„Kein Nachwuchs im Handwerk? Dann mal viel Spaß bei der Bartrasur, Frau Professor!“

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31. Juli 2023In UncategorizedVon Simone Frieb
31. Juli 2023In UncategorizedVon Simone Frieb

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Andi Ehrle ist angefixt: Seine neue Herzensaufgabe, im ganz großen Stil auf die Azubi-Krise im Friseurhandwerk aufmerksam zu machen und Nachwuchs zu begeistern, ist zwar ein zähes Geschäft. Aber zum Glück hat der FMFM Artist hat echte Terrier-Qualitäten. Andi über seine Ups & Downs in der friseurigen „mission (im)possible“.

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An dieser Stelle bewusst zuallererst mal ein fettes DANKE! Leute – wie heftig war das denn bitte? Nach meinem letzten Artikel mit den „Youngsters Bock machen…“  vor ein paar Wochen, in dem es um Lehrlinge und Co. ging, kam eine krasse Welle von euch auf mich zu. Viele schrieben mir tolle Zeilen, sprachen mir Mut zu oder boten mir sogar ihre Hilfe an. Wie geil ist das denn? Gleichzeitig zeigt es mir aber auch, dass wir endlich handeln müssen. Zugegeben: Selbst wenn wir sofort loslegten, wären die positiven Auswirkungen auf unsere Branche erst in ein paar Jahren zu sehen. Aber besser spät als nie, oder? Auch wenn manche meinen, dass es bereits jetzt schon zu spät ist. Ich meine, es ist zu spät, wenn wir jetzt schon aufgeben. Nur wer nicht kämpft, hat schon verloren. Wer aber in die Schlacht zieht, kann auch siegen!Deshalb lasst uns kämpfen! Und zwar bitte alle zusammen!

Aufmerksamkeit schaffen – aber wie?

Zuerst dachte ich mir: Die große Resonanz auf meinen letzten Kommentar baut in mir nun mächtig Druck auf. Aber letztlich ist es genau das, was ich, wenn ich meine letzten Jahre im Rückblick beobachte, immer gebraucht habe. Druck hilft mir beim Fokussieren. Dann weiß ich, dass ich liefern muss, und das treibt mich an. Also habe ich daraufhin gleich mal in einem Gymnasium in unserer Stadt angerufen. Den Kontakt hatte ich durch meine Kundin. Ich habe für die Kontaktaufnahme ein Gymnasium gewählt, das vom Ruf her am lockersten ist. Die anderen sind gefühlt sehr steif und nicht so cool. Dort zu landen, wäre noch schwerer. Ich hatte also ein super Gespräch mit der Konrektorin. Eine total nette und offene Frau. Sie bot mir an, dass wir sehr spontan an einem Tag kommen könnten, an dem die neunte Klasse Stationen durchläuft, um Berufe aus dem Handwerk kennenzulernen. Das heißt, du zeigst als Friseur*in an einem solchen Tag, wie du Kamm und Schere hältst, machst was an der „Plastic Lady“ und erzählst was über den Job. Das Ganze für zwei Klassen. „Hm“, dachte ich mir, „das ist aber leider dann doch zu wenig für die angepeilte Zielgruppe. Mit Glück bleibt vielleicht danach eine/r bei unserem Job hängen; mit viel Glück.“ Meine Idee also: Wir brauchen eine größere Bühne. Da können wir wirken und da werden wir punkten!

