Karrierekiller Kind? Was (Friseurinnen-)Mütter wirklich brauchen!
Neulich starteten wir die Debatte: Sind Mütter im Friseurhandwerk tatsächlich benachteiligt? Ja klar, sagen die einen. Kommt drauf an, die anderen. Wir haben vier Frauen und Mütter gefragt, die es wissen müssen! Als FMFM Artists und Saloninhaberinnen kennen sie beide Seiten: die als Mutter und die als Unternehmerin. Was machen sie aus eigener Erfahrung mit ihren Mütter-Mitarbeiterinnen anders? Und welche Unterstützung geben sie ihnen als Chefinnen?
Unser kürzlich veröffentlichtes Interview mit Artist Sonja Hansmann zum Thema „Berufliches Mom-Shaming“ hat eingeschlagen wie eine Bombe. Offensichtlich haben wir hier einen Nerv getroffen, der schon lange offenliegt, pulsiert und dringend deutlichen Behandlungsbedarf zeigt. Daher haben wir die erfolgreichen Salonunternehmerinnen und Mamas Stefanie Ehrich, Denise Bredtmann, Melanie Chaari und Kati Kalinowsky gefragt: Ist frau selbst schuld, wenn die Karriere mit Baby ins Stocken gerät, oder muss die Branche Müttern mehr Chancengleichheit bieten?
Stefanie Ehrich, Saloninhaberin und alleinerziehende Mutter einer Tochter
Stefanie Ehrich sieht beide Seiten im Zugzwang.
Ich habe zum Thema eine sehr differenzierte Meinung. Grundsätzlich glaube ich, dass man mit der Entscheidung, Mutter zu werden, auch einer Änderung im beruflichen Werdegang zustimmt. Diese Wahl wird aber nicht von den anderen getroffen, sondern liegt bei der Frau selbst. Es ist nun mal so, dass man mit einem Kind keine großen Karrieresprünge machen kann, um schnell und steil aufzusteigen. Das lassen die neuen Verpflichtungen und Verantwortungen als Elternteil gar nicht zu. Aber das heißt nicht, dass man auf der Stelle tritt! Man hat eben in dieser Lebensphase andere Prioritäten, die sich im Laufe der Zeit natürlich wieder ändern. Ich habe oft das Gefühl, dass viele Mütter gerne ein Leben haben möchten ohne Kinder, aber mit Kindern! So möchten viele Mütter nicht das Wochenende auf Seminaren verbringen, sondern lieber zu Hause bei ihren Kindern sein. Verständlicherweise! Daher halte ich es für falsch, den Arbeitgeber zu sehr in die Verantwortung zu ziehen. Nicht immer lassen Lage und Art des Salons eine Flexibilität bei Arbeitszeiten und Weiterbildungsangeboten zu, sodass der Arbeitgeber gezwungen ist, Mütter wie jede andere Fachkraft einzuteilen. Ist das Mutter-Shaming, wenn ich als Unternehmer den Betrieb des Salons aufrechterhalten möchte? Das Phänomen – wenn wir es als solches bezeichnen können – sollte man aus beiden Winkeln betrachten. Als Mutter finde ich es verständlich, bei meinem verschnupften Kind zu sein, aber als Unternehmerin habe ich ebenfalls die Verantwortung, dass der Betrieb weiterläuft und meine Angestellten bezahlt werden. Es ist ein Geben und Nehmen, das viel Engagement von beiden Seiten erfordert.
Melanie Chaari, Salonunternehmerin und Mutter eines Sohnes
Mellie Chaari möchte ihren Mitarbeiterinnen ihre Erfahrungen mit dem Thema ersparen.
Gestartet bin ich als One-Man-Show, heute blicke ich mit Stolz auf mein großartiges 12-köpfiges Team, bei dem auch einige Mütter dabei sind. Als Mutter eines Kindes weiß ich, wie wichtig Flexibilität bei den Arbeitszeiten ist, daher legen wir im Team einen speziellen Fokus auf diesen Ansatzpunkt. Wir unterstützen uns hier gegenseitig, ohne dass sich Nicht-Mütter und Mütter in einer Form diskriminiert oder ausgeschlossen fühlen. Muss jemand kurzfristig für eine andere Kollegin (Mutter) einspringen, erhält derjenige natürlich sofort Freizeit oder Ausgleich der Überstunden. Auch bei der Urlaubsplanung werden Mütter und Väter zuerst berücksichtigt. Bei den Brückentagen bin ich als Unternehmerin sogar noch einen Schritt weitergegangen: Ich habe diese Tage einfach als Schließzeit organisiert. So können alle meine Mitarbeiter*innen – ob Eltern oder nicht – diesen Tag genießen. Ich achte tatsächlich darauf, dass die Einstellung neuer Mitarbeiter*innen gegenüber Müttern und Vätern meiner Sichtweise entspricht. Ich meine, als Arbeitgeber*in sollte man sich bemühen, Müttern und Vätern Unterstützung und Verständnis anzubieten. Gerade wenn man in der gleichen Situation ist, dürfte das ja nicht besonders schwerfallen.
