Krause Friseurlöhne. Oder wie Aldi uns Fachkräfte abluchsen will.

FMFM -konkret-Funk
Schlechte Kalkulation führt zu schlechten Löhnen.
Foto: Funk
Schlechte Kalkulation führt zu schlechten Löhnen.

Anzeige

Anzeige

Anzeige

Anzeige

ALDI statt Friseursalon? Eine Marketingkampagne des Discounters zur Mitarbeiterwerbung schlug hohe Wellen in der Friseurszene. Saloncoach und FMFM Artist Christian Funk wundert beides wenig: dass sich Kollegen durchaus davon angesprochen fühlen könnten und dass andere Branchen gezielt um Friseure als Mitarbeiter werben. Er ist überzeugt: „Falsch kalkulieren heißt Mitarbeiter verlieren. An ALDI und Co.!“

Anzeige

Anzeige

BÄÄÄHM. Da waren die Reaktionen riesig, als ich das schöne Mitarbeiter-Werbeposting von Aldi Nord in die Friseurgruppen geteilt habe! Quereinstieg mit ALDIpower – Hat ihr Leben umgestylt: Sabrina 37, früher Friseurin, heute Verkäuferin.

Viele empörte Stimmen gabs, und der eine oder andere Kollege wurde für dumm erklärt, wenn er auch nur eine Sekunde über einen solchen Tabubruch nachdenken würde – zu ALDI gehen…! Andere erklärten, dass diese Art von Beruf ja so schrecklich unkreativ wäre und sowas auf keinem Fall für sie in Frage kommen würde. Wieder andere legten die Karten auf den Tisch und outeten sich, dass sie einfach die Lust am Friseurberuf verloren hätten und tatsächlich in andere Berufe abgewandert seien. So weit, so aufregend.

Ja, attraktiv sind wir Friseure als Mitarbeiter für andere Berufsfelder, denn wir sind ja quasi ALLES in EINEM! Handwerker – Künstler – Psychologen – Ärzte und so vieles mehr! Und Friseure sind größtenteils unzufrieden. Unzufrieden mit der Bezahlung, den Arbeitsbedingungen, den Arbeitszeiten und damit, dass ihre Chefs die Lebenszeit für Ramschpreise verkaufen. Nichts wirklich Neues.

Inzwischen ist das eben auch bei ALDI angekommen. Auch dort wütet der Fachkräftemangel, wie in allen Branchen. Der Rest ist Marketing!

Aber wie kannst Du nur bei ALDI Regale einräumen und die Kasse piepsen lassen?

Ganz einfach erklärt: Wenn ich von meinem Gehalt nicht leben kann, dann kann der Job noch so kreativ sein – dann vergeht mir die Lust daran! Denn Miete und Co. wollen bezahlt werden. Basta!

Aber ist es eigentlich wirklich so, dass Friseure „alle“ so unglaublich schlecht verdienen! Folgt man statistischen Ausführungen und Branchenvergleichen oder macht man eine große Umfrage in den Friseurgruppen, deutet vieles darauf hin. Demnach ackern nämlich immer noch ca. 80 % der Kollegen für Löhne nahe dem Mindestlohn! Aber das ist es ja auch für viele von ihnen nicht allein. Hinzukommen unbezahlte Überstunden, Weiterbildung in der Freizeit, putzen nach 18 Uhr, Werkzeuge vom kargen Lohn selbst kaufen und viel zu hohe Auslastung durch zu günstige Preise. Diese Mixtur aus Gruseligkeiten lässt viele Kollegen verzweifelt im Hamsterrad zurück.

Versucht mal, einen Automechaniker oder Elektriker zu erklären, er müsse die für seine Arbeit benötigten Werkzeuge selbst kaufen. Oder verklickere einer Versicherungsfachkraft, dass sie die so wichtige Fortbildung, gefälligst am freien Tag – natürlich ohne Ausgleich – besuchen soll. Die Unternehmer hätten alle Lacher auf ihrer Seite. Zu Recht!

