Josephine Acht-Kötter: Nicht besser als Mama, anders!
Wenn die Mutter Weltmeisterin ist und das Kind denselben Berufsweg einschlägt, ist der Nachwuchs entweder besonders ambitioniert oder schlichtweg wahnsinnig. Josephine Acht-Kötter ist ersteres. Zwar ist die 25-jährige die Tochter von Martina Acht, aber sie ist weit mehr als das. Mit 16 lernte sie den Friseurberuf, hatte schon mit knapp 19 den Meisterbrief in der Tasche. Und statt sich von den gewaltigen Fußspuren der Mama beeindrucken zu lassen, sagt sie selbstbewusst: „Ich trete einfach neben ihre Fußstapfen und hinterlasse meine eigenen Abdrücke“. Ein Interview mit einer mutigen, jungen Frau voller Visionen.
Josephine, wie kommt man als Tochter einer Friseurweltmeisterin dazu, den gleichen Beruf zu wählen?
Josephine: Es war nicht immer mein Ziel, Friseurin zu werden. Wie vermutlich alle Kinder fand ich die Berufe meiner Eltern blöd. Es gab allerdings ein Schlüsselerlebnis. Das war, als mich meine Mutter mit etwa 15 Jahren zur „Alternative Hair Show“ nach London mitnahm. Ich habe ihr hinter der Bühne den ganzen Tag die Haarnadeln gehalten und durfte bei Showbeginn im Publikum sitzen. Als dann das Team Martina Acht aus Germany auf der Bühne angekündigt wurde, liefen bei mir nur noch die Tränen, so stolz war ich. Als ich nachts um eins ins Taxi stieg, war mir klar: „Ich will auch Friseurin werden!“
Heißt das zwangsläufig Ausbildung bei der Mutter?
Josephine: Nein! Ich habe mich damals für eine Ausbildung bei Pivot Point entschieden, die es so leider heute bei uns nicht mehr gibt. Nach 10 intensiven Wochen Praxis am Übungskopf haben wir im Ausbildungssalon gearbeitet und hatten unsere eigenen Kunden. Ich staune heute noch darüber, was wir in diesen 2½ Monaten alles gelernt haben. Das war irre. Am Kunden selbst stand anfangs immer ein Ausbilder hinter uns und hat jede Schnittlinie kontrolliert. Nach 1½ Jahren habe ich meine Gesellenprüfung abgelegt. Allerdings in Graz, weil diese kurze Ausbildungszeit in Deutschland nicht zulässig war.
Wie ging’s weiter?
Josephine: Als Gesellin habe ich ein halbes Jahr im Salon meiner Mutter gearbeitet. Zwar waren da alle überrascht, was ich schon konnte, aber irgendwie war ich dort doch noch „das Kind“. Da war für mich klar, dass ich noch den Meister dranhängen will. Ein halbes Jahr später war es soweit: Ich hatte meinen Meisterbrief. Damit bin ich dann wieder zurück zur Mutti nach Offenbach. Aber ich war erst 19 und hatte das Bedürfnis, noch mal rauszukommen.
Zielstrebig
Eigene Ideen und Ziele
Das ist ja Turbogang. Welcher Salon war reizvoll?
Josephine: Ich hatte das große Glück, dass gleich meine erste Bewerbung bei Thomas Kemper in München geklappt hat. Dort war ich 2½ Jahre und habe sehr viel gelernt.
War der Name Acht für Sie ein Türöffner?
Josephine: Das kann schon sein. Thomas Kemper hat vielleicht auch anfangs gedacht, dass da eine zweite Martina Acht um die Ecke käme. Aber ich habe gleich gesagt: Ich bin Jungfriseurin und möchte lernen! Die Wahrheit ist ja schließlich, dass man diesen Beruf erst nach der Ausbildung richtig lernt. Die Praxis im Umgang mit den Kunden ist das, was einen besser werden lässt.
Vor 3 Jahren sind Sie dann aber wieder in den mütterlichen Salon zurückgekehrt. Warum das?