  1. Etappe: die Zeitung…

Ich wollte das Thema „Youngster-Werbung“ also eher an eine echt fette Glocke hängen. Nach so vielen Jahren hinter dem Stuhl habe ich einen recht guten Draht zu einer sehr großen Zeitung. Dachte ich zumindest. Diese Zeitung hatte in den letzten Jahren immer mal wieder was über mich gebracht. Also ein Anruf und ich habe der Redakteurin ein paar Facts und Werte meines Vorhabens definiert, unseren Friseurberuf beim Nachwuchs wieder „famous“ zu machen. Sie fand das richtig gut und vor allem auch wichtig, das öffentlich zu machen. Ein heißes Thema zur richtigen Zeit, hieß es. Die Leute müssten schließlich erfahren, dass wir Not im Handwerk haben und Nachwuchs kommen muss. Sie meinte zwar, die Woche sei voll, aber nächste würde sie sich bestimmt melden. Ich meldete mich dann gegen Ende der darauffolgenden Woche. Ihre Antwort war: „Hat meine Kollegin sich nicht bei Ihnen gemeldet? Ich gebe es ihr nochmal weiter.“ Ein paar Tage später dann nochmal eine Mail von mir, keine Antwort. Hey, mal ganz ehrlich! Ein „Ja“ ist bei mir ein „Ja“ und was Gutes ist doch was Gutes! Da sollte doch eine innovative Zeitung schon mitgehen. Finde ich! Bei allem Mist, der da sonst so zum Teil drinsteht. Sorry! Bis heute kam kein Anruf von ihr. Die Erkenntnis daraus: Einmal mehr keine Lobby. Danke dafür, dachte ich mir. Das läuft ja super bis jetzt. Kostet ja alles keine Zeit. Aber wartet, es kommt noch viel besser.

  1. Etappe: Markus Lanz…

Ich bin so ein Typ, der ruft einfach mal an. Also mein zweiter Versuch: die Redaktion von Markus Lanz. Zu der hatte ich schonmal in der Pandemie Kontakt; damals ging es um die Hilfen und das, was mit uns gemacht wurde. Hier passte ich dann aber doch nicht ins Programm, meinten die. Egal. Was soll’s auch. Ich hatte der Redaktion am Tag davor den Link zu meinem Artikel mit den Youngsters geschickt mit der Bitte und Wichtigkeit, da mal drüber zu schauen. Die Dame am Telefon meinte, sie hätte das auch bekommen und gesichtet. Wow, dachte ich mir, diesmal fängt es gut an! Ich quatschte also ein paar Minuten mit ihr. Dann war sie weg. Tut, tut, tut. Nächster Anruf. Kein Glück mehr. Da ging keiner mehr ran. Dabei sah es vorher so vielversprechend aus: Spannend und gut fand sie das Thema, sie meinte, ich kann gut reden und argumentieren. Na ja. Dann mal danke für das Tut-Tut und dafür, dass meine Mail bis heute nicht beantwortet wurde. Vielleicht waren die zwei, die von der Zeitung und die Mitarbeiterin von Lanz, auf derselben Schule oder im selben Studium mit dem Titel: „Wie lerne ich, so zu tun, als würde ich das voll toll finden, mitziehen und dann gibt‘s den Mittelfinger?!

Muss ich eigentlich betteln, um zu punkten? Sollen wir vielleicht alle streiken gehen? Die Frage ist nur: Weswegen und gegen wen? Die Scheren hinschmeißen, dann gibts halt keinen Haarschnitt. Bringt uns das was? Eher nicht. Dann fehlt ja der Umsatz und den brauchen wir. Habt ihr eine Idee? Für mich war das alles echt ernüchternd, aber aufgeben ist keine Option.

Das eigentliche Problem!

Warum ich nicht auch – wie viele andere – gefrustet untertauche und die Azubikrise einfach Krise sein lasse? Ich kann es euch sagen: das Thema ist einfach zu wichtig! Ich habe mir heute beim Haareschneiden überlegt: Wie geht es eigentlich weiter, wenn wir zwei Nasen, die in meinem Salon arbeiten, nicht mehr arbeiten? Dani ist 53, ich 46. Dani meint oft, sie liebe ihren Beruf, aber sie wisse nicht mehr, wie lange sie das noch packt.  Klar, vieles hat sich geändert in den letzten Jahren, durch die Pandemie oder was auch immer. Die Kund*innen sind nicht mehr so locker und frei wie früher. Die Themen des Lebens sind belastender, auch für uns hinterm Stuhl. Was sagt ihr? Kommentare gerne im Feed. Für mich ist allerdings sicher: ich werde, solange ich stehen kann, Haare schneiden. Ist ja auch mein Salon, meine Liebe, also was sonst. Aber auch das ist irgendwann vorbei. Und dann? Meine Kids, Davie mit sechs und Romy mit nun drei Jahren? Das wäre natürlich mein Stolz, wenn das je klappt.

