Klimapositiver Salon: „Wir haben schon so viele infiziert!“

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Lebt das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich & unverkrampft: Cihan Bulut
© Foto: Andreas Dalferth
Lebt das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich & unverkrampft: Cihan Bulut

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Szenig, chic oder öko? Wer als Friseur denkt, man müsse sich noch zwischen Trend und Nachhaltigkeit entscheiden, irrt. Bestes Beispiel ist der Salon Erdbeerschnitte von Cihan Bulut. Design und Handwerk sind mega nice. Und das Konzept: klimapositiv. Wir haben mit Trendsetter und „Clubhouser“ Cihan darüber gesprochen, wie sexy Nachhaltigkeit in 2021 sein kann.

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Cihan, in deinem Ludwigsburger Salon Erdbeerschnitte arbeitet ihr seit Februar 2021 zertifiziert klimapositiv. Erzähl, wie kam es dazu? Bislang hatten wir dich mehr als Szenesalon auf der Uhr.

Während des Lockdowns hatten wir alle viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe während der ersten Schließungszeit auf „Clubhouse“ die Gruppe „Friseur Club Deutschland“ gegründet und bin dort über meinen Kollegen Frank Brormann auf die Jungs von der Organisation „Cut Climate Change“ gestoßen. Sie ermitteln professionell, welche Mengen CO2 man pro Jahr mit der Arbeit in seinem jeweiligen Salon erzeugt und freisetzt und unterstützen Friseure darin, ihre Emissionen zu reduzieren beziehungsweise auszugleichen. Für diesen Ausgleich werden Zertifikate gekauft, die beispielsweise internationale Aufforstungsprojekte oder auch den Bau von Wasserkraft- statt Kohlekraftwerken unterstützen. Diese Art der Nachhaltigkeit macht angesichts von Klimaveränderungen und immer mehr Umweltkatastrophen extrem Sinn. Mir war es schon lange ein Bedürfnis, sinnlose und willkürliche Verschwendung von Ressourcen unter die Lupe zu nehmen.

Woran hast du konkret in deinem Salon geschraubt – und wie passen diese Veränderungen in dein an sich sonst sehr stylisches Salonkonzept?

Also, da gibt es gar kein entweder-oder. Ich habe einen modernen, schicken Salon und bin kein grüner Ökoladen. Das will ich auch nicht sein. Aber es gibt so unendlich viele coole Dinge, die man vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Ich musste 47 Jahre alt werden, um Einsparungsmöglichkeiten zu sehen, die förmlich vor meiner Nase rumlungern. Es sind viele kleine Dinge, die eine Menge ausmachen. Wir kaufen zum Beispiel überhaupt kein Waschmittel mehr, sondern nutzen stattdessen Kunststoffbälle zum Waschen, die mithilfe von Mikroorganismen Bakterien aus der Wäsche entfernen. So ein Ball hält drei Jahre und kostet 20 Euro. Und der Langlebigkeit der Waschmaschine tut es ebenfalls gut. Für Männerkunden haben wir kleinere Handtücher gekauft. Das macht deutlich weniger Wäsche. Außerdem haben wir uns entschieden, dass die letzte Wäsche am Abend nicht mehr im Trockner landet, sondern aufgehängt wird. Das kostet uns vielleicht fünf bis zehn Minuten am Tag, aber so haben wir pro Jahr 240 Trocknerladungen eingespart. Wir alle wissen, was diese Trockner für eine Wahnsinnsenergie verbrauchen. Dann haben wir darüber hinaus neue Wasserdüsen gekauft, die das Wasser so aufperlen, dass wir 50% weniger Wasserverbrauch haben. Beim Trinken können wir beispielsweise dank der Anschaffung eines Einbau-Osmosefilters völlig auf den Kauf von Wasserkästen verzichten. Das spart nicht nur Geld, sondern meine Kund*innen und Mitarbeiter*innen haben jetzt auch superleckeres Wasser und trinken deutlich mehr. Natürlich gibt es auch Dinge, auf die ich weniger gern verzichte, zum Beispiel Alufolien. Mit Papier komme ich nicht so gut klar. Ergo: Ich habe eine Maschine gekauft, die Alufolien zumindest superpräzise zuschneidet, sodass wir das Aufkommen und die Verschwendung reduzieren. Außerdem werden die Folien separat entsorgt. Kurz: Es ist enorm, was einem alles an Veränderungspotenzial auffällt, wenn man erst mal für das Thema sensibilisiert ist.

