„Jeder hat die Mitarbeiter, die er verdient!“
Wenn ein Friseurunternehmer mit 16 Salons und einem Team von rund 100 Leuten derzeit keine Mitarbeiter braucht oder sucht und nicht mal ansatzweise über die Arbeitsmoral der „Jugend“ klagt, kann vieles oder gar nichts stimmen. FMFM im Interview mit dem Berliner „Ausnahme-Chef“ Dennis Machts.
Dennis, deine Company „D. Machts Group“ fährt ein Geschäftskonzept, das vorwiegend eine recht junge Kundschaft anspricht. Heißt: Deine Mitarbeiter sind auch jung. Was ist da die größte Herausforderung als Chef?
Ich sehe das gar nicht als so große Herausforderung, wenn ich ehrlich bin. Durch meine langjährige Selbstständigkeit weiß ich, dass jede Generation ihre Eigenarten hat. Manche sind positiv, andere negativ. Wichtig ist nur, dass man sich als Arbeitgeber möglichst schnell darauf einstellen kann. Sicher, wir haben im Markt nicht mehr die Bewerbungsschwemme wie damals, als ich auf 10 Lehrstellen noch 300 Bewerbungen hatte. Das war Luxus. Jetzt habe ich vielleicht auf dieselbe Zahl von Ausbildungsplätzen nur noch 30 Bewerber. Aber dafür kann ich sagen, dass sich diese wenigen jungen Leute sehr viel mehr damit auseinander gesetzt haben, warum sie ausgerechnet diesen Beruf wollen und keinen anderen bzw. was sie toll daran finden. Früher waren die Bewerber viel beliebiger und haben sich für 3 völlig unterschiedliche Ausbildungsberufe parallel beworben. Das läuft heute deutlich gezielter. Ich finde die junge Generation, mit der wir es zu tun haben, spannend!
Warum? Warum? Warum?
Spannend? Da scheinst du unter deinen Kollegen gefühlt der einzige zu sein. Kriegst Du von der Generation X, Y und Z nicht auch manchmal die Motten?
Diese jungen Leute sind anstrengend, ja. Aber die Fragen nach dem „Warum?“ und nach dem Nutzen, die sie immer wieder stellen, sind ja vom Grundsatz her nicht dumm! Im Gegenteil. Meine Haltung ist: Man muss sie verstehen! Sie wissen mehr als frühere Generationen und hinterfragen mehr. Was soll daran falsch sein? Meine Erfahrung jedoch ist: sie suchen – genau wie es früher auch war – eine Leitfigur. Nur möchten sie selbst bestimmen, wer das ist.
Was bedeutet das für Dich als Chef?
Zuallererst muss ich authentisch sein. Wenn ich Dinge dann noch gut erkläre, macht es den Umgang relativ einfach. Autorität allein führt bei diesen jungen Menschen nicht zum Ziel. Das finde ich auch nicht schlimm. Ich breche mir keinen aus der Krone, indem ich den Nutzen bestimmter Regeln oder Abläufe erkläre. Dann verstehen sie wenigstens die Hintergründe und ich habe sie im Boot; sie übernehmen Verantwortung. Früher hätten die Azubis auch gern vieles gewusst und haben nur still gehorcht, weil sie Angst vor dem Chef hatten. Ist das erstrebenswert? Nein. Im Grunde möchte diese Generation bei der Arbeit viel mehr das Gefühl von Familie haben als die Azubis von früher; sie möchten sich eingebunden fühlen. Vermutlich ist das ein natürliches Bedürfnis nach realen, menschlichen Kontakten in dieser doch sehr anonymen Social-Media-Landschaft.
Chef oder Familie? Oder beides?
Bist du jetzt Chef oder Familie?
Beides. Ich bin und bleibe Chef. Sonst tanzen sie mir auf der Nase herum. Aber ich bin heute viel mehr auch Familie als früher. Und zwar authentisch. Wir machen zum Beispiel hin und wieder gemeinsame Spieleabende. Da wäre früher keiner gekommen, weil die ausgehen oder feiern wollten. Aber jetzt sitzen wir alle bis nach Mitternacht zusammen, spielen und essen dabei Pizza. Der Zusammenhalt und die Leidenschaft sind eine andere, wenn der Austausch eng und auf Augenhöhe ist.
Also doch nicht Chef?
