Jens Wilde, der Mann hinter ESTEL Europe: „Wir denken andersrum!“
2011, als eine Marke aus Russland ihre ersten Gehversuche auf dem hart umkämpften deutschen Haarkosmetikmarkt startete, brachten Friseure den Begriff ESTEL lediglich mit dem bekannten gleichnamigen Hotel in Berlin in Verbindung. Heute, 8 Jahre später, hat sich das friseurexklusive Vollsortiment längst in deutschen Salons etabliert und so manchen Friseur seine jahrzehntelange Treue zu großen Marken über den Haufen werfen lassen. Faszination ESTEL – FMFM auf Spurensuche im Interview mit Geschäftsführer Jens Wilde.
Herr Wilde, was motiviert jemanden, der jahrelang erfolgreich im Management des größten Haarkosmetikunternehmens unterwegs war, mit einer No-Name-Marke aus Russland den deutschen Markt erobern zu wollen? Jens Wilde: Bei den Global Playern fand zwischen den einzelnen Bereichen irgendwann eine unglaubliche Differenzierung statt. Als Einzelleiter von diesem Konzern zugehörigen Marken wurde der Radius der Entscheidungsfreiheit immer kleiner und der Abstimmungsaufwand dafür unproportional größer. Das hat die Erledigung des Tagesgeschäfts immens beeinflusst. Ich war mehr und mehr damit beschäftigt, Abstimmungsprozesse zu organisieren als das eigentliche Geschäft zu entwickeln. Diese für mich unbefriedigende Entwicklung war die Entscheidung für eine Neuorientierung.
Wie kamen Sie dabei ausgerechnet auf die Marke ESTEL? Nach meinem Ausscheiden aus dem Großkonzern versuchte ich natürlich, mein KnowHow und die gewonnenen Kontakte im Friseurmarkt zu nutzen. Ein ehemaliger Kollege meines Vertrauens hatte von dem Siegeszug der Haarkosmetikmarke ESTEL in Russland gehört und mir geraten, doch mal nach St. Petersburg zu fahren, was ich dann auch tat. Ich war total geflasht, weil ich mir nie hätte vorstellen können, wie professionell und großartig eine friseurexklusive Marke in Russland aufgebaut ist. ESTEL war damals im Jahr 2010 bereits auf dem Weg zum Marktführer, was ja heute längst so ist.
Zufriedene Kunden sind das Entscheidende!
ESTEL-Akteurin Désirée Nikolov im kreativen Einsatz ©ESTEL
Was hat Sie konkret von der Marke überzeugt? In erster Linie die Philosophie unseres internationalen Geschäftsführers, meinem heutigen Chef, Lev Okhotin. Er hat ESTEL innerhalb von 15 Jahren aus dem Nichts zum russischen Marktführer gemacht und alle anderen hinter sich gelassen. Das Geheimnis seines Erfolgs: Bei ESTEL wird andersrum gedacht.
Wie meinen Sie das? In meiner „alten“ Welt war es so, dass wir uns immer unterhalten haben über Umsatz und Profit. Doch leider haben wir uns zunehmend weniger unterhalten über unsere Kunden und deren Bedürfnisse. Bereits bei meinem ersten Businessmeeting mit Lev Okhotin nach Einführung der Marke in Deutschland, kam nicht die Frage, wie hoch sind Umsatz und Profit, sondern „wie zufrieden sind unsere Kunden?“ Das hat mich total beeindruckt und ich dachte so bei mir, wie abgehoben muss ich denn gewesen sein, mich nur noch an irgendwelchen betriebswirtschaftlichen Kennziffern orientiert zu haben und daraus abgeleitet zu haben, ob man erfolgreich ist oder nicht. Das eigentlich Entscheidende ist doch tatsächlich, dass unsere Kunden zufrieden sind, und wenn das so ist, dann stimmen auch die betriebswirtschaftlichen Zahlen.