Josephine: Dass ich die Ausbildung woanders machen würde, war immer klar. Aber auch, dass ich irgendwann zurückkehre. Damals zeichnete sich schon das Personalproblem ab, das inzwischen die ganze Branche prägt. Das Team im Salon meiner Mutter kam immer mehr ins Rotieren, weil wir in der glücklichen Lage sind, einen supertollen großen Kundenstamm zu haben. Ich fragte mich also, warum ich für jemand anderen arbeiten sollte, wenn ich dort gebraucht würde. Also ging ich zurück – und ich war in der Augen der anderen endlich nicht mehr „das Kind“.
Zusammen stark
Sie lieben & streiten sich
Seite an Seite einer solch erfolgreichen, erfahrenen Mutter zu arbeiten, ist sicher nicht ganz einfach, oder?
Josephine: Doch, das geht gut, wenn man sich auf Augenhöhe begegnen kann. Meine Mutter macht ausschließlich Haarschnitte; ich mache alles. Wir kommen uns da nicht ins Gehege, und sie redet mir nicht einfach rein. Aber ich habe auch keine Hemmung, sie um Rat zu fragen. Sie ist handwerklich ein unglaubliches Vorbild für mich und hat eine sehr schöne und ehrliche Art, mit Menschen umzugehen. Ich lerne viel von ihr. Bei neuen Colortechniken hingegen habe ich aktuell mehr Praxis als sie. Das ist für sie kein Problem. Und zum Glück haben wir eine gute Streitkultur in der Familie. Meine Oma und meine Uroma waren auch schon Friseurinnen mit eigenem Salon. Mit ihnen arbeitete meine Mutter früher zusammen. Mein Opa war für die Finanzen, die Mitarbeiter und die Zusammenarbeit mit den Unternehmen verantwortlich. Er war als Typ ein richtiger Silberrücken-Gorilla im positiven Sinne. Und er sagte immer „Über Geld muss man sich streiten; nur dann kann man es auch verdienen.“
Das klingt krass.
Josephine: Ist es aber nicht. Er meinte damit, wenn die Familie Geld investiert, dann muss man es als Junior auch wirklich ernst meinen und durchziehen. Das betraf aber in erster Linie meine Mutter, die 1992 das Haus erbauen ließ, in dem sie dann ihren eignen Salon eröffnet hat. Ich selbst spüre diesen Druck nicht so. Wir haben aber natürlich auch unsere Auseinandersetzungen. Aber uns beiden ist Harmonie wichtig. Egal, was im Salon tagsüber war: abends muss man wieder zusammen essen gehen können (lacht). Das wurde mir so vorgelebt. Und es funktioniert.
Shows & Shootings
Leidenschaft für Shows & Shootings
Martina Acht kennen viele auch von ihren Tourneen auf der Bühne. Sie selbst sind auch abseits des Salonalltags kreativ unterwegs…
Josephine: Ja, Veranstaltungen und Fotoshootings machen mir wahnsinnig viel Spaß! Ich engagiere mich inzwischen sehr bei der ICD und hatte das riesige Glück, kürzlich beim Weltkongress in Osaka als eine von zwei deutschen Friseuren im internationalen Team eine Manga-Kollektion mitgestalten zu dürfen. Auch bei Kollektionsshootings und Backstage-Stylings während der Berlin Fashion Week in Berlin war ich dabei. Das sind tolle Erfahrungen, die mir viel Freude bereiten.
Liebe zum Beruf
Traumhaft: der Outdoor-Salon
Haben Sie den Schritt in den Friseurberuf jemals bereut? Sie sind Friseurin in der 4. Generation…
Josephine: Überhaupt nicht! Ich arbeite in einem traumhaft schönen Salon im wunderbaren Offenbach. Im Sommer haben wir einen Outdoor-Salon, in dem wir ab 25 Grad draußen arbeiten. Das ist herrlich. Und die Kundinnen meiner Mutter akzeptieren mich auch total. Hinzu kommen die kreativen Ausflüge, die ich mache. Ich finde es schade, dass manche sagen „Du bist ja nur Friseurin“. Wobei ich auch feststelle, dass viele Friseure selbst gar nicht wissen, was sie mit diesem schönen Beruf alles machen können. Mir geht es eher so, dass ich gar nicht sagen kann, wo ich zum Beispiel in 5 Jahren stehen möchte. Ich habe doch mit diesem Handwerk unendlich viele Möglichkeiten.