Dann doch lieber zu ALDI: entspannt Regale einräumen und Kassen piepsen lassen! Das ist tatsächlich stressfreier, wenn sicherlich auch nicht so erfüllend. Aber zumindest passt der Lohn, denn aktuell zahlt ALDI Nord durchschnittliche 15-16 € an seine einfachen Verkäufer.

Ursachen für miese Löhne

Aber jetzt mal Klartext – TachelsReden nennen wir das im Norden! Warum verdienen Friseure denn eigentlich so fürchterlich?

Viele würden sagen: Wenn Mitarbeiter gute Umsätze machen, dann können sie auch gut verdienen. Das ist zwar in sich richtig, aber nur die halbe Wahrheit! Denn für GUTE Umsätze braucht es auch gute Strukturen, Preise und spezielle Dienstleistungen, an denen das Unternehmen mehr als an der blanken Handarbeit verdient!

Schauen wir uns die marktüblichen Preisstrukturen der Friseurbranche an, können diese Preise nüchtern betrachtet nur für Hungerlöhne reichen. Weil mehr einfach nicht drin ist.

Beispiel:

Rechnen wir mal 37 Wochenstunden und die ominösen 60 € pro Stunde (da liegen viele sogar noch deutlich drunter), die man als Friseur in einem „normalen“ Salon „wohl“ umsetzen kann.

Nun, eine 100 %-ige Auslastung ist nicht möglich; 85 % gelten als Vollauslastung. Lassen wir es mal menschenwürdig und gehen von 75 % Auslastung aus. Und das ist schon ganz schön viel!

Rechnen wir:

37 Std. x 4,33 Wochen = 160,21 Stunden im Monat. Einigen wir uns auf runde 160 Stunden.

Bedeutet:
160 Std. x 60 € = 9.600 € x 75 % Auslastung = 7.200 € x 10/12 um Urlaub auszugleichen =

⌀ 6.000 € Umsatz!

Nun gehen wir mal von einem vernünftigen Lohnfaktor aus, der heute so vielleicht üblich sein könnte: Faktor 4.0. (Achtung es gibt keine pauschalen Lohnfaktoren/Multiplikatoren, die müssen immer errechnet werden und jeder Veränderung im Team oder Kostenbereich, verändert diesen!)

6.000 € : Faktor 4.0  = 1.500 € Bruttolohn / 160 Monatsstunden = 9,38 € Stundenlohn

6.000 € : Faktor 3,5  = 1.714 € Bruttolohn / 160 Monatsstunden = 10,14 € Stundenlohn

Rutschen der Groschen, der Pfennig, der Cent jetzt!? Das bedeutet nämlich: Mit den normal üblichen Preisen und nur mit der „reinen“ Handarbeit ist hier kaum Geld zu verdienen! Weder für den Unternehmer noch für die ausgebeuteten Mitarbeiter.

Und ja: Ich höre sie nun schon wieder schreien! „Das ist ja viel zu pauschal!“ oder „Ich mache viel Farbe und Strähnen!“ oder „Ich bin ja viel höher ausgebucht!“ Für mich ist das – ganz ehrlich – reines Blablabla.

Leute, Auslastung ist nicht die Lösung, sie ist das f…cking Problem. Denn höhere Auslastung allein ist langfristig krankmachend und vergrault Mitarbeiter. Außerdem bleibt durch Wareneinsätze von Farbe und Strähnen auch nicht unbedingt mehr hängen. Hinzu kommt: Schaue ich mir die meisten Preislisten deutscher Friseure an, weiß ich auf diesen ersten Blick, dass diese Kollegen bei den Farbdienstleistungen noch Geld drauflegen.

Außerdem haben wir auch einen Mindestlohn. Der ist demnächst bei 12,82 € – und damit weit entfernt von den 9,38 € meines Rechenbeispiels.

„Ja, und wie kommt es dann, dass mein Salon immer noch überlebt?!“, mag der oder die andere da fragen. Soll ich es drastisch sagen?

