Jörg Müller: „Eine Million zufriedene Salonkunden täglich können nicht irren!“
Die aktuellen Zahlen zur wirtschaftlichen Lage des Friseurhandwerks, veröffentlicht in der Jahreschronik „Spotlight“ des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks, werfen doch einige Fragen auf. FMFM hat beim Hauptgeschäftsführer Jörg Müller nachgefragt.
Erfreuliche Zahlen aus Köln! Von einem konjunkturellen Aufwärtstrend in unserer Friseurbranche ist da die Rede und einer Wachstumsrate in Sachen Umsatz von 2,6 % (von 2o17 auf 2018), Tendenz steigend. Als Grund wird die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach vielseitigen Friseurdienstleistungen angegeben, was ja auch die aktuellen EVA-Zahlen belegen. Im Gegensatz zu dieser erfreulichen Entwicklung drohen Personal- und Nachwuchsmangel diesen positiven Trend auszubremsen.
Herr Müller, heißt das im Klartext, dass Salonkunden künftig immer häufiger weggeschickt werden müssen, weil niemand da ist, um sie zu bedienen Jörg Müller: Erfolgreiche Friseure profitieren in der Tat von der aktuellen, sehr positiven Entwicklung des privaten Konsums. Und Schönheit hat generell in unserer Gesellschaft Konjunktur. Es gilt, diesen Trend auch für den eigenen Salon zu nutzen. Als Zentralverband wollen wir gegenüber der Öffentlichkeit unser Handwerk und seine Angebote also positiv darstellen. Der Schlüssel für den individuellen Markterfolg liegt in der Dienstleistung und im positiven Friseurerlebnis bei den eigenen Kundinnen und Kunden. Entscheidend ist also der Faktor Mensch. Der Wettbewerb um gute Mitarbeiter wird sich auch deshalb noch weiter verschärfen. Und natürlich ja, fehlende gute Mitarbeiter gefährden den Unternehmenserfolg – ganz gleich wie groß der Salon ist.
Um qualifiziertes Personal zu gewinnen, muss diesem vor allem finanziell mehr geboten werden. Doch woher nehmen? Die Anhebung der Dienstleistungspreise im Salon, kann das denn die Lösung sein? Jörg Müller: Aus rechtlichen Gründen kann ich hier keine Preisempfehlungen abgeben. Nur so viel, der Zentralverband hat in der ersten Jahreshälfte mehrfach mit großer Öffentlichkeitswirksamkeit auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Als Friseurunternehmer kann man es nutzen, wenn es in den Medien wiederholt heißt, dass die Friseurpreise steigen werden.
Steigt die Umsatzsteuerfreigrenze für Kleinstbetriebe?
Der ZV schätzt die Zahl der nicht umsatzsteuerpflichtigen Kleinstbetriebe auf derzeit rund 25.000 Einheiten. Diese bilden weder Nachwuchs aus noch beschäftigen sie Mitarbeiter. Inwiefern schaden diese Betriebe der gesamten Branche und wie schätzen sie deren weitere Entwicklung ein? Werden diese Betriebe künftig noch eher zunehmen? Wenn ja, gibt es eine Möglichkeit von Verbandsseite, dem entgegenzuwirken? Jörg Müller: Diese Situation bedeutet unfairer Wettbewerb und natürlich stressen wir diesen Missstand nachhaltig gegenüber der Politik. Leider ist die Sache aber mit Ausnahme der FDP für die meisten Parteien kein Thema. Im Gegenteil: die große Koalition plant sogar eine Erhöhung der Umsatzsteuerfreigrenze auf 22.000 Euro. So steht es im sogenannten Bürokratieentlastungsgesetz III, das in den letzten Tagen in die Beratungen eingebracht wurde. Der Zentralverband wird hiergegen entschieden ankämpfen.
Friseurausbildung immer noch beliebt
Laut ZDH hat sich im Jahr 2018 die Tendenz zum Ausbildungsrückgang im Friseurhandwerk weiter bestätigt. 6% weniger junge Menschen haben demnach eine Friseurausbildung begonnen als im Jahr davor. Gleichzeitig veröffentlichen Sie in Ihrer Jahreschronik, dass der Friseurberuf weiterhin auf dem 4. Platz der beliebtesten Ausbildungsberufe rangiert. Wie passt das zusammen? Jörg Müller: Das ist auch so. Die Ausbildung zum Friseur ist im Vergleich zu anderen Berufen noch immer sehr beliebt. Das muss man als Unternehmer nutzen, auch wenn es immer schwerer wird, guten Nachwuchs zu finden. Vor allem aufgrund der demographischen Entwicklung wird der Kreis der potentiellen Azubis in der Tendenz kleiner. Ausbildung und Education sind aber zentrale Leitungsaufgaben im Salon. Dem sollte man sich nicht verschließen, sondern bei den Jugendlichen vor Ort aktiv Marketing für den eigenen Salon machen. Richtig ist aber auch, dass die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung vielerorts vor allem nur auf dem Papier steht. Ausbildung wird für das personalintensive Friseurhandwerk dabei auch noch immer teurer. Das muss sich ändern. Die „Ausbilder der Nation“ im Handwerk verdienen eine spürbare Entlastung. Dafür kämpfen wir als Zentralverband.
Widersprüche?
Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Jahr 2018 15.424 Friseurinnen und Friseure arbeitslos gemeldet. Verfolgt man die Diskussionen und oftmals verzweifelten Hilferufe der Salonbetreiber in den Sozialen Medien nach qualifiziertem Personal, kann man diese hohe Zahl irgendwie nicht nachvollziehen… Jörg Müller: Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb starten viele Arbeitsagenturen mit den Innungen und Kammern vor Ort auch Wiedereingliederungsprogramme, um dieses Missverhältnis aufzulösen.
In den Medien sowie bei potenziellen Azubis und deren Eltern genießt der Friseurberuf bekanntlich nach wie vor ein eher negativ besetztes Image. Andererseits steigt die Nachfrage nach Friseurdienstleistungen und somit auch die Wertschätzung für diesen Beruf. Da ist doch irgendwie der Wurm drin? Jörg Müller: Da haben Sie recht. Man liebt seinen Friseur, gute Friseure sind gefragt, aber das eigene Kind braucht dann schon Überzeugungskraft, um diesen Traumberuf erlernen zu dürfen.
Nicht nachlassen!
Wie ist Ihre persönliche Einschätzung und Ihr Ausblick für die weitere Entwicklung unserer Friseurbranche in Sachen Image, Personalentwicklung und Nachwuchs? Jörg Müller: Ich bin überzeugt, ein positives Image beginnt bei einem selbst. Friseure können stolz auf Ihr Handwerk und Ihre Kreativität sein. Und vor allem sollte man das damit verbundene Können auch selbstbewusst nach außen tragen. Eine Million zufriedene Kunden täglich können doch nicht irren. Personalentwicklung und Nachwuchs sind zentrale Faktoren für den Salonerfolg und damit eine, wenn nicht sogar die wichtigste Managementaufgabe. Auch wenn es schwerfällt, man darf hier nicht nachlassen. Erfolgreiche Friseure machen den Unterschied – nicht nur beim Image.
Das Gespräch mit Jörg Müller führte Gabriela Contoli
Alle aktuellen Zahlen rund ums Friseurhandwerk findet ihr hier