Jetzt mal im Ernst: Wer kommt danach, wer führt das Geschäft weiter, wer will das denn überhaupt noch machen? Und genau das ist das Problem. Ich glaube, die soliden Mittelklasse- bis Highclass-Salons, also die Läden, die wir alle haben oder in denen wir arbeiten, werden im Moment nicht unbedingt mehr. Da ist ein Rückgang zu spüren.

Was aber weiter wächst, sind die Läden, die so um die 15 Euro nehmen. Oft für einen Haarschnitt, den viele ja nicht einmal offiziell anbieten dürfen, weil bei ihnen nur Bärte erlaubt sind. Egal. Das Problem ist jedenfalls, falls es das gut gelernte Handwerk nicht mehr gibt und die Friseur*innen mit Tradition und klassischem Können mehr und mehr verschwinden, weil kein Nachwuchs kommt, bleibt da nur noch der Elf-Euro-Salon. Auch für Frau Doktor, die Professorin oder wen auch immer. Dann heißt es: Viel Spaß bei der Bartrasur, Frau Doktor! Sorry, der musste sein. Klar kann ein billiger Haarschnitt auch ein guter sein. Aber ein gelernter Cut im sauberen, vertrauten Ambiente ist besser. Ich will hier niemanden angreifen, aber wenn wir nicht handeln, dann wird es leider so kommen.

  1. Etappe: Stadtevent

Zurück zum Thema „Bock machen für unsere Friseurkunst“. Bei uns in Tübingen gibt es eine große Halle, in der tolle Veranstaltungen stattfinden. Da habe ich natürlich auch angerufen. Wieder das gleiche Spiel. Der Herr meinte, klingt gut, ja, es ist wichtig zu handeln und es sei eine super Idee. Mein Ansatz: Ein Infoabend für die intellektuellen Tübinger Eltern und deren Kids, die sich bald für eine Berufsausbildung entscheiden müssen. Ist doch was. Ein paar Speaker auf der Stage, nicht so der Standard, sondern mit Storys, die bewegen und Lust auf das jeweilige Handwerk machen. Ein Abend, den es so noch nie gab… cool. Vorbilder on Stage! Das kann doch ziehen. Dazu die Zeitung, der Bürgermeister, das Radio etc., die mitziehen. Klingt gut. Aber zurück zur nackten Realität. Mein Gesprächspartner meinte, er verbinde mich nun mit seiner Kollegin, die für die Buchung zuständig sei und mir die Konditionen hierfür nenne. Aaaaaaaaaah, ok. So läuft das also. Jetzt soll ich für mein Engagement auch noch was zahlen. Es reicht also nicht, nur Energie, Zeit und Passion mitzubringen. Kenne ich so nicht, hatte ich so noch nie und akzeptiere ich so auch nicht. Also war dieses Event auch nicht meine Bühne für meinen Werbezug fürs Handwerk. Verstehe.

Danke für nichts. Und für alles.

So dumm das alles bis jetzt gelaufen ist, danke ich trotzdem allen, die sich bis jetzt so ignorant verhalten haben. Denn dieses Wegducken vor der ungeliebten Wahrheit zeigt uns unser Standing. Es zeigt, was andere von uns halten und es zeigt mir noch mehr, wo wir hinmüssen! Frei nach dem Motto: Was uns nicht schwach macht, macht uns nur stärker. Wir sollen und müssen für das Überleben unseres Handwerks kämpfen. Aber bitte eben alle zusammen!

Zum Schluss noch ein winziges Happy End. Letztlich hat doch noch eine meiner Aktionen gefunzt: Die Zeitung in Tübingen ist gut mit mir. Bei denen hatte ich die Tage ein Meeting mit der Redaktion – und ein paar Tage später endlich auch einen fetten Artikel auf Papier. Geht also doch! Und glaubt mir eines: Diese Welle hier ist erst der Anfang! Ich habe da eine fette Idee. Stay tuned.

Euer Andi

 

Du hast Andi letzte Kolumne zum Thema Azubis noch nicht gelesen? Dann wird es Zeit! Let’s go https://www.fmfm.de/wir-muessen-den-youngsters-bock-auf-den-beruf-machen-wer-sonst

31. Juli 2023In UncategorizedVon Simone Frieb
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