Weil du vermutlich Geld neben die Kasse legst. Weil du aller Wahrscheinlichkeit nach Mitarbeiter teilweise oder gar komplett „schwarz“ bezahlst, du schuftest wie ein Ackergaul, deine Mitarbeiter für schauerliche Löhne schindest und weil du als Unternehmer ähnlich armselige Unternehmerlöhne hast wie deine Mitarbeiter und ohne Schwarzgeld oder ohne einen gut verdienenden Ehepartner längst weg vom Fenster wärst. Das ist genau das, was ich immer wieder live und in Farbe sehe.

Kalkulieren oder verlieren!

Kalkulation ist hier DAS Zauberwort. Und dabei geht es nicht nur um die Preise. Es geht dabei um so vieles MEHR! Es geht um Leistungen und Leistungserwartungen, um Kosten und Kostenstrukturen, um Teamgröße und Teamstrukturen und um Lohnkalkulation. Und erst ganz am Ende geht es auch darum, ob all diese Parameter mit den richtigen Preisen verbunden sind. Denn all dies muss und sollte miteinander im Einklang stehen. Das alleine getan ist eine ziemlich komplexe Aufgabe.

Jetzt mal realistischer Klartext: 

Wie erreichen wir als Friseurunternehmer, dass unsere Mitarbeiter endlich mehr Geld verdienen können? Wie erreichen wir, dass ein Unternehmen, sich Fort- und Weiterbildung, gutes Werkzeug für die Mitarbeiter, Ausbildung, Rücklagen und eben auch einen gesunden Unternehmergewinn leisten kann?

Gehen wir mal von absolut utopischen Löhnen aus!

Ich habe selbst Mitarbeiter, die „sich“ an die 30 € pro Stunde verdienen (18 € Grundlohn plus Leistungslohn). Wir betreuen einige Mandanten, die da sogar noch deutlich darüber liegen.

Rechnen wir wieder mit besagten 37 Wochenstunden und dem Lohnfaktor 4.0.

Heißt: 37 x 4,33 = 162 x 30 € = 4.860 € brutto x Faktor 4 = 19.440 € benötigter Umsatz.

Und uns ist doch hoffentlich allen klar: Solche Umsätze erlangen wir nicht mit reiner Handarbeit (Haareschneiden) oder mit einfachen Farbdienstleistungen.

Machen wir also eine Stundenumsatz-Analyse:

19.440 € : 162 Std. = 120 € pro Stunde bei 75 % Auslastung = 160 € p. Std x 12/10 = 

 192 € Umsatz pro Stunde

Wie gesagt, diesen Umsatz macht kaum einer allein mit Haareschneiden.

Auch das lässt sich ratzfatz rechnerisch darlegen. Beispiel: Ich verkaufe einen Herrenhaarschnitt für 30 € in 30 Min. Bleiben dann wirklich 10 % für Rücklagen und Liquidität übrig? (Wohl dem, der das überhaupt versucht – unsere Erfahrung zeigt nämlich, dass kaum einer mit einem Stundenfaktor von 60 € diese 10% Rücklagen schafft)

Es bleiben so nämlich netto lausige 2.52 €!

Verkaufe ich dagegen eine Bürste (EK 13,50 € – VK 35 €), habe ich in diesem Fall über 14 € Reingewinn! Nun ist es nicht allzu kompliziert auszurechnen, wie viele Kerle ich schnibbeln müsste, um das gleiche Geld wie am Verkauf nur einer Bürste zu verdienen! In diesem Fall sind es über 5,6 Haarschnitte.

Und das wäre eine Arbeitszeit von fast 3 Stunden!

Arbeite ich nun aber auch mit Dienstleistungen, bei denen ich noch einen enormen Verkaufsumsatz implementieren kann, steigert dies meine Rentabilität enorm.

Beispiel Tape Extensions: Ein Anbieter sorgt bei mir mit einer Marge von 150% für echte 98% Gewinn – da bleiben für eine Haarverdichtung (30 Min. Arbeitszeit) 46 € Reingewinn – nur durch den Verkauf der Haare übrig!

Das bedeutet: Ich müsste 18 Kerle sägen, um das gleiche Geld zu haben, welches ich in der gleichen Zeit mit diesen Tape Extensions verdiene!

