„Mentales Führen – für mich alternativlos!“

FMFM -friseur Site-Oliver Schmidt
Geht den erforderlichen Wandel der Chefrolle an: Oliver Schmidt
Geht den erforderlichen Wandel der Chefrolle an: Oliver Schmidt

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„Meine Mitarbeiter kosten mich den letzten Nerv!“ Diesen Satz hört Oliver Schmidt von Friseurkollegen häufig. Verstehen kann er ihn oft. Und doch gibt ihm sein Studium zum Mental Coach, das er seit einigen Monaten absolviert, inzwischen einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Warum seine Chefrolle jetzt eine andere und das Verhältnis zu seinem Team ein deutlich positiveres ist, verrät er in seiner neuen Kolumne.

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Als Selbstständige sind wir seit geraumer Zeit in einer echten Tretmühle. Ständig rollen uns neue Themen und Probleme in den Weg, die bewältigt werden wollen und müssen. Es scheint so recht kein Ende zu nehmen. Sind es die fehlenden Verschnaufpausen, der desolate Arbeitsmarkt oder ist es die gesellschaftliche Entwicklung an sich, die immer mehr Salonunternehmer in die Knie zwingt und in Richtung Soloselbstständigkeit driften lässt? Vermutlich alles zusammen. Aber meine gefühlte Wahrheit ist, dass es vor allem die herausfordernde Mitarbeiterführung ist, die bei vielen letztlich das Fass zum Überlaufen bringt. Sie ziehen die Reißleine. Und das bedeutet: Dann mach ich den Kram eben allein!

Ob dieser Befreiungsschlag zur Soloselbstständigkeit ein weiser Entschluss ist, muss letztlich jede/r für sich selbst bestimmen. Ich habe jedenfalls in den vergangenen Monaten Erfahrungen gemacht, die meine persönlichen Game Changer in Sachen positiver und effektiver Mitarbeiterführung sind! Seit einiger Zeit absolviere ich parallel zu meinem Leben als Friseurunternehmer ein Studium zum Mental Coach. Und es ist wirklich verblüffend, was ich als 59-jähriger „alter Hase“ in diesem Berufsfeld so alles dazulerne – und wie sich so im positivsten Sinne meine Sichtweise auf Mitarbeiter verändert.  Genau genommen frage ich mich inzwischen, wie ich ohne dieses Wissen all die Jahre doch recht gesund durch meine Karriere als Chef von rund 180 Mitarbeitenden gekommen bin. Denn diese neue Führung bedeutet viel weniger Stress – für alle Beteiligten. Aber alles der Reihe nach.

Führung braucht ein Update

Was uns langjährige Chefinnen und Chefs ganz sicher eint, ist die Erfahrung, dass Mitarbeiterführung in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden ist. Top-down-Führung in Reinform und Motivation über Prämien- und Bonussysteme allein haben als Methoden ausgedient. Die gesellschaftliche Entwicklung, aber auch der leergefegte Fachkräftemarkt haben diesen Prozess beschleunigt. Hinzukommt, dass viele – vor allem auch junge Leute – eine veränderte Einstellung zu Disziplin und Durchhalten haben. Aufgrund veränderter Familienstrukturen fehlt es nicht selten auch an Selbstständigkeit, echtem Selbstbewusstsein und der Fähigkeit, gut zu kommunizieren. Wir sind als Teamleader also gefragt, neue Wege in der Führung einzuschlagen – wenn wir denn weiter Salonmannschaften haben wollen und damit erfolgreich sein möchten.

Oft sind es nicht fachliche Probleme

Im Studium habe ich erkannt, dass sehr, sehr viele Stolpersteine im Umgang mit unseren Mitarbeitern und all den üblich angebotenen fachlichen Weiterbildungen gar nicht zu wuppen sind. Oft liegen die Gründe dafür, dass ein Friseur oder eine Friseurin bescheidene Umsätze macht, nicht darin, dass zwingend fachliches Know-how fehlt. Da kann man als Chef noch so teure Balayage- oder Color-Seminare buchen. Bei mentaler Führung setze ich als Coach zunächst an der inneren Haltung der Menschen an, um sie aus dem Inneren heraus in ihrer Persönlichkeit zu stärken – und sie häufig überhaupt erst teamfähig zu machen. Aufbauend darauf arbeitet man gemeinsam dann erst an Themen wie Motivation und Disziplin, um im Anschluss auch fachlich erfolgreich zu werden. Das bedeutet konkret: Dank der Studieninhalte lerne ich genauer zu beobachten und entwickle immer mehr den Blick für die persönlichen, menschlichen Zwischenschichten meiner Teammitglieder: Was genau fehlt der- oder demjenigen, um seine PS auch auf die berufliche Bahn zu bringen? Womit genau kann ich sie oder ihn darin unterstützen? Wie gelingt es mir als Vorgesetzter, diesen Menschen vor mir innerlich stärker zu machen? Fehlt es vielleicht an Selbstbewusstsein? Oder sind es am Ende nur Sprachschwierigkeiten, die jemanden daran hindern, eine wirklich professionelle Beratung durchzuführen? Reicht es schon, mit dem Spiegeln von Verhalten und anschaulichen Formulierungsvorschlägen Verbindung und Kommunikation mit Kundinnen in Gang zu bringen? Kurz: Ich bin mir heute sicherer denn je, dass ohne mentale Stärke fachlicher Erfolg nicht möglich ist! Denn nur wer eine gesunde und ausgeglichene Alltagsstärke hat, kann ganz normale Untiefen (Berufs-)Lebens, die uns jedem täglich begegnen, souverän meistern und hat dann erst die Kraft, Überdurchschnittliches zu leisten. Das gilt übrigens für Chef und Chefin genauso wie für Mitarbeiter und Mitarbeiterin.