Denise Bredtmann, Saloninhaberin und Mutter einer volljährigen Tochter
Die Unternehmerin und Mutter einer Tochter kämpft für eine veränderte Sichtweise auf Frauen und Müttern im Handwerk.
Zum „Shaming“, also zum „Herabsetzen“ einer Person, in diesem Fall einer Frau, die Mutter ist, gehören immer zwei. Viele Mütter setzen sich automatisch herab, sobald sie in die Arbeitswelt gehen und sich als Frau weit unter ihrem Wert verkaufen. Es gilt klare Grenzen zu setzen, denn oftmals werden Mütter als schwarze Schafe für schlechtes Salonmanagement missbraucht. So sind ein mieses Teamklima, fehlende Mitarbeiter und ausbleibende Umsätze nicht die Schuld von Angestellten mit Kindern, sondern ein Ergebnis mangelnder Führungskraft und Salonorganisation. Natürlich liegt es auch in der Hand der Mütter, zum Erfolg des Salons beizutragen, indem sie sich einbringen. Als Unternehmerin kann ich meine Mütter bis zu einem gewissen Grad unterstützen und entgegenkommen. Doch die Bereitschaft, gesetzte Ziele zu erreichen, muss schon von ihnen selbst kommen. Ich hatte vor ein paar Jahren mal die Bekanntschaft einer Friseurin und Braut in spe gemacht. Diese erzählte mir, dass ihr Chef sie trotz Anfrage nicht auf Weiterbildungsseminare schickt. Seine Begründung: Der Aufwand – also sein Invest – lohne sich für ihn nicht, da sie ja höchstwahrscheinlich als Mutter ohnehin bald fehlen würde. Unglaublich, mit welchen Vorurteilen Frauen schon vorab Wege versperrt werden! Das muss sich in unserer Branche definitiv ändern und dafür kämpfe ich auch!
Kati Kalinowsky, Saloninhaberin und alleinerziehende Mutter einer Tochter
Kati Kalinowsky hat aus der Vergangenheit für die Zukunft gelernt und ihr Salonkonzept ans Familienleben angepasst.
Ich sehe immer noch im Rückspiegel das verweinte und entsetzte Gesicht meiner kleinen Tochter. Sie ist krank, fühlt sich elendig und will nur zu ihrer Mama. Ich selbst fahre weinend in den Salon; es warten ja wichtige Kunden. Heute – 14 Jahre später – weiß ich, dass kein Kunde jemals wichtiger sein kann als ein krankes Kind! Sogar jetzt noch fühle ich all die Scham und Trauer. Damals habe ich Übermenschliches von mir verlangt: Ich war erst seit zwei Jahren selbstständig, hoch verschuldet, hatte zwei Geschäfte mit zehn Mitarbeitern. Erst war ich schwanger und dann alleinerziehend. Meine Tochter musste viel zu oft bei einer Nanny oder in der Krippe bleiben, bis ich beschlossen habe, dass sich hier etwas ändern muss! Niemand soll sich so zerrissen fühlen müssen. Seitdem versuche ich wirklich alles, um meinen Mitarbeiterinnen (alles Mütter) diesen Druck so gut es geht zu nehmen. Wir sind nur noch ein kleines Team. Fällt eine Mama aus und es kann niemand einspringen, bleibt zur Not auch mal der Salon geschlossen. Was ist ein Tag weniger Umsatz schon gegen eine Mama, die sich mit gutem Gefühl um ihr Kind kümmern kann und danach glücklich wieder hinter dem Stuhl steht? Es ist wirtschaftlich verschmerzbarer, einen Schließtag zu haben, als eine Mutter und qualifizierte Fachkraft zu verlieren, weil der Druck zu hoch ist. Unsere Kunden sind sehr verständnisvoll, schließlich sind fast alle selbst Mütter. Natürlich liegen manche Dinge nicht in meiner Hand: Den größten Kundenansturm haben wir nachmittags und samstags. Es bleiben familienunfreundliche Arbeitszeiten – da kann ich noch so viel Puderzucker darüberstreuen. Würden wir nur bis 14:30 Uhr ohne Samstage arbeiten, würden das das gesamte Unternehmen wirtschaftlich zu stark beanspruchen. Ich würde gerne so viel mehr tun, aber die Realität hat einfach noch Grenzen. Ich wünsche jeder Mama die Weitsicht und Ruhe, diese Balance für sich so gut es geht zu schaffen!
Friseurin? Stylistin? Oder gar Friseuse? Zur Etikette und Geschichte der Berufsbezeichnung Friseurin