Doch. Natürlich mache ich meine Mitarbeiter auf Fehler aufmerksam, sage, wie Dinge besser gemacht werden können und erwarte auch, dass Dinge funktionieren. Aber ich erkläre meine Motive, bin freundlich dabei, sage selber „Bitte“ und „Danke“. Ich lebe vieles vor, bin gern höflich und respektvoll und zeige ihnen, dass man im Miteinander mehr erreicht, wenn alle zusammenarbeiten. Es ist doch wichtig zu lernen, dass mir Kollegen gern einen Gefallen tun, wenn ich es auch für sie tue. Das wirkt. Mit dem Effekt, dass selbst die 18-jährige Mitarbeiterin zu mir kommt und mir sagt, dass sie heute nicht gut drauf ist, weil sie ein Problem oder Liebeskummer hat. Dieses Vertrauen ist doch toll!
Must: Transparenz & Authentizität
Was ist mit beruflichen Zielen? Viele Kollegen klagen, dass die jungen Friseure nicht mehr bereit sind, wirklich zu arbeiten…
Da mache ich andere Erfahrungen. Die Generation heißt ja nicht ohne Grund „Y = why?“ – sie fragen immer und immer wieder nach dem Grund für Dinge, fordern Austausch und Transparenz. Daher ist es mein Ziel, mit jedem Mitarbeiter eine eigene Zukunftsvision zu erarbeiten. Grundlage ist die Frage: Was willst du gern machen? Wo möchtest du hin? Diese Vereinbarung muss ich permanent updaten und mit dem oder der Mitarbeiter/-in im Gespräch bleiben. Und vor allem ist es zentral wichtig, dass ich meine Versprechen einhalte. Sonst werde ich gnadenlos abgestraft. All dies macht Arbeit, klar. Aber wenn ich ehrlich, authentisch und transparent bin, habe ich absolut loyale und ehrgeizige Mitarbeiter an meiner Seite, die viele Dinge selbst übernehmen. Weil sie wissen, wo das Ziel ist und Aktien darin haben. Natürlich muss ich auch Absprachen kontrollieren, aber etwas anderes ist von einem Menschen um die 20 Jahre nicht zu erwarten. Heute nicht und früher auch nicht. Das sind junge Erwachsene, die noch lernen dürfen.
Hast du noch ein Rezept für Kollegen, die einfach an dieser Generation verzweifeln?
Meine Überzeugung ist einfach, dass Dinge heute nicht mehr zwingend funktionieren, die noch vor 3 Jahren funktioniert haben. Je starrer ich an alten Strukturen festhalte und Neues nicht zulasse, umso mehr reibe ich mich auf. Habe ich eine Vision für die Zukunft und bin bereit, mich immer weiter zu entwickeln, macht es vieles leichter. Wenn mich nur alle so nehmen sollen, wie ich bin, komme ich doch selbst nicht vom Fleck. Bin ich hingegen flexibel, sind es meine Mitarbeiter auch. Und das z. B. bei Arbeitszeiten wie bei uns, wo wir an manchen Tagen bis 21 Uhr geöffnet haben. Meine Mitarbeiter teilen sich größtenteils die Schichten selbst ein. So lernen sie zu kommunizieren, Kompromisse untereinander zu machen und fühlen etwas wie Selbstbestimmung. Manchmal mit Hilfe, manchmal ohne.
Chef = Führen & Vertrauen
Ihr habt rund 100 Mitarbeiter. Das funktioniert?
Das funktioniert – und es formt Teams. Diese Generation ist nicht so narzistisch, wie viele sagen. Ich selbst möchte auch Dinge erklärt bekommen, wenn ich Fragen haben. Mehr ist es doch nicht. Im Grund wollen sie auch alle nur auf den Arm. Will ich, dass meine Mitarbeiter toll sind, muss ich toll zu ihnen sein. Natürlich passiert es mir auch hin und wieder, dass ich Mitarbeiter verliere. Wir alle müssen uns damit abfinden, dass wir die meisten Angestellten nicht mehr 20 Jahre und länger an uns binden können. Dafür haben die jungen Menschen einfach zu viele andere Möglichkeiten, sich auszuprobieren und Neues zu erleben. Auch das ist verständlich. Ich habe zu vielen ehemaligen Mitarbeitern, die sich nach der Ausbildung bei mir selbstständig gemacht haben, immer noch Kontakt. Und es freut mich sehr, wenn sie mich z. B. zu ihrer Einweihungsfeier einladen oder mich um Rat fragen. Ich denke, das zeugt von einem vertrauensvollen Verhältnis, von viel gegenseitiger Wertschätzung und Respekt.