Es braucht mehr Alltagsstärke!

Oft heißt es ja, dass psychische Erkrankungen stark zugenommen hätten. Ob das wirklich stimmt? Wovon ich überzeugt bin, ist, dass viele (besonders auch junge) Menschen sehr viel alltagstärker werden müssen! Durch mein Studium zum Mental Coach lerne ich sehr viel über Emotionen und das gefällt mir extrem gut. Kleines Beispiel: Mir ist beispielweise heute völlig klar, dass Ärger deutlich schwerer wiegt als Freude. Jeder von uns wird es kennen, dass es Tage gibt (oder idealerweise gegeben hat), an denen es passierten kann, dass eine total schwierige Kundin am Morgen uns den ganzen Tag vermasselt. Man regt sich tierisch auf, schluckt den Frust runter, schuftet den Tag lang weiter – und doch bleibt der Ärger im System hängen. Vor allem dann, wenn wir die erlebte Problematik vom Morgen wieder und wieder aufwärmen und entsetzt mit Kollegen teilen. Läuft es ganz schlecht, schließen wir abends den Salon ab und nehmen den Ärger des Morgens noch am Abend mit nach Hause…

Positives nähren

Allein durch die einfache Formel „Ärger wiegt schwerer als Freude“ habe ich gelernt, dass ich für mich – aber auch als Chef im Umgang mit meinen Mitarbeitern – immer wieder darauf hinwirken kann, statt des Ärgers ganz gezielt die Freude zu nähren. Es kommt tatsächlich darauf an, aktiv den Blickwinkel verändern zu wollen! Denn es ist ganz einfach möglich. Schon bei der Frage „Was bereitet dir Freude?“ fallen uns so viele Dinge ein – meist sehr viele mehr als solche, die uns ärgern, oder? Versucht es einmal selbst. Mir gelingt es vor diesem Hintergrund immer besser, Ärger und Freude in Ruhe zu sortieren und sie auf gesunde Art voneinander zu trennen. Um nach einem ärgerlichen Vorfall klar denken zu können, kann man sich beispielsweise für einige wenige Minuten aktiv zurückziehen, um Abstand zur Situation zu bekommen. In dieser Zeit des Innehaltens regulieren wir uns selbst und plötzlich lassen sich die Dinge klar durchdenken. Und oft bleibt die Erkenntnis: Es ist eine schwierige Kundin. Mehr nicht. Es gibt keinen Grund, dieser ärgerlichen Situation die Macht über den ganzen Tag zu geben. Mit diesem aufgeräumten Verstand kann es dann weitergehen. Und voilà: Auf diese Art fressen wir den Ärger nicht einfach in uns hinein, sondern machen trotz wiederkehrender Turbulenzen immer wieder Platz für schöne Dinge, die uns Kraft schenken und Freude machen.

Das Prinzip ist also: Ärger wahrnehmen, annehmen und sehr strukturiert damit umgehen. So verhindern wir, dass uns der Ärger völlig in Beschlag nimmt. Das klingt nach einem sehr simplen Beispiel. Aber oft ist das Leben so einfach, wenn man um die Wirkung von Gefühlen weiß und lernt, sich selbst zu steuern. Ich erlebe diese regelrecht buddhistische Sichtweise in der mentalen Führung als eine enorme Bereicherung, weil sie mir a) hilft, mich selbst wunderbar zu regulieren – und weil sie es mir b) ermöglicht, eine ganz neue Verbindung zu meinen Mitarbeitern aufzubauen. Weil ich viel mehr als früher wahrnehmen kann, auf welcher Ebene wir gemeinsam wirklich nach Lösungen von Problemen suchen müssen und können.

Sich selbst und andere steuern

Mentales Führen macht mir also so vieles leichter. Ich bin mehr im Fluss mit mir selbst, aber auch mit meinem Team. Und ehrlich gesagt, sehe ich derzeit keine wirkliche Alternative zu diesem Richtungswechsel im Chef-Sein. Mitarbeitende lassen sich heute nicht mehr autoritär führen, sie möchten – zu Recht – mitgenommen und ins Boot geholt werden. Bin ich als (Friseur-)Unternehmer dazu nicht bereit, werde ich mir über kurz oder lang einen Kolbenfresser holen – und allein weitermachen müssen. Für immer mehr Kollegen ist das inzwischen Alltag. Sie suchen sich neue Ziele oder eine neue Wirkungsstätte – und treffen aber auch dort letztlich immer wieder (wen wundert es?) auf sich selbst.

Beste Grüße, Euer Oliver Schmidt

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