Junge Leute, wo seid ihr? Wir Friseure sind die glücklichsten Menschen!

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Liebt, liebt, liebt seinen Friseurjob - Andi Ehrle
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Liebt, liebt, liebt seinen Friseurjob - Andi Ehrle

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Friseur*in zu werden müsste eigentlich der Traumberuf schlechthin sein. Eigentlich. Warum das nicht so ist? Friseur-Junkie Andreas Sebastian Ehrle kann’s nicht begreifen. In seiner neuen Kolumne öffnet er sein Herz. Zum Vorschein kommt die pure Leidenschaft für diesen Job aller Jobs! Und wir sind überzeugter denn je: Friseur*in zu sein IST ein Traumberuf!

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Schon lange und auch sehr oft frage ich mich immer und immer wieder, warum nicht wirklich Nachwuchs in unserer Branche in den Startlöchern steht? Einfach nur junge Menschen, so wie ich es vor nun schon 25 Jahren auch war. Ein Kerl, der nicht so recht wusste, was er eben werden sollte. In der Schule hat es nicht so richtig geklappt bei mir damals. Ich war auf dem Gymi, da passte ich nicht so ganz hin. Also runter auf die Realschule. Den Abschluss durchwürgen. Dann kam die große Frage: Was soll ich machen, was soll ich werden und vor allem: was will ich überhaupt?

Keine Ahnung, aber Bock

Keine Ahnung hatte ich damals. Es war eine Zeit, in der die Eltern noch mit zum Bewerbungsgespräch kamen. Eben zeigen, dass alles gut bei dir ist. Dass du aus gutem Hause kommst, mit Leuten hinter dir, die für dich bürgen. Ich wurde Hotelfachmann. Meine Mum meinte, das passe zu mir. Das ging acht Monate gut, dann war der Dampf raus. Es war nichts für mich: keine Kreativität im Beruf, Leuten das Essen bringen und Betten machen. Ein Leben lang? Das war damals schon nicht das, was zu meiner Person passte. Meine Idee: Rapper wollte ich werden. Mit den breiten Hosen und dem Mic in der Hand hatte ich ab und zu 'nen Gig in den Jugendhäusern, mal beim Stadtfest oder, wenn’s fett war, mal in einem Club. Das Ganze für Luft und Liebe, ohne Bezahlung, aber die Girls fanden es gut. Besser als nichts, dachte ich mir. Mir wurde aber auch schnell klar, dass ich eben hier und hiermit nicht weit komme. Also – was nun? An einem Abend im „Cindy“, der Disco in meiner „Hood“, lernte ich Katy kenne. Älter als ich, hübsch und Friseurin. Ich war zu der Zeit schon ein paarmal bei ihr zum Schneiden gewesen. Wir kamen zusammen. Später meinte sie: „Werd’ doch Friseur, passt zu Dir. Der Job macht Spaß und wir können später mal einen Laden zusammen machen.“

Gute Gene dank Oma & Opa

Meine Oma Anna war ihr Leben lang Friseurin. Von ihrem vierzehnten Lebensjahr an. Immer mit Liebe zum Beruf, mit Liebe zum Haar und aus der Liebe zu den Kunden. Mein Opa Sepp war auch Friseur. Er war laut Erzählung nicht wirklich gut, sah aber verdammt gut aus. Die Frauen mussten ihn einfach lieben und somit war sein Stuhl immer voll. Er hatte damals einen Opel Manta. Hart im Klischee, aber so war es eben. Blondierte Frau und Goldkette mit Kreuz. Auch das ist etwas, was in diesem Job anders ist als in vielen anderen Jobs. Er lebt von der Person und durch die Person, die hinter dem Stuhl steht. Damit steht und fällt der Erfolg!

Feuer gefangen

Also wurde ich Friseur. Es fiel mir so schwer, ich hatte immer Angst vor den Kunden, wurde rot vor dem Spiegel. Ich merkte es und wurde röter und röter. Scheiße, dachte ich mir! Wie soll ein Hetero, der Rapper sein will und einen auf Bad Boy macht, den Frauen zeigen, was sie mit ihren Haaren anstellen sollen? Das passte halt nicht. Mein Chef war cool. Er rollte mit seinem Hocker von Kundin zu Kunde, quatschte, schnitt Haare und dann ab zur nächsten. Ein dickes Auto hatte er auch und mehrmals im Jahr ging’s in den Süden. Ich beobachtete ihn immer mit meinem Besen in der Hand und plötzlich wusste ich: Da will ich hin! Ich zog also die drei Jahre Lehre durch, wurde Geselle.

Viel gerlernt in kurzer Zeit

Dann kam der Zivildienst. Bei mir waren es 13 Monate Popos putzen und pflegen. Auch das gehörte dazu und hat mir gezeigt, um was es im Leben geht. Dann war es vorbei. Ich bewarb mich in einem Salon. Bei Steffi, die hatte einen guten Ruf und war hübsch. Sie übernahm mich und kurz danach durfte ich ihren Salon leiten, da sie schwanger war. Acht Friseure. Dafür war ich viel zu jung und konnte noch nichts. Aber dadurch lernte ich es. Mir wurde damals klar: Ich bin soweit. Eigener Laden, dein Name an der Tür. Dein Weg, dein Erfolg. Dein Traum und deine Leidenschaft.

Verdammt: es lief!

Meine frühere Kollegin Sabina und ich gründeten das „Déjà vu“. Das war 2001. Ich hatte soviel Angst, hatte Respekt, arbeitet sechs Tage à zwölf Stunden die Woche. Kein Urlaub, kein nichts. Vom ersten Tag an hatten wir das Glück, dass die Kunden uns die Hütte einrannten. Das ist bis heute, 20 Jahre später, noch immer so. Nach ein paar Jahren trennten sich Sabinas und mein Weg und ich machte alleine weiter. Auch damals hatte ich Angst. Alleine – packe ich das? Ich verlor mindestens acht Kilo. Sah echt mager aus, aber ich packte es. Die Kund*innen kamen weiter. Sogar neue und andere dazu. In diesen ganzen Jahren hatte ich zwar ein wechselndes, aber immer ein Top-Team. Immer Leute, die mit mir waren. Menschen, die so wie ich die Leidenschaft zu den Haaren teilten. Wir sind doch die, die die Menschen glücklich machen. Auf dem Kopf und in der Seele. Genau deshalb frage ich mich: Junge Leute, wo seid ihr? Warum kommt kein Nachwuchs?

Dieser Job ist Herzenssache

Klar, der Beruf ist oft schlecht bezahlt. Und man arbeitet auch samstags. Aber in welchem Job kannst du anziehen, was du magst, kannst die Haare tragen, wie es dir gefällt, arbeitest direkt am Menschen und im Warmen? Und das alles für die Schönheit. Die Kund*innen mögen dich und kommen gerne, man bekommt Trinkgeld und hat täglich interessante Gespräche. Lernt viel dazu und kann diesen Job wo auch immer oder wie auch immer machen. Du brauchst nicht viel: einen Kamm, eine Schere, das Wissen, wie es geht oder manchmal auch einfach nur die Kreativität und den Mut, es zu wagen. Haare schneiden – so einfach und gleichzeitig so schwer. Kund*innen brauchst du natürlich auch, aber die lassen sich ja finden. Ich glaube, ich kann behaupten, dass wir Friseur*innen mitunter die glücklichsten Menschen sind!

Was man noch so alles im Leben als Friseur reißen kann, erzähle ich Euch in Teil 2 meiner Story… Coming soon!

Euer Andi

 

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