Krisen-Marathon: „Auch wer stark ist, darf Schwäche zeigen!“
Was macht die Krise mit uns? Mal müde, mal wütend, mal kraftlos. Oder auch nachdenklich. Frank Brormann kennt die gesamte Klaviatur der Corona-Moods. Warum dem Friseurunternehmer und FMFM Artist ausgerechnet ein riesiger Krach mit seinem Nachbarn geholfen hat, zurück in seine innere Mitte zu finden? In seiner aktuellen Kolumne nimmt er Euch mit auf seine Gefühlsachterbahn durch den Pandemie-Wahnsinn.
Ich liebe meinen Sport und es fällt mir sehr leicht, mich selbst zu motivieren. Egal, ob es das Training für einen Marathon oder eine längere Radstrecke ist: Wichtig ist immer das Ziel, dann ist das mit der Motivation ein Leichtes. Sogar auf das Training freue ich mich; insbesondere auf das gute Gefühl danach. Nun, was hat all dies mit meinem Beruf zu tun? Ganz einfach: Seit mehr als einem Jahr bin ich gefühlt durchgehend auf dem Laufrad, ja sogar im Hamsterrad. Mittendrin gibt es immer wieder die Situation, dass das Ziel ist verloren geht. Es gibt gute Tage, da sehe ich ein glasklar, wohin ich will. Dann bin ich voll motiviert. Und dann kommen wieder solche Momente, in denen es scheinbar keine Aussicht auf Besserung gibt, in denen mir schlicht die Perspektive und der Ausweg fehlen. Früher habe ich mich eigentlich immer auf den nächsten Morgen gefreut; heute ist es eher ein angespanntes Aufwachen mit der Frage: Was gibt es für neue Einschränkungen, was ist noch erlaubt…?
Kurs halten ist eine Herausforderung
Ich frage mich oft: Wie soll ich denn so meinen Trainingsplan aufstellen, in welcher Zeit ich im Ziel sein will, wenn der Weg sich ständig ändert? Ich verstehe die Probleme und die Gefahren von Covid-19, und auch ich möchte keinen anderen Menschen in Gefahr bringen. In der letzten Woche hatte ich dazu eine sehr besondere Erfahrung. Nämlich die, dass ein Schnelltest beim Roten Kreuz bei mir positiv ausfiel. Das war ein Schock, denn ich fühlte mich total gesund. Zwei Stunden später habe ich dann erneut einen Schnelltest und einen PCR-Test gemacht. Beide waren negativ. Aber was das mit mir gemacht hat, war eine sehr wertvolle Lektion. Trotz so vieler Unsicherheiten um mich herum glaubte ich, inzwischen auf alles vorbereitet zu sein – und war es dann plötzlich doch nicht. Wahnsinn! Dieses Mal ist es gut ausgegangen. Wobei, was heißt schon ausgegangen? Das Wort passt eigentlich nicht in die heutige Zeit, denn es geht ja weiter. Noch haben wir das Virus nicht besiegt. Geimpft bin ich auch noch nicht.
Mentale Hänger inklusive
Ehrlich gesagt gibt es Tage, da habe ich einfach überhaupt keine Lust mehr. Ja, bin sogar aggressiv zu mir selbst und hoffentlich nicht zu meinen Mitmenschen. Was es mir so schwer macht: Ich bin schließlich Unternehmer, will Verantwortung tragen, Ziele setzen und dafür kämpfen, diese zu erreichen. Seit mehr als 12 Monaten kann ich das so nicht mehr, weil diese Pandemie und ihre Folgen uns alle ausbremsen. Das ist eine Herausforderung, die mich gelegentlich überfordert. Gestern habe ich mich sogar mit einem Nachbarn gestritten. Warum? Wegen nichts! Das hat mich sehr erschreckt. Ich habe mich dann an eine Geschichte erinnert, die ich vor vielen Jahren gelesen habe: Ein Mann sitzt in der U-Bahn in New York mit seinen beiden Söhnen, 4 und 6 Jahre alt. Beide sind sehr unruhig und springen umher und stören die anderen Passagiere. Nach 10 Minuten kommt ein Passagier zu dem Vater und beschwert sich über die Kinder. Daraufhin sagt der Vater: „Es tut mir leid, wir kommen gerade aus dem Krankenhaus. Meine Frau und die Mutter der Kinder ist heute Vormittag gestorben. Ich werde die Kinder beruhigen. Entschuldigung.“ Ich habe mich an diese Geschichte erinnert und bin dann zu meinem Nachbarn gegangen und habe mich entschuldigt. Und: Ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr zu werten, wenn Menschen um mich rum oder Kunden aggressiv oder schlecht gelaunt sind. Wer weiß, was ihnen zuvor passiert ist.
Sich gegenseitig unterstützen
Aber mir ist es auch wichtig, meinen Mitmenschen zu sagen, wenn es mir selbst nicht gut geht. Nach einem Jahr Covid habe auch ich Tage, an denen es bei mir ganz und gar nicht rund läuft. Dann bin ich auch zu meinem Team ehrlich und kommuniziere mein Stimmungstief. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, weil sie dann merken, dass ich als Chef nahbar und echt bin. Wenn wir uns die Gelegenheit geben, uns an solchen Tagen gegenseitig zu unterstützen und zu tragen, kann eine ganz besondere Nähe untereinander entstehen. Das sehe ich als große Chance, die eine solche Krise uns bietet. Überhaupt suche ich aktuell nur noch Kontakt zu Menschen, die mir guttun. Ich tue alles dafür, dass meine Seele gesund bleibt, denn dann es wird viele Personen geben, denen ich helfen kann und auch will. Und ich verlasse mich auf meine innere Kraft. Ich bin bis hierher gekommen und werde es auch weiter schaffen. Wir müssen jetzt Ziele setzen für diesen Sommer, uns wieder um Haare kümmern. Bei calligraphy cut haben wir die Zeit genutzt und eine digitale Akademie gebaut. Im Juli werden wir damit starten – komme, was wolle.
Mein Entschluss steht: Ich will mir nicht mehr alles nehmen lassen, und ich bin bereit, dafür zu kämpfen! Was für mich allerdings noch neu ist: Ich stehe jetzt auch zu den besonderen Tagen, an denen ich einfach nicht mehr kann. Dann gehen auch die wieder vorbei.
Passt auf Euch auf.
Herzlichst, Euer Frank
Calligraphy Cut: Mode-Erscheinung oder Revolution? Die Fakten zum Top-Thema der Branche