Diese Einsparungen könntest du aber auch ohne „Cut Climate Change“ umsetzen, oder?

Natürlich könnte ich das. Aber wie bei so vielen Dingen macht es deutlich mehr Spaß, das Ganze in einer Gemeinschaft umzusetzen. Das Ziel von CCC ist ja, möglichst alle Friseursalons Deutschlands zur Teilnahme zu bewegen und so das ganze Handwerk klimapositiv zu gestalten. Die kollektive Dynamik, die mitspielt, ist eine andere, als wenn man allein für sich hier und dort was einspart. Selbstverständlich ist auch das immer noch besser, als gar nichts zu tun, aber man ist so sehr viel motivierter, auch weiter dran zu bleiben und sich zu entwickeln. Wir zertifizierten Friseursalons erhalten beispielsweise fortlaufend neue Informationen zum Thema Nachhaltigkeit und werden jährlich erneut geprüft. Das weckt natürlich den Ehrgeiz, bei der nächsten CO2-Ermittlung im Salon geringere Emissionen als im Vorjahr vorzuweisen. Was ebenfalls den Sinn für die gute Sache schärft, ist der Anbau der Friseurwälder, die in verschiedenen Regionen Deutschlands gepflanzt werden. So tun wir auch etwas vor Ort. Ich kümmere mich derzeit in meinem Landkreis darum, einen solchen Friseurwald mit 300-500 neuen Bäumen zu koordinieren. So bin ich nicht nur ein Teil des CCC-Projekts, sondern habe auch das Gefühl, meiner Heimat etwas zurückzugeben. Insgesamt bin ich achtsamer geworden, auch was den Konsum insgesamt angeht.

Was sagen deine Kund*innen zu deinem Engagement und der Tatsache, dass ihr Friseur ihnen klimapositiv die Haare schneidet und färbt?

Da unsere Kund*innen keinerlei Einschränkungen im Service spüren, merken sie das zunächst gar nicht. Aber wir sprechen natürlich mit ihnen über unser klimapositives Konzept. Das gibt fast immer ein Monsterfeedback. Von „Ihr seht gar nicht so öko aus!“ bis zu meinem Arzt, der seinen Freunden von unserer Arbeit erzählt – und die dann zu mir in den Salon kommen. Ich habe wirklich viele neue Kund*innen über die Initiative bekommen. Das ist ein schöner Nebeneffekt der lokalen Presseberichterstattung. Aber das wirklich Spannende ist, dass mein Team und ich uns mit unseren Gästen auf einem ganz anderen, für viele oft ungewohnten Level austauschen. Die Kund*innen fragen ganz viel; diese Fragen müssen wir natürlich beantworten können. Aber wir zeigen dadurch, dass wir uns mit dem Thema wirklich auseinandergesetzt haben. Das macht etwas mit unserem Image. Und wir konnten schon so viele Kund*innen infizieren, sich auch bewusster mit ihrem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Vor allem die jüngere Kundschaft und auch meine eigenen Kinder feiern das total, wenn ich ihnen zum Beispiel sage, dass wir dank der neuen Wasserdüsen statt 90 Liter Wasser jetzt nur noch 45 Liter für ihre Haarwäsche benötigen. Ich bin überzeugt, dass die zukünftigen Kundengenerationen auf den Aspekt Nachhaltigkeit noch viel stärker achten werden. Ein Grund mehr, dass wir Friseure noch mehr unseren Grips benutzen, um bei unseren Gästen als Vorreiter und Multiplikatoren zu punkten. Schließlich geht es um nichts Geringeres, als unsere wunderschöne Erde zu erhalten. Da bringt uns jeder Schritt in die richtige Richtung nach vorn.

Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“