Trotzdem, Sie sind voll ins kalte Wasser gesprungen mit einer hohen Risikobereitschaft… Wenn ich mich entwickeln und wachsen will, dann muss ich mit einer hohen Risikobereitschaft in den Markt gehen. Ich glaube, wir hier in den Großkonzernen Westeuropas waren und sind nicht mehr bereit, diese Risiken einzugehen. Oder welcher Manager würde sagen: „Also ok, ich riskiere jetzt am Ende des Jahres meine Ziele zu verfehlen, weil ich eine tolle Idee habe, die will ich umsetzen!“ Der Manager hätte schon allein Probleme, die Idee durch diverse Meetings durchzubringen und das Go dafür zu bekommen.
Lev Okhotin tickt da anders… Lev Okhotin hat das einfach gemacht, hat eigenes Geld investiert, war extrem risikobereit, immer mit der Abwägung, dass die Chancen zu gewinnen deutlich höher sind als zu verlieren. Das hat mich sehr beeindruckt, aber die Zeit, die ich in Deutschland in verschiedenen Führungsstrukturen verbracht habe, hat mich auch geprägt. Dadurch war und ist die Risikobereitschaft natürlich bei mir nicht so hoch ausgeprägt wie bei einem Lev Okhotin.
Das klingt nach einem gewissen Spannungsfeld… Ja, aber einem positiven. Das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen, sieht so aus, dass Lev mich permanent ermutigt, Risikobereitschaft zu zeigen, um Projekte voranzubringen. Und ich achte dabei immer darauf, dass das alles auch betriebswirtschaftlich funktioniert. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass genau diese Mischung den Erfolg von ESTEL auch hier in Westeuropa ausmacht: Positiver Antrieb mit kalkulierbaren Risiken!
Klare Visionen
ESTEL-Beauty ©ESTEL
Warum sollte sich ein Friseur in Deutschland für ESTEL entscheiden? Weil er mit ESTEL einen Partner auf Augenhöhe bekommt und wir alles dransetzen, friseurexklusiv zu bleiben. Weil der Friseur mit dem ESTEL-Konzept an der Beratung gegenüber dem Endverbraucher wirklich seine Freude hat und letztendlich alle davon profitieren. Diese Win-Win-Situation kann nur dann funktionieren, wenn alle die Spielregeln einhalten. Unser großer Vorteil, der sich auch positiv auf unsere Kunden auswirkt, ist die Tatsache, dass wir an der Unternehmensspitze jemanden haben, der die Marke vorantreibt, immer weiterentwickelt und dabei klare Visionen hat. Und nicht auf das Konsolidieren eines Status ausgerichtet ist.
Wie viel Prozent von Ihrer Marktnische haben Sie sich vorgenommen zu besetzen? Wir streben 3 Prozent in den nächsten 5 Jahren an. Momentan liegen wir bei ca. 1,5 Prozent.
Welchen Service bieten Sie Ihren Kunden an? Es muss uns gelingen, über die Produkte bei den Friseuren mehr Dienstleistungen zu generieren. Lev Okhotin versucht daher immer, Produkte zu entwickeln, mit denen der Friseur im Salon eine Dienstleistung anbringen kann, die ihm danach den Weiterverkauf der Heimprodukte erleichtert. Natürlich geben wir dem Friseur auch diverse Unterstützungsmaßnahmen an die Hand, sodass er immer im Dialog mit seinen Kunden bleibt. Außerdem bieten wir einen professionellen Fachservice mit super ausgebildeten Trainern.
Leistungsversprechen muss stimmen!
Welche Rolle spielt der Außendienst? Die Rolle des Außendienstes ändert sich gerade signifikant. Die Zeiten der Auftragsabholer sind vorbei. Aufträge werden von den Besuchen des Außendienstes entkoppelt. Die wertvolle Zeit beim Kundenbesuch sollte dafür genutzt werden zu vermitteln, wie man die Produkte zum beiderseitigen Nutzen am besten im Salon einsetzt.
Inwieweit haben Sie als europäischer Geschäftsführer ein Mitspracherecht an der Produktentwicklung? Wir geben Russland Rückmeldung über Produkte, die im westeuropäischen Markt gut angenommen werden. Zum Beispiel ist der Stylingbereich in Westeuropa ganz besonders wichtig, in Osteuropa führt dieser aus meiner Sicht eher ein Schattendasein. Hingegen ist in Osteuropa dafür die Pflege höher angesiedelt. Wir liefern Ideen und geben Info, welche neuen Produkte wir benötigen und erhalten diese dann zum Testen. Entwickelt werden die ESTEL-Produkte jedoch ausschließlich in Russland.
