KI vs analog: „Wir müssen mit den neuesten Tools nochmal zurück zur Basis!“
In seinem Fall könnte "KI" auch "Kreative Intelligenz" heißen. Schließlich ist er schon seit Jahren einer der kreativsten Köpfe der Branche: Cihan Bulut, Friseurunternehmer, Schwarzkopf Professional Artist und Business Coach. Mit KI generiert er längst nicht nur Frisurenbilder für seine Unternehmens-Kommunikation. Dennoch schätzt er das Analoge und plädiert für mehr Qualität durch nackte Praxis. Warum es so wichtig ist das Beste aus beiden Welten zu vereinen, hat er FMFM-Autorin Daniela Hamburger verraten.
Lieber Cihan, Du und Dein Team sind dafür bekannt, eigene Foto- und Videokollektionen komplett selbst auf die Beine zu stellen – von der Planung bis zur Durchführung. Nun sind Dein neuestes Ding Bilder, die mit KI generiert wurden. Wie kam’s dazu?
Ja, das ist richtig! Ich liebe und schätze Analoges. Doch beeinflusst KI jeden Bereich unseres Lebens. Ich habe mich schon sehr früh damit beschäftigt, um zu sehen, was für unsere Branche brauchbar ist. Ich setze seit geraumer Zeit selbst generierte Bilder im Zusammenhang mit meinem Salon, meiner kreativen und alltäglichen Arbeit ein.
Welches Image möchtest Du mit diesen Bildern transportieren?
Mein Image steht schon, aber es entwickelt sich mit den Gegebenheiten. Das macht unseren Beruf aus. Künstliche Intelligenz ermöglicht es mir, innerhalb kurzer Zeit meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, indem ich meine Gedanken in die KI speise (als Prompts) und dann mit diesen spiele. Das ist dann automatisch Imagepflege.
Macht Ihr trotzdem noch „normale“ Shootings?
Aber sicher! Das Leben muss echt bleiben. Wir nutzen nur neue Tools, um unseren Horizont zu erweitern.
Für welche Art der Kommunikation nutzt Du KI? Wo macht es für Dich Sinn, wo gar nicht?
In der Bildkommunikation macht sie absolut Sinn, zu sehen z. B. auf meinem Instagram-Account (@erdbeerschnitte_cihanbulut). Hier mische ich analoges und digitales Material. Das pimpt meinen Content, ich kann schnell Trends erzeugen und auf äußeren Input reagieren. So ist es für mich. Ich muss aber auch sagen: KI kann in jedem Bereich Sinn machen! Jeder nutzt KI da, wo es ihn unterstützen kann. Also gibt es kein „Da bringt KI nichts!“
Gibst Du auch spezielle KI-Seminare?
Nein, explizite KI-Seminare gebe ich nicht. Allerdings finden meine Seminare ja normalerweise in einem sehr kleinen Kreis von fünf bis zehn Teilnehmenden statt oder auch in one-to-one Einzeltrainings. Da fließt die KI dann sehr oft mit ein und wenn Interesse da ist, vertiefen wir das Thema auch.
Uns interessiert Deine Sicht der Dinge: Wie siehst Du die Friseurbranche aktuell? Welche Entwicklungen nimmst Du wahr?
Die Frage der Fragen (lacht)! Ich liebe meinen Beruf. Meine Mitarbeitenden und ich leben davon. Also gibt es keine andere Alternative, als sich selbst immer wieder neu zu erfinden. Angst ist kein guter Begleiter. Ich muss alles immer wieder in Frage stellen, mein System überdenken und Neues ausprobieren. Die Branche spaltet sich, wie schon immer. Manche schaffen es und manche nicht. Ich habe gemerkt, dass viele zu stolz sind, sich helfen zu lassen. Es gibt viele Möglichkeiten zur Unterstützung. Trotzdem heißt es: aufpassen! Es gibt auch Abzocker! Die Friseurbranche braucht Zusammenhalt und eine stabile Basis. Die gibt’s allerdings aktuell nur für eine Handvoll und für die Aktiven!
Wo liegen Deiner Meinung nach aktuell die größten Schwierigkeiten?
Ich glaube, dass Kontinuität in der Qualität fehlt. Die Branche hält sich an Trends auf, die sie technisch nicht erfüllen kann. Der Trend, Dinge im Internet anzuschauen, ist groß, aber der Trend, sie zu trainieren, liegt gefühlt bei Null. Es muss permanent trainiert und geübt werden, natürlich mit professioneller Anleitung. Viele übernehmen sich an dieser Stelle, weil sie denken, sie beherrschen eine Technik, beherrschen sie aber doch nicht richtig. Die Qualität fehlt da einfach. Es gibt nur eine Handvoll Auserlesener, die wirklich immer wieder üben und trainieren, sich weiterbilden. Die Abstinenz, die wir durch Corona in puncto Weiterbildung hatten, hallt immer noch nach: In dieser Zeit wurde viel online gemacht, z. T. eben auch heute nach. Dadurch fehlt das genaue Draufschauen. Wir müssen mit den neuesten Tools nochmal zurück zur Basis!
Und wo liegen die Chancen?
Die Chancen liegen überall herum. In erster Linie muss sich jeder mal selbst ehrlich bewerten und schauen, wo er, sein Salon und die Mitarbeitenden stehen. Worin liegen die Fähigkeiten, wo die Stärken und wo die Schwächen? Dann gilt es, gemeinsam Möglichkeiten zu erarbeiten, Entscheidungen zu treffen und auszuprobieren. Das ist ein Prozess der in regelmäßigen Abständen wiederholt werden muss. Die Bestandskund*innen müssen gehalten und neue dazugewonnen werden. Das geht nicht ohne Investitionen: und zwar Geld, Zeit und Energie!
Nach der Corona-Zeit wolltest Du der Innung beigetreten. Hast Du das tatsächlich gemacht? Und falls ja, bist Du zufrieden mit der Mitgliedschaft?
Ja, das hab ich tatsächlich. Und ich bin sehr glücklich darüber, weil ich sehe, dass auch die anderen etwas verändern wollen und das wirklich angehen. Ich werde in meiner Region stark vertreten sein und es wird einiges passieren. Ich habe beim FFK Baden-Württemberg bereits zwei Seminare geplant und auch bei den Beauty Inspiration Days am 25. und 26. Februar 2024 werde ich sprechen und arbeiten. Also nicht immer nur quatschen, sondern auch machen!
Hast Du denn das Gefühl, dass Ihr im Verband zusammen etwas bewegen könnt, dass Ihr die gleichen Ziele habt? Schließlich sagt schon Dein Claim aus: „Alles andere gibt es schon.“ Das heißt, Du machst vieles anders als Deine Kolleg*innen, richtig?
Stimmt, wir machen vieles anders aber das ist ein Teil vom Gesamten. Die wenigen jungen Menschen, die diesen Beruf noch erlernen wollen, brauchen zeitgemäße Inspirationsquellen. Ich möchte und werde eine davon sein. Das ist auch das Ziel des Verbands. Wir werden sehen, wie weit wir damit kommen. Digitale Module sind auf jeden Fall unabdingbar, denn die Jungen der Branche haben einen komplett anderen Zugang zum Digitalen als wir Erfahrenen. Es gilt, diese Jungen mit ins Boot zu holen. Nur gemeinsam haben wir die Chance, etwas zu verändern. Auch Ihr von FMFM seid ein wichtiges Sprachrohr für die Branche – danke dafür!
Wir haben zu danken, lieber Cihan!
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