18 Kerle.  Das sind über 9 Stunden Arbeitszeit!

Nun machen wir es noch eine Spur wilder. Ein Extensionsanbieter bietet z. B. 334 € Reingewinn bei einer Haarverlängerung. Macht 1,5-2 Stunden Arbeitszeit + Schnitt + Verkauf + Farbausgleich.

Heißt: Wir haben schnell über 500 € Gewinn in ca. 3 Stunden Arbeit!

198 Männer oder 99 Stunden Arbeitszeit müsste ich mit reiner Handarbeit aufbringen, um solche Umsätze zu erlangen, die ich in ca. 3 Stunden viel einfacher generieren kann.

Seht Ihr?  19.440 € Umsatz sind plötzlich doch gar nicht so utopisch, wie es viele glauben mögen. Ich betreue mit meiner Partnerin Martina Jovanovic hunderte von Mandanten. Umsätze weit über 10.000 €, ja sogar weit über 20.000Euro, und entsprechende Lohnstrukturen sind dort keine Seltenheit!

Extras bringen extra Kohle!

Anderes lukratives Beispiel: Mehr Umsatz an unserer Handarbeit, ohne hier zusätzliche Arbeit zu generieren.

Beispiel Feuchtigkeitsbooster als Extra: 

60 Min. Arbeit für 60 € – bleiben 10 % Überschuss. 6 € : 1,19 = magere 5,04 € netto für Liquidität und Rücklagen.

Biete ich meiner Kundin einen Feuchtigkeitsbooster zuzüglich zum Haarschnitt und nehme dafür z. B. 12 € on Top, kommen netto 10 € auf die Rücklagen drauf!

Das bedeutet: Ich verdreifache meinen Gewinn ohne Mehraufwand und mit einem minimalen Materialeinsatz!

Es gibt noch reichlich Beispiele, wie wir unseren Gewinn (nicht nur Umsatz!) steigern können und dabei sogar weniger Stress und Druck haben, den wir dann oft an unsere Mitarbeiter weitergeben. Natürlich bedeutet das aber auch, dass wir unser unternehmerisches Denken, unsere Strukturen und Preise, unsere Lohnstrukturen, aber auch den gesamten Service und das ganze Drumherum anpassen und deutlich professioneller ansetzen müssen.

Eine Preisanpassung allein führt hier nicht zum gewünschten Erfolg. Es müssen sämtliche Strukturen optimiert, das Team mitgenommen, geschult und auf Spur gebracht werden. Aber zuallererst müssen wir als Unternehmer unsere Hausaufgaben machen.

Fazit:

Es ist im Friseurhandwerk durchaus möglich und auch gar nicht so kompliziert, Löhne von mehr als 20 € pro Stunde zu ermöglichen! Nur fürs Protokoll: Der durchschnittliche Stundenlohn in Deutschland beträgt 21,66 €. Also, Preise rauf? Ja, natürlich! Für die meisten am Markt ist dies ein klares MUSS. Aber das alleine wird es nicht bringen. Um hohe Preise bei Salonkundinnen etablieren zu können, bedarf es auch der entsprechenden Qualität, Professionalität, Beratung und auch der passenden (Zusatz-)Angebote!

Wir brauchen also Spezialisierungen und das gewisse Extra. Extrem hochpreisig? Nein. Nicht jeder kann und will eklatant hohe Preise fahren. Aber wird realistisch kalkuliert und werden das Unternehmen, das Team und sämtliche Strukturen angepasst, sind für jedes Unterhemen ausreichende Lohnstrukturen möglich. Davon bin ich absolut überzeugt. Wenn das gelingt, wird ALDI mit seinen Abwerbestrategien im Friseurhandwerk wenig Erfolg haben. Aber auch nur dann.

 

Du möchtest mehr über das Thema Kalkulation & Co. erfahren? Buche Deinen persönliches, unverbindliches und kostenloses Beratungsgespräch mit Christian Funk: https://calendly.com/friseurcoaching