt kreieren.
Ehrlicher Austausch statt Konkurrenz
Welches Fazit ziehst Du aus Euren beiden ersten Female Entrepreneur-Events in Berlin und Frankfurt?
Das super positive Feedback und die Motivation der Teilnehmerinnen bei den Events haben bestätigt, dass man über das Thema Female Leadership nicht genug reden kann. Wir brauchen Offenheit und einen ehrlichen Austausch – ohne Hierarchien oder Wettbewerb. Gemeinsam kommen wir zum Erfolg und jede einzelne kann ihre persönlichen Ziele erreichen.
Wir haben kürzlich den Hype um den Barbie-Film erlebt. Taugt Barbie aus Deiner Sicht zum Role Model? Oder anders: Welche Frau ist aus Deiner Sicht eine Ikone mit Vorbildcharakter und Strahlkraft?
Sehr schwierig, weil es so viele gibt und man sich bei jeder dieser Frauen etwas herausnehmen kann. Ich folge zum Beispiel Sheryl Sandberg, weil sie mit dem „Lean In“ Konzept, das Thema Feminismus und Genderrollen neu aufgegriffen hat, aber auch Lea-Sophie Cramer, die das Thema Frauen, Unternehmer-Mindset und “Girl Boss“ wie keine andere in Deutschland verkörpert.
Danke für das interessante Gespräch, liebe Mary.