Männliches Erwachen: Tausche Kamm & Schere gegen Babypuder & Nuckelflasche!
Intensiv, anstrengend, völlig losgelöst: Der Sprung aus dem Vollzeit-Salonalltag in die Elternzeit war für Friseurmeister und Saloninhaber Patrik Kolbow ein Wechselbad der Gefühle – zwischen Kapitulation und „Aufgeben ist keine Option“. In einem bewegenden Post auf Facebook erzählt er von seinen Eindrücken. Es ist eine Liebeserklärung nicht nur an seine eigene Frau, sondern an alle Mütter, die es tagtäglich schaffen, Beruf, Haushalt & Kind unter einem Hut zu kriegen. Mit FMFM hat er über seine unvergesslichen Erlebnisse und neu gewonnenen Erkenntnisse gesprochen.
Elternzeit ist meistens Mütterzeit. Das ist einfach so. Väter halten sich da eher zurück. Denn vielen Männern fällt der Schritt schwer, die erfolgreiche Karriere für Haushalt, Babybrei und Nickerchen pausieren zu lassen. Sei es aus Angst vor finanziellen Einbußen, einem Karriereknick oder einfach, weil die vermeintlich traditionelle Rollenverteilung tief im Kopf verankert ist. Doch was ist eigentlich, wenn man(n) keine Wahl hat? So wie Patrik Kolbow. Der sympathische Neo-Papa tauschte für 3 Monate Schere, Kamm und Föhn gegen Nuckelflasche, Beißring und Babypuder.
Du arbeitest ja in einem eher weiblich dominierten Beruf, wo der Frauenanteil bei 75% liegt. Dass Friseurinnen da in Mutterschaft gehen, ist fast alltäglich. Bei Mann und Vater hingegen ist das eher ungewöhnlich. Warum hast Du Dich trotzdem dafür entschieden?
Das war eine relativ einfache Entscheidung, da meine Frau nach 12 Monaten wieder zurück in den Dienst bei der Bundeswehr musste. Wir hatten aber ein Problem: Das waren die 9 Wochen, die fehlten, bis mein Sohn die Krippe besuchen konnte. Also musste ich ran. Glücklicherweise habe ich tolle Mitarbeiter, die sich geschlossen hinter meine Entscheidung gestellt und meinen Ausfall für die Zeit super ausgeglichen haben. Nur das gab mir die Chance, zu Hause bei meinem Kind zu bleiben.
„Nach nur 72 Stunden herrschte bereits das Chaos daheim.“
Patrik Kolbow hat die Zeit mit seinen Kindern in vollen Zügen genossen.
Neun Wochen können eine lange Zeit sein. Inwiefern hat sich dein Blickwinkel auf die Doppelbelastung Beruf/Kind verändert?
Der hat sich sehr weit in die richtige Richtung verschoben. Ich war ja auch einer der Höhlenmenschen, die immer gesagt haben, dass bisschen Haushalt und Kind können ja gar nicht so schlimm sein. Wie oft bin ich abends von der Arbeit nach Hause gekommen und wunderte mich, warum meine Frau so gestresst und fertig vom Tag war? Tja, was soll ich sagen: Ich wurde in den 9 Wochen eines Besseren belehrt. Genauer gesagt schon nach drei Tagen. Denn nach nur 72 Stunden herrschte bereits das Chaos daheim. Dabei habe ich noch am Anfang der Elternzeit darüber gegrübelt, wie ich den Tag wohl rumkriegen soll. Es fehlte jede Art von Struktur oder Organisation – weil typisch Mann – habe ich natürlich gedacht, dass das Kind sich meinem Lebensumstand anpasst. Pustekuchen! So musste ich mir nach drei Tagen noch mal ganz detailliert den Tagesablauf von meiner Frau erklären lassen. Ich kann nur meinen Hut ziehen vor allen, die Arbeit und Familie so gut in Einklang bringen.
Frauen gelten ja als besonders multitaskingfähig. Wie denkst Du jetzt über Friseurinnen, die nicht nur den eigenen Salon schmeißen, sondern sich auch um Kinder und Haushalt kümmern?
Einfach nur bewundernswert, wie Frauen diesen Spagat zwischen Kind und Beruf schaffen. Ich meine, ist erst mal Struktur im Tagesablauf, läuft alles wie geschmiert, bis irgendetwas dazwischen kommt – und das kommt es immer! Wie man es dann noch schafft, einen Salon zu führen oder auch halbtags arbeiten zu gehen, ist wirklich bemerkenswert. Das würde ich nie im Leben hinbekommen.
„Meine Sicht auf das Tagwerk meiner Frau und Mütter im Allgemeinen hat sich total verändert“
Dank der Elternzeit kann Patrik Kolbow vieler seiner Mitarbeiterinnen besser verstehen.
Das hört sich nach einer turbulenten Zeit an. Gab es Momente, wo Du Dich nach deinem Salon und Deiner Arbeit gesehnt hast?
Ja, selbstverständlich. Und zwar immer in den Momenten, wo ich mich als Mann mit der Situation überfordert fühlte. Aber anfänglich chaotisch, würde ich diese Zeit trotzdem nicht missen wollen. Es war schön, mal die Erfahrungen zu machen, die sonst oft nur den Müttern vorbehalten sind. So durfte ich die ersten Schritte unseres Sohnes erleben und beim gemeinsamen Abendbrot die Tageshighlights erzählen. Ich tauschte den Platz des Zuhörers mit dem des Erzählers.
Am Ende deines Posts legst Du ja jedem Vater ans Herz – wenn möglich – diese Erfahrung zu machen. Was denkst Du, warum viele deiner männlichen Kollegen zögern, sich diese Zeit zu nehmen?
Ich vermute, dahinter stehen wirtschaftliche Interessen. Wer als Selbstständiger keine GmbH oder OHG führt, sondern einen personenbezogenen Betrieb, bekommt von der Elternkasse nur einen Minimalsatz. Der ist so gering, dass die Kosten des Ausfalls niemals gedeckt werden könnten. Gerade wenn man(n) Hauptverdiener ist, gilt es, sich damit auseinanderzusetzen. Dazu kommt die Überlegung, ob die Mitarbeiter den Wegfall überhaupt abfedern können. Da muss ich meinem Team ein großes Lob aussprechen! Sie haben in der Zeit, wo ich zu Hause war, einen super Job gemacht und mir damit den Rücken freigehalten. Ein großer Punkt ist natürlich auch, und das weiß ich aus Erzählungen, dass viele Männer sich das nicht zutrauen. Irgendwie sind wir tief in uns drin immer noch kleine Machos, für die Haushalt und Kinder Frauensache ist. Wer möchte sich als Mann schon die Schwäche eingestehen, dass es gar nicht so einfach ist, wie es aussieht.
Du hattest das große Glück, diese Erfahrung machen zu dürfen. Aber durch Alltag und Arbeitsstress können die gewonnenen Erkenntnisse ebenso schnell wieder in Vergessenheit geraten, oder?
Bei mir definitiv nicht! Meine Sicht auf das Tagwerk meiner Frau und Mütter im Allgemeinen hat sich total verändert – und zwar nachhaltig! Ich habe jetzt viel mehr Verständnis, wenn eine meiner Mitarbeiterinnen sich kurzfristig abmeldet, weil das Kind krank ist. Früher hätte ich solche Situationen eher grimmig kommentiert. Heute weiß ich einfach, wie es ist und nehme es gelassen hin.