Welche Produkte sind denn am rentabelsten? Zur Philosophie von ESTEL gehört auch, nicht jeden Monat im Meeting zu schauen, welche Produkte rentabel sind und welche nicht. Zum Beispiel ist ein Augenbrauen- und Wimpernfärbeprodukt für einen klassischen Industrieproduzenten kein lukratives Produkt. Auf der anderen Seite braucht aber der Friseur eine Augenbrauen- und Wimpernfarbe, also haben wir die Entscheidung getroffen, die Augenbrauen- und Wimpernfarbe bleibt im Sortiment, auch wenn wir damit nicht riesige Umsätze generieren.
Ist die Tatsache, dass ESTEL eine russische Marke ist, nicht eher hinderlich für den Vertrieb in Deutschland? Am Anfang gab es definitiv viele Skeptiker, aber das findet ja alles im Kopf statt. Habe ich ein Problem mit Russland, dann habe ich auch ein Problem mit einer russischen Marke. Jeder muss für sich entscheiden, welche Aspekte bei der Wahl seiner richtigen Salonmarke wichtig sind. Und Fakt ist, dass wenn ein Friseur von einem Produkt begeistert ist und es schafft, auch seine Kunden von dem Produkt zu begeistern, dann ist es relativ egal, was da draufsteht und woher das Produkt kommt, das Leistungsversprechen muss stimmen!
Björn Muster und sein Model bei der ESTEL.Show 2019 ©ESTEL
Hohe Innovationsrate
ESTEL gibt es seit 2010 in Deutschland ©ESTEL
Welche Leistung verspricht denn ESTEL bzw. wo liegen die Produktstärken? Das ist relativ schwer zu beantworten, weil es sich hierbei oftmals um einen subjektiven Eindruck handelt. Dabei geht es zum einen um die Leistung des Produktes, aber auch um das Markenimage. Jedes Produkt, das ESTEL in Europa auf den Markt bringt, wird im Vorfeld von Chemikern analysiert und sicherheitsbewertet. Wir können mit Stolz behaupten, dass die Qualität unserer Produkte, die sich über unsere Inhaltsstoffe definiert, von den Chemikern, die ja auch einen direkten Vergleich zu anderen Marken haben, extrem hoch bewertet wird.
Welches ist denn Ihr persönliches Lieblingsprodukt? Definitiv das Stylingprodukt Airex Frisiercreme Matteffekt.
Was wird es in diesem Jahr von ESTEL noch Neues geben? In den verbleibenden Monaten dieses Jahres werden wir unsere salonexklusive Pflegeanwendung OTIUM Thalasso Therapie, die für spezielle Kopfhautbedürfnisse konzipiert wurde, erweitern. Außerdem haben wir mit der BEAUTEX Pflegebehandlung für unsere Salonpartner eine exklusive Dienstleistung am Start, die für langfristige Glättung und Strukturaufbau sorgt.
Auch das ist der Unterschied zu meiner „alten“ Welt: Wir müssen den Friseuren immer wieder neue Produkte und Dienstleistungen bieten, damit sie in der Lage sind, die Marke auch ihren Kunden gegenüber immer aktuell und spannend zu halten. Demzufolge ist die Innovationsrate, die ESTEL hat, extrem hoch. Und wir sind in der Luxussituation zu entscheiden, welche neuen Produkte von den vielen Neuheiten wir in Europa einführen.
Herr Wilde, vielen Dank für dieses offene und informative Gespräch!
Über ESTEL Die ESTEL Europe GmbH wurde 2010 in Leipzig gegründet und bietet seither unter dem Namen ESTEL in Europa ausschließlich friseurexklusive Produkte und Dienstleistungen an. Nach erfolgreichem Start in Deutschland folgten 2012 Tochtergesellschaften in